Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон

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Gesammelte Werke von Cicero - Марк Туллий Цицерон


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glücklicher werden könne. Dennoch solle aber den Weisen, obgleich sie die Glücklichsten sind, noch Manches fehlen, und deshalb suchten sie sich gegen Schmerzen, Krankheiten und Hinfälligkeit zu schützen.

      Kap. IX. (§ 21.) O! welche grosse Geisteskraft und welcher gerechte Grund zur Aufstellung einer neuen Lehre! Aber weiter! Es folgt nun, was Du so geschickt zusammengefasst hast, dass alle Unwissenheit, Ungerechtigkeit und ähnliche Laster einander gleichstünden, und dass Die, welche durch ihre Natur und durch Lehre schon der Tugend sich sehr genähert hätten, dennoch vor deren völliger Gewinnung höchst elend seien und dass zwischen deren Leben und dem der gottlosesten Menschen kein Unterschied bestehe; so dass Plato, jener grosse Mann, wenn er nicht weise gewesen wäre, weder besser noch glücklicher als der schlechteste Mensch gelebt haben würde. Dies ist also des Zeno Berichtigung und Verbesserung der alten Philosophie. Aber sie kann weder in der Stadt, noch bei den Gerichten, noch in der Rathsversammlung zugelassen werden; denn wie könnte man ein Gerede ertragen, wo der Sprecher sich öffentlich für den Lehrer eines ernsten und weisen Lebens erklärt, aber dabei nur die Worte ändert, während er denkt und empfindet wie alle Andern, und wo er den Dingen dieselbe Natur zuspricht und nur ihnen andere Namen giebt, an den Ansichten selbst nichts ändert, aber die Worte verändert. (§ 22.) Soll hiernach der Vertheidiger eines Angeklagten in seiner Schlussrede behaupten, die Verbannung und die Einziehung aller Güter sei kein Uebel, und man könne dergleichen wohl ablehnen, aber dürfe dergleichen nicht fliehen? Soll er behaupten, der Richter dürfe nicht mitleidig sein? Und soll man etwa, wenn Hannibal vor die Thore gerückt wäre und seinen Speer gegen die Mauern geworfen hätte; vor dem Volke erklären, die Gefangenschaft, der Verkauf in die Sklaverei, der Tod, der Untergang des Vaterlandes sei kein Uebel? Hätte der Senat, als er dem Scipio Africanus den Triumph zuerkannte, dessen Tugend und Glück als Grund anführen dürfen, wenn die Tugend und die Tapferkeit in Wahrheit nur von dem Weisen ausgesagt werden kann? Was ist dies also für eine Philosophie, die auf dem Markte wie alle Andern spricht, aber in ihren Büchern ihre eigne Sprache redet? Zumal mit diesen neuen Worten doch nur die alten Dinge bezeichnet werden und es trotz der Neuerung doch bei dem Alten bleibt. (§ 23.) Was will es sagen, ob Du den Reichthum, die Macht, die Gesundheit Güter oder blos Vorgezogenes nennest, da Der, welcher sie Güter nennt, sie doch nicht höher stellt, als Der, welcher sie Vorgezogenes nennet? Deshalb hat Panätius, jener unabhängige und ernste Mann, der würdige Freund und Genosse des Scipio und Lälius, in seiner an Q. Tubero gerichteten Schrift über Ertragung des Schmerzes nirgends behauptet, dass der Schmerz kein Uebel sei, obgleich dies, wenn er es hätte beweisen können, die Hauptsache gewesen sein würde; sondern er hat nur die Natur des Schmerzes und seine Beschaffenheit erörtert und gezeigt, wie viel Fremdes darin enthalten sei, und die Mittel, um den Schmerz zu ertragen, dargelegt. Da er ein Stoiker war, so scheint mir durch dessen Ausspruch die Rohheit ihrer Ausdrücke verurtheilt zu sein.

      Kap. X. (§ 24.) Um indess Deinen Anführungen, mein Cato, näher zu treten und schärfer auf die Sache einzugehen, so wollen wir das von Dir eben Gesagte mit dem vergleichen, was ich über das Deinige stelle. Das, was Ihr mit den Alten gemein habt, wollen wir als zugestanden annehmen und, wenn es Dir recht ist, nur die Punkte erörtern, wo Ihr abweicht. – Ich bin ganz damit einverstanden, sagte er, dass diese Punkte schärfer und eindringender verhandelt werden; denn das, was Du bisher gesagt, ist zwar gemeinverständlich; ich möchte aber von Dir auch Scharfsinnigeres hören. – Du von mir? sagte ich; indess will ich es versuchen, und wenn mir nicht viel davon beifallen sollte, so werde ich auch das Gemeinverständliche nicht von mir weisen. (§ 25.) Ich stelle zunächst den Satz auf, dass ein Jeder für sich selbst sorgt und von der Natur vor Allem den Trieb empfangen hat, sich selbst zu erhalten. Bis hier sind wir einverstanden; es folgt nun, dass wir untersuchen, wer wir selbst sind, um uns so, wie wir sein sollen, zu erhalten. Wir sind nun Menschen und bestehen aus Leib und Seele, welche ihre besondere Beschaffenheit haben, und wir müssen, wie der erste natürliche Trieb verlangt, beides lieben und aus ihnen das höchste Gut und Uebel ableiten. Sind diese Hauptsätze richtig, so muss das höchste Gut so bestimmt werden, dass es in der Erlangung der meisten und grössten naturgemässen Dinge besteht. Dieses Ziel haben die Alten festgehalten; ich habe es mit mehr Worten ausgedrückt; Jene haben es kurz das naturgemässe Leben genannt und darin das höchste Gut gesetzt. –

