Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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sich im Jah­re 812: 1 Pferd, 26 Och­sen, 20 Kühe, 1 Stier, 51 Stück Klein­vieh, 5 Käl­ber, 87 Ham­mel, 14 Läm­mer, 17 Bö­cke, 58 Zie­gen, 12 Böck­chen, 40 Schwei­ne, 50 Frisch­lin­ge, 63 Gän­se, 50 jun­ge Hüh­ner, 17 Bie­nen­stö­cke, 20 Speck­schwar­ten, 40 Käse, 127 Fett- und Schmalz­töp­fe. Dazu ka­men noch Ho­nig, But­ter, Salz und Malz. In den Mäg­de­kam­mern span­nen und web­ten 24 Mäg­de und ver­fer­tig­ten aus Wol­le und Lei­nen Wä­sche und Klei­dungs­stücke. Das Land wur­de teils ver­pach­tet, teils vom Klos­ter selbst durch Hö­ri­ge be­wirt­schaf­tet, die teils mit dem Land zu­sam­men ge­schenkt wa­ren, teils sich mit oder ohne Land dem Klos­ter frei­wil­lig er­ga­ben. Trotz des da­ma­li­gen Über­flus­ses an Land und Leu­ten be­darf der Wett­ei­fer des Schen­kens, der im 9. und 10. Jahr­hun­dert das deut­sche Volk er­griff, der Er­klä­rung, und er er­klärt sich haupt­säch­lich durch die Ge­walt des Glau­bens. Moch­te im­mer­hin noch man­cher säch­si­sche Bau­er in ein­sa­men Hö­fen sich an sei­nen al­ten Ru­nen und Sprü­chen ge­nü­gen las­sen, der Adel und die be­gü­ter­ten Frei­en wa­ren gläu­bi­ge Chris­ten, über­zeugt, das Heil ih­rer See­le nur durch die Ver­mitt­lung des Paps­tes in Rom emp­fan­gen zu kön­nen.

      Wa­ren auch vie­le Wäl­der ge­lich­tet und vie­le Moo­re ent­wäs­sert, noch im­mer gab es ta­ge­rei­sen­weit Wild­nis in deut­schen Lan­den. Ta­ge­lang ging der jun­ge Bayer Sturm, als er einen Platz für das Klos­ter such­te, das Bo­ni­fa­ti­us grün­den woll­te, durch Wäl­der und flocht bei Nacht einen Zaun um sei­nen Esel, um ihn not­dürf­tig vor wil­den Tie­ren zu schüt­zen, und wenn es in den Zwei­gen ra­schel­te und knack­te, horch­te er ge­spannt, ob ein Mensch oder ein Wolf oder Luchs sich her­an­sch­li­che. An den Mün­dun­gen des Rheins, der We­ser und Elbe über­schwemm­te das Ge­wäs­ser oft weit­hin das Land, Sturm­flu­ten bran­de­ten über die noch nicht ein­ge­deich­ten An­sie­de­lun­gen und ris­sen sie in die Tie­fe. Im Herbst, im Win­ter und im Früh­ling, wenn die Wol­ken tief her­ab­hin­gen, der kal­te Wind heul­te und Schnee und Re­gen die Wege zu Mo­rast auf­weich­ten, moch­te dem Wan­de­rer, der zu Fuß oder zu Pfer­de ein ent­fern­tes Ziel zu er­rei­chen such­te, oft die Hand er­star­ren und das Herz er­be­ben. Nicht nur wil­de Tie­re, auch die wil­den Men­schen muss­te er fürch­ten, We­ge­la­ge­rer, Krie­ger, die zum Kamp­fe aus­zo­gen oder vom Kamp­fe zu­rück­kehr­ten und ih­ren Über­mut an je­dem Be­lie­bi­gen aus­tob­ten, Fein­de viel­leicht, die die Ge­le­gen­heit wahr­nah­men, einen al­ten Span aus­zu­tra­gen. Weit und breit kein Haus; die Dör­fer, durch die man etwa kam, be­stan­den aus dürf­ti­gen, stroh­ge­deck­ten Hüt­ten aus Lehm und Holz. Zu­wei­len kam man wohl an fes­ten, brei­ten Häu­sern frei­er Bau­ern oder an Guts­hö­fen vor­über, die Eschen und Ei­chen be­schirm­ten, an de­nen ein Quell vor­über­rie­sel­te, und die wohl­be­stell­te Äcker um­ga­ben. Städ­te gab es noch we­ni­ge au­ßer den al­ten Rö­mer­städ­ten am Rhein, Straß­burg, Ba­sel, Mainz, Köln, au­ßer Augs­burg am Lech und Re­gens­burg an der Do­nau, und auch dort öff­ne­ten sich dem Wan­de­rer zu Schutz und Her­ber­ge nur die Klös­ter, die es dort etwa gab.

