Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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wohl, wenn es uns kalt berührt, ob wir sehr warme Hände haben. Bei einem Ton zweifeln wir bisweilen, ob er eine bloß innere, oder wirklich eine von außen kommende Affektion des Gehörs war, sodann, ob er nah und schwach, oder fern und stark erscholl, dann, aus welcher Richtung er kam, endlich, ob er die Stimme eines Menschen, eines Thieres, oder eines Instruments war: wir forschen also, bei gegebener Wirkung, nach der Ursache. Beim Geruch und Geschmack ist die Ungewißheit über die Art der objektiven Ursache der empfundenen Wirkung alltäglich: so deutlich treten sie hier auseinander. Daß beim Sehn der Uebergang von der Wirkung zur Ursache ganz unbewußt geschieht, und dadurch der Schein entsteht, als wäre diese Art der Wahrnehmung eine völlig unmittelbare, in der sinnlichen Empfindung allein, ohne Verstandesoperation, bestehende, dies hat seinen Grund theils in der hohen Vollkommenheit des Organs, theils in der ausschließlich geradlinigen Wirkungsart des Lichts. Vermöge dieser letztern leitet der Eindruck selbst schon auf den Ort der Ursache hin, und da das Auge alle Nuancen von Licht, Schatten, Farbe und Umriß, wie auch die Data, nach welchen der Verstand die Entfernung schätzt, auf das Feinste und mit Einem Blick zu empfinden die Fähigkeit hat; so geschieht, bei Eindrücken auf diesen Sinn, die Verstandesoperation mit einer Schnelligkeit und Sicherheit, welche sie so wenig zum Bewußtseyn kommen läßt, wie das Buchstabiren beim Lesen; wodurch also der Schein entsteht, als ob schon die Empfindung selbst unmittelbar die Gegenstände gäbe. Dennoch ist, gerade beim Sehn, die Operation des Verstandes, bestehend im Erkennen der Ursache aus der Wirkung, am bedeutendesten: vermöge ihrer wird das doppelt, mit zwei Augen, Empfundene einfach angeschaut; vermöge ihrer wird der Eindruck, welcher auf der Retina, in Folge der Kreuzung der Strahlen in der Pupille, verkehrt, das Oberste unten, eintrifft, bei Verfolgung der Ursache desselben auf dem Rückwege in gleicher Richtung, wieder zurechtgestellt, oder, wie man sich ausdrückt, sehn wir die Dinge aufrecht, obgleich ihr Bild im Auge verkehrt steht; vermöge jener Verstandesoperation endlich werden, aus fünf verschiedenen Datis, die Th. Reid sehr deutlich und schön beschreibt, Größe und Entfernung in unmittelbarer Anschauung von uns abgeschätzt. Ich habe dies Alles, wie auch die Beweise, welche die Intellektualität der Anschauung unwiderleglich darthun, schon 1816 auseinandergesetzt in meiner Abhandlung »Ueber das Sehn und die Farben« (in zweiter Auflage 1854), mit bedeutenden Vermehrungen aber in der fünfzehn Jahre spätem und verbesserten Lateinischen Bearbeitung derselben, welche, unter dem Titel Theoria colorum physiologica eademque primaria, im dritten Bande der von Justus Radius 1830 herausgegebenen Scriptores ophthalmologici minores steht, am ausführlichsten und gründlichsten jedoch in der zweiten Auflage meiner Abhandlung »Ueber den Satz vom Grunde«, § 21. Dahin also verweise ich über diesen wichtigen Gegenstand, um gegenwärtige Erläuterungen nicht noch mehr anzuschwellen.

      Hingegen mag eine ins Aesthetische einschlagende Bemerkung hier ihre Stelle finden. Vermöge der bewiesenen Intellektualität der Anschauung ist auch der Anblick schöner Gegenstände, z.B. einer schönen Aussicht, ein Gehirnphänomen. Die Reinheit und Vollkommenheit desselben hängt daher nicht bloß vom Objekt ab, sondern auch von der Beschaffenheit des Gehirns, nämlich von der Form und Größe desselben, von der Feinheit seiner Textur und von der Belebung seiner Thätigkeit durch die Energie des Pulses der Gehirnadern. Demnach fällt gewiß das Bild der selben Aussicht in verschiedenen Köpfen, auch bei gleicher Schärfe ihrer Augen, so verschieden aus, wie etwan der erste und letzte Abdruck einer stark gebrauchten Kupferplatte. Hierauf beruht die große Verschiedenheit der Fähigkeit zum Genüsse der schönen Natur und folglich auch zum Nachbilden derselben, d.h. zum Hervorbringen des gleichen Gehirnphäno mens mittelst einer ganz anderartigen Ursache, nämlich der Farbenflecke auf einer Leinwand.