      Kap. XI. Aber nun zeige mir, wie die Stoiker oder vielmehr Du, (denn wer könnte es wohl besser als Du?) obgleich sie von diesen selbigen Grundlagen ausgegangen sind, dahin gelangen, dass das sittliche Leben, d.h. ein tugendhaftes oder naturgemässes Leben, das höchste Gut sein soll, und wie und wo Ihr plötzlich den Leib und Alles, was zwar naturgemäss ist, aber nicht in unsrer Macht steht, ja sogar die Pflichten habt fallen lassen. Ich frage also, wie ist es gekommen, dass so Vieles von der Natur Empfohlenes plötzlich von der Weisheit im Stich gelassen worden ist? (§ 27.) Selbst wenn man nicht nach dem höchsten Gut für den Menschen suchte, sondern für ein Wesen, was nur ein Geist ohne Körper wäre (es mag diese Annahme erlaubt sein, um die Wahrheit um so leichter zu entdecken), so würde selbst für diesen Geist Euer Ziel nicht gelten. Er würde nach Gesundheit und Schmerzlosigkeit verlangen und die Erhaltung seiner und die Bewahrung alles Dessen begehren und ein naturgemässes Leben sich als Höchstes setzen, d.h. ein Leben, wobei man alles Naturgemässe oder das Meiste und Bedeutendste davon besitzt. (§ 28.) Denn man mag sich ein lebendes Wesen denken, wie man will, selbst wenn es ohne Körper angenommen wird, so muss es doch in seiner Seele Aehnliches haben, wie in dem Körper, und deshalb kann das höchste Gut in keiner andern Weise gebildet werden, als es von mir geschehen ist. Chrysipp sagt bei Darlegung des Unterschieds unter den Geschöpfen, dass Manche durch ihren Körper, Andere durch ihren Geist sich hervorthun; Manche wären auch stark in Beiden, und hiernach erörtert er das jeder dieser Gattungen entsprechende höchste Gut. Den Menschen hat er in die Klasse der durch Geist hervorragenden Geschöpfe gestellt und er bestimmt als dessen höchstes Gut nicht etwa ein geistiges Hervorragen, sondern einen Zustand, als wenn er weiter nichts als Geist wäre.

      Kap. XII. Nur unter der einen Bedingung könnte man das höchste Gut in die Tugend allein setzen, wenn nämlich ein Wesen nur ein Geist ohne Körper wäre und zwar so, dass dieser Geist nichts Naturgemässes an sich hätte, also z.B. keine Gesundheit. (§ 29.) Ein solches Wesen kann man sich aber nicht ein mal näher vorstellen, ohne in Widersprüche zu gerathen. – Wenn Chrysipp sagt, dass Manches verdunkelt und nicht bemerkt werde, wenn es sehr klein sei, so trete ich dem bei, namentlich wenn Epikur in Bezug auf die Lust sagt, dass sehr schwache Lustgefühle oft verdeckt und verhüllt werden; aber in diese Klasse gehören nicht die bedeutenderen Annehmlichkeiten des Körpers, die oft lange Zeit anhalten und deren es eine grosse Anzahl giebt. Also kann nur bei solchen Lustgefühlen, die wegen ihrer Schwäche nicht hervortreten, es häufiger vorkommen, dass es uns geständlich gleich ist, ob sie da sind oder nicht; so ist in Deinen Beispielen es gleichgültig, ob noch eine Laterne zu dem Sonnenschein hinzukommt, oder ein Pfennig zu den Schätzen des Crösus. (§ 30.) Wo aber eine solche Abschwächung nicht eintritt, da kann doch das betreffende Gefühl schwach sein, ohne dass es uns gleichgültig wird. So ist es für Den, der zehn Jahre angenehm gelobt hat, erheblich, ob dieses Leben noch einen Monat länger dauert; es ist dieser Zusatz des Angenehmen von Gewicht, also ein Gut; aber deshalb wird, wenn dieser Zusatz nicht eintritt, das glückliche Leben nicht sofort vernichtet. Damit haben nun die Güter des Körpers grosse Aehnlichkeit; bei ihnen kann eine Vermehrung stattfinden, um welche man sich müht. Deshalb möchte ich es beinah für einen Scherz halten, wenn die Stoiker sagen, dass, im Fall zu dem tugendhaft geführten Leben noch ein Salbenfläschchen oder eine Badestriegel hinzukomme, der Weise ein Leben mit diesem Zusatz wohl lieber nehmen werde, allein glücklicher werde er dadurch nicht. (§ 31.) Passt denn dieses Gleichniss? Verdient es nicht mehr Gelächter als Widerlegung? Mag ein Salbenfläschchen sein oder nicht, so wird man mit Recht ausgelacht, wenn man darum sich müht! Aber wenn Jemand die Schwere der Glieder oder die Pein von Schmerzen damit vertreibt, so verdient er grossen Dank, und wenn ein Weiser von dem Tyrannen gezwungen wird, zur Folter oder an die Pferdemaschine zu gehen, so hat er nicht die Miene, als wenn er ein Salbenfläschchen verloren hätte, sondern die eines Mannes, der einem grossen und schweren Kampf entgegen geht, den er mit seinem Hauptgegner, dem Schmerz, auszufechten hat. Er hält sich dann alle Gründe für ein tapferes und geduldiges Ausharren vor, mit deren Hülfe er diesen schweren und, wie gesagt, grossen Kampf, beginnen soll. Auch handelt es sich nicht darum, ob etwas seiner Kleinheit wegen zurücktritt


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