Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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Zelt hat er doch keine Rückerinnerung: der Wahnsinnige dagegen trägt in seiner Vernunft auch immer eine Vergangenheit in abstracto herum, aber eine falsche, die nur für ihn existirt und dies entweder allezeit, oder auch nur eben jetzt: der Einfluß dieser falschen Vergangenheit verhindert nun auch den Gebrauch der richtig erkannten Gegenwart, den doch das Thier macht. Daß heftiges geistiges Leiden, unerwartete entsetzliche Begebenheiten häufig Wahnsinn veranlassen, erkläre ich mir folgendermaaßen. Jedes solches Leiden ist immer als wirkliche Begebenheit auf die Gegenwart beschränkt, also nur vorübergehend und insofern noch immer nicht übermäßig schwer: überschwänglich groß wird es erst, sofern es bleibender Schmerz ist; aber als solcher ist es wieder allein ein Gedanke und liegt daher im Gedächtniß: wenn nun ein solcher Kummer, ein solches schmerzliches Wissen, oder Andenken, so quaalvoll ist, daß es schlechterdings unerträglich fällt, und das Individuum ihm unterliegen würde, – dann greift die dermaaßen geängstigte Natur zum Wahnsinn als zum letzten Rettungsmittel des Lebens: der so sehr gepeinigte Geist zerreißt nun gleichsam den Faden seines Gedächtnisses, füllt die Lücken mit Fiktionen aus und flüchtet so sich von dem seine Kräfte übersteigenden geistigen Schmerz zum Wahnsinn – wie man ein vom Brande ergriffenes Glied abnimmt und es durch ein hölzernes ersetzt. – Als Beispiel betrachte man den rasenden Ajax, den König Lear und die Ophelia: denn die Geschöpfe des ächten Genius, auf welche allein man sich hier, als allgemein bekannt, berufen kann, sind wirklichen Personen an Wahrheit gleich zu setzen: übrigens zeigt auch die häufige wirkliche Erfahrung hier durchaus das Selbe. Ein schwaches Analogen jener Art des Ueberganges vom Schmerz zum Wahnsinn ist dieses, daß wir Alle oft ein peinigendes Andenken, das uns plötzlich einfällt, wie mechanisch, durch irgend eine laute Aeußerung oder eine Bewegung zu verscheuchen, uns selbst davon abzulenken, mit Gewalt uns zu zerstreuen suchen. –

      § 37

       Inhaltsverzeichnis

      Obgleich nun, unserer Darstellung zufolge, der Genius in der Fähigkeit besteht, unabhängig vom Satze des Grundes und daher, statt der einzelnen Dinge, welche ihr Daseyn nur in der Relation haben, die Ideen derselben zu erkennen und diesen gegenüber selbst das Korrelat der Idee, also nicht mehr Individuum, sondern reines Subjekt des Erkennens zu seyn; so muß dennoch diese Fähigkeit, in geringerem und verschiedenem Grade auch allen Menschen einwohnen; da sie sonst eben so wenig fähig wären die Werke der Kunst zu genießen, als sie hervorzubringen, und überhaupt für das Schöne und Erhabene durchaus keine Empfänglichkeit besitzen, ja diese Worte für sie keinen Sinn haben könnten. Wir müssen daher in allen Menschen, wenn es nicht etwan welche giebt, die durchaus keines ästhetischen Wohlgefallens fähig sind, jenes Vermögen in den Dingen ihre Ideen zu erkennen, und eben damit sich ihrer Persönlichkeit augenblicklich zu entäußern, als vorhanden annehmen. Der Genius hat vor ihnen nur den viel hohem Grad und die anhaltendere Dauer jener Erkenntnißweise voraus, welche ihn bei derselben die Besonnenheit behalten lassen, die erfordert ist, um das so Erkannte in einem willkürlichen Werk zu wiederholen, welche Wiederholung das Kunstwerk ist. Durch dasselbe theilt er die aufgefaßte Idee den Ändern mit. Diese bleibt dabei unverändert und die selbe: daher ist das ästhetische Wohlgefallen wesentlich Eines und das selbe, es mag durch ein Werk der Kunst, oder unmittelbar durch die Anschauung der Natur und des Lebens hervorgerufen seyn. Das Kunstwerk ist bloß ein Erleichterungsmittel derjenigen Erkenntniß, in welcher jenes Wohlgefallen besteht. Daß aus dem Kunstwerk die Idee uns leichter entgegentritt, als unmittelbar aus der Natur und der Wirklichkeit, kommt allein daher, daß der Künstler, der nur die Idee, nicht mehr die Wirklichkeit erkannte, in seinem Werk auch nur die Idee rein wiederholt hat, sie ausgesondert hat aus der Wirklichkeit, mit Auslassung aller störenden Zufälligkeiten. Der Künstler läßt uns durch seine Augen in die Welt blicken. Daß er diese Augen hat, daß er das Wesentliche, außer allen Relationen liegende der Dinge erkennt, ist eben die Gabe des Genius, das Angeborene; daß er aber im Stande ist, auch uns diese Gabe zu leihen, uns seine Augen aufzusetzen: dies ist das Erworbene, das Technische der Kunst. Dieserhalb nun wird, nachdem ich im Vorhergehenden das innere Wesen der ästhetischen Erkenntnißart in seinen allgemeinsten Grundlinien dargestellt habe, die jetzt folgende nähere philosophische Betrachtung des Schönen und Erhabenen Beide in der Natur und in der Kunst zugleich erörtern, ohne diese weiter zu trennen. Was im Menschen vorgeht, wann ihn das Schöne, wann ihn das Erhabene rührt, werden wir zunächst betrachten: ob er diese Rührung unmittelbar aus der Natur, aus dem Leben schöpft, oder nur durch die Vermittelung der Kunst ihrer theilhaft wird, begründet keinen wesentlichen, sondern nur einen äußerlichen Unterschied.

      § 38

       Inhaltsverzeichnis

      Wir haben in der ästhetischen Betrachtungsweise zwei unzertrennliche Bestandtheile gefunden: die Erkenntniß des Objekts, nicht als einzelnen Dinges, sondern als Platonischer Idee, d.h. als beharrender Form dieser ganzen Gattung von Dingen; sodann das Selbstbewußtseyn des Erkennenden, nicht als Individuums, sondern als reinen, willenlosen Subjekts der Erkenntniß. Die Bedingung, unter welcher beide Bestandtheile immer vereint eintreten, war das Verlassen der an den Satz vom Grund gebundenen Erkenntnißweise, welche hingegen zum Dienste des Willens, wie auch zur Wissenschaft, die allein taugliche ist. – Auch das Wohlgefallen, das durch die Betrachtung des Schönen erregt wird, werden wir aus jenen beiden Bestandtheilen hervorgehn sehn, und zwar bald mehr aus dem einen, bald mehr aus dem andern, je nachdem der Gegenstand der ästhetischen Kontemplation ist.

      Alles Wollen entspringt aus Bedürfniß, also aus Mangel, also aus Leiden. Diesem macht die Erfüllung ein Ende; jedoch gegen einen Wunsch, der erfüllt wird, bleiben wenigstens zehn versagt: ferner, das Begehren dauert lange, die Forderungen gehn ins Unendliche; die Erfüllung ist kurz und kärglich bemessen. Sogar aber ist die endliche Befriedigung selbst nur scheinbar: der erfüllte Wunsch macht gleich einem neuen Platz: jener ist ein erkannter, dieser ein noch unerkannter Irrthum. Dauernde, nicht mehr weichende Befriedigung kann kein erlangtes Objekt des Wollens geben: sondern es gleicht immer nur dem Almosen, das dem Bettler zugeworfen, sein Leben heute fristet, um seine Quaal auf Morgen zu verlängern. – Darum nun, solange unser Bewußtseyn von unserm Willen erfüllt ist, solange wir dem Drange der Wünsche, mit seinem steten Hoffen und Fürchten, hingegeben sind, solange wir Subjekt des Wollens sind, wird uns nimmermehr dauerndes Glück, noch Ruhe. Ob wir jagen, oder fliehn, Unheil fürchten, oder nach Genuß streben, ist im Wesentlichen einerlei: die Sorge für den stets fordernden Willen, gleichviel in welcher Gestalt, erfüllt


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