      Uebrigens hat die auf der gänzlichen Intellektualität der Anschauung beruhende scheinbare Unmittelbarkeit derselben, vermöge welcher wir, wie Euler sagt, die Dinge selbst und als außer uns gelegen apprehendiren, ein Analogon an der Art, wie wir die Theile unsers eigenen Leibes empfinden, zumal wenn sie schmerzen, welches, sobald wir sie empfinden, meistens der Fall ist. Wie wir nämlich wähnen, die Dinge unmittelbar dort, wo sie sind, wahrzunehmen, während es doch wirklich im Gehirn geschieht; so glauben wir auch den Schmerz eines Gliedes in diesem selbst zu empfinden, während dieser ebenfalls im Gehirn empfunden wird, wohin ihn der Nerv des afficirten Theiles leitet. Daher werden nur die Affektionen solcher Theile, deren Nerven zum Gehirn gehn, empfunden, nicht aber die, deren Nerven dem Gangliensystem angehören; es sei denn, daß eine Ueberaus starke Affektion derselben auf Umwegen bis ins Gehirn dringe, wo sie sich doch meistens nur als dumpfes Unbehagen und stets ohne genaue Bestimmung ihres Ortes zu erkennen giebt. Daher auch werden die Verletzungen eines Gliedes, dessen Nervenstamm durchschnitten oder unterbunden ist, nicht empfunden. Daher endlich fühlt wer ein Glied verloren hat doch noch bisweilen Schmerz in demselben, weil die zum Gehirn gehenden Nerven noch dasind. – Also in beiden hier verglichenen Phänomenen wird was im Gehirn vorgeht als außer demselben apprehendirt: bei der Anschauung durch Vermittelung des Verstandes, der seine Fühlfäden in die Außenwelt streckt; bei der Empfindung der Glieder durch Vermittelung der Nerven.

      3. Über die Sinne

       Inhaltsverzeichnis

      Von Anderen Gesagtes zu wiederholen ist nicht der Zweck meiner Schriften: daher gebe ich hier nur einzelne, eigene Betrachtungen über die Sinne.

      Die Sinne sind bloß die Ausläufe des Gehirns, durch welche es von außen den Stoff empfängt (in Gestalt der Empfindung), den es zur anschaulichen Vorstellung verarbeitet. Diejenigen Empfindungen, welche hauptsächlich zur objektiven Auffassung der Außenwelt dienen sollten, mußten an sich selbst weder angenehm noch unangenehm seyn: dies besagt eigentlich, daß sie den Willen ganz unberührt lassen mußten. Außerdem nämlich würde die Empfindung selbst unsere Aufmerksamkeit fesseln und wir bei der Wirkung stehn bleiben, statt, wie hier bezweckt war, sogleich zur Ursache überzugehn: so nämlich bringt es der entschiedene Vorrang mit sich, den, für unsere Beachtung, der Wille überall vor der bloßen Vorstellung hat, als welcher wir uns erst dann zuwenden, wann jener schweigt. Demgemäß sind Farben und Töne an sich selbst und so lange ihr Eindruck das normale Maaß nicht überschreitet, weder schmerzliche, noch angenehme Empfindungen; sondern treten mit derjenigen Gleichgültigkeit auf, die sie zum Stoff rein objektiver Anschauungen eignet. Dies ist nämlich so weit der Fall, als es an einem Leibe, der an sich selbst durch und durch Wille ist, überhaupt möglich seyn konnte, und ist eben in dieser Hinsicht bewunderungswerth. Physiologisch beruht es darauf, daß in den Organen der edleren Sinne, also des Gesichts und Gehörs, diejenigen Nerven, welche den specifischen äußern Eindruck aufzunehmen haben, gar keiner Empfindung von Schmerz fähig sind, sondern keine andere Empfindung, als die ihnen specifisch eigenthümliche, der bloßen Wahrnehmung dienende, kennen. Demnach ist die Retina, wie auch der optische Nerv, gegen jede Verletzung unempfindlich, und eben so ist es der Gehörnerv: in beiden Organen wird Schmerz nur in den übrigen Theilen derselben, den Umgebungen des ihnen eigenthümlichen Sinnesnerven, empfunden, nie in diesem selbst: beim Auge hauptsächlich in der conjunctiva; beim Ohr im meatus auditorius. Sogar mit dem Gehirn verhält es sich eben so, indem dasselbe, wenn unmittelbar selbst, also von oben, angeschnitten, keine Empfindung davon hat. Also nur vermöge dieser ihnen eigenen Gleichgültigkeit in Bezug auf den Willen werden die Empfindungen des Auges geschickt, dem Verstande die so mannigfaltigen und so fein nüancirten Data zu liefern, aus denen er, mittelst Anwendung des Kausalitätsgesetzes und auf Grundlage der reinen Anschauungen Raum und Zeit, die wundervolle objektive Welt in unserm Kopfe aufbaut. Eben jene Wirkungslosigkeit der Farbenempfindungen auf den Willen befähigt sie, wann ihre Energie durch Transparenz erhöht ist, wie beim Abendroth, gefärbten Fenstern u. dgl., uns sehr leicht in den Zustand der rein objektiven, willenlosen Anschauung zu versetzen, welche, wie ich im dritten Buche nachgewiesen habe, einen Hauptbestandtheil des ästhetischen Eindrucks ausmacht. Eben diese Gleichgültigkeit in Bezug auf den Willen eignet die Laute, den Stoff der Bezeichnung für die endlose Mannigfaltigkeit der Begriffe der Vernunft abzugeben.

      Indem der äußere Sinn, d.h. die Empfänglichkeit für äußere Eindrücke als reine Data für den Verstand, sich in fünf Sinne spaltete, richteten diese sich nach den vier Elementen, d.h. den vier Aggregationszuständen, nebst dem der Imponderabilität.


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