      In­mit­ten des wol­ken­ver­han­ge­nen, wäl­der­rau­schen­den, waf­fenk­lir­ren­den Lan­des gab es Be­zir­ke, die der Frie­de Got­tes er­füll­te. Moch­te drau­ßen Krieg ra­sen, un­ter der täg­li­chen Fron der Land­ar­bei­ter seuf­zen, Ge­walt und Un­recht tri­um­phie­ren, im Klos­ter glüh­te die Flam­me ewi­ger An­be­tung, beug­ten sich im­mer Knie vor dem Herrn, rie­fen im­mer in­brüns­ti­ge Lip­pen den höchs­ten Na­men an, leg­ten Gott­ge­weih­te das Ge­schick ih­rer welt­li­chen Brü­der an das Va­ter­herz im Ge­bet. Nach sie­ben­stün­di­gem Schlaf, eh noch der Tag zu däm­mern be­gann, er­ho­ben sich die Mön­che vom La­ger und be­tra­ten die Kir­che, um das Lob des All­mäch­ti­gen zu be­gin­nen. In fes­ten Rhyth­men be­glei­te­te die Mu­sik den Psalm der Stun­de des Ta­ges, alle Ge­füh­le des Her­zens er­gie­ßend: die Kla­ge über das Ver­geb­li­che der Lust der Welt, den düs­te­ren Schmerz der Un­zu­läng­lich­keit und Schuld, das Rüh­men und Dan­ken, den Ju­bel des Glau­bens, die Angst des Zwei­fels, das un­still­ba­re Heim­weh. Über die Wän­de der Kir­che brei­te­te sich in fei­er­li­chen Bil­dern die Ge­schich­te vom Bun­de Got­tes mit der Mensch­heit aus. Man sah lieb­lich und herr­lich zu­gleich die jung­fräu­li­che Mut­ter mit dem Kin­de, das, so klein es war, doch das Gött­li­che in sich fass­te, man sah den Herrn am Kreu­ze und sah ihn in sei­ner Ma­je­stät un­er­bitt­lich am Jüngs­ten Tage die Bö­sen von den Gu­ten son­dern. Wer den ge­weih­ten Raum be­trat, spür­te die Ge­gen­wart über­ir­di­scher Mäch­te. Die Kna­ben vor­neh­mer Ab­kunft, die hier von den El­tern Gott dar­ge­bracht wur­den, wuss­ten, dass sie be­stimmt wa­ren, Krie­ger des höchs­ten Kriegs­herrn zu wer­den, wenn sie auch kei­ne Rüs­tung tru­gen. Stolz, sprö­de, keck beug­ten sie sich doch der Zucht ih­rer Leh­rer und des Ab­tes, die nach der Re­gel streng und mil­de, brü­der­lich und kö­nig­lich sie re­gier­ten. Der Sehn­sucht des ger­ma­ni­schen Jüng­lings, ei­nem Füh­rer Ge­folg­schaft zu leis­ten, der im Kamp­fe vor­an­ging, konn­ten sie auch im Klos­ter Ge­nü­ge tun. Je nach ih­rer Be­ga­bung war ih­nen das Klos­ter Uni­ver­si­tät, Kunst­schu­le, Hand­wer­ker­schu­le, land­wirt­schaft­li­che Schu­le. Denn es war eine Welt im klei­nen, al­les, was ge­braucht wur­de, wur­de im Klos­ter an­ge­fer­tigt, das über den Ge­brauch hin­aus Er­zeug­te ging zum Ver­kauf hin­aus.

      Im Klos­ter­gar­ten wur­den Ro­sen, Ver­be­nen, Nel­ken und an­de­re Blu­men des schö­nen An­blicks und des Duf­tes we­gen ge­zo­gen, da­ne­ben Ge­mü­se, Kü­chen­kräu­ter und Pflan­zen, de­nen Heil­kraft zu­ge­schrie­ben wur­de: Lat­tich, Lauch, Erb­sen, Pe­ter­si­lie, Min­ze, La­ven­del und Thy­mi­an. Die rei­chen Klös­ter hat­ten aus­wär­ti­ge Be­sit­zun­gen, oft von weit­her wur­den dem Mut­ter­klos­ter Er­trä­ge zu­ge­führt. Das Klos­ter Rei­chenau be­zog aus ei­ge­nen Gü­tern in Ita­li­en Wein und Öl. Hohe Gäs­te pfleg­ten Schen­kun­gen an Wild oder Fisch oder Wein zu ma­chen, und der für die Gabe fest­ge­setz­te Tag wur­de zum Fest­tag. Ek­ke­hard IV. hat den Be­such ge­schil­dert, den der lie­bens­wür­di­ge Kö­nig Kon­rad I. im Jah­re 911 in Sankt Gal­len mach­te. Wäh­rend er in Kon­stanz die Weih­nacht fei­er­te, er­zähl­te ihm der Bi­schof Sa­lo­mon, der in Sankt Gal­len er­zo­gen war, von der Pro­zes­si­on, die an ei­nem der fol­gen­den Tage dort statt­fin­de, wor­auf der Kö­nig aus­rief: »Wä­ren wir dort! Und warum, mein Herz, ge­hen wir nicht mor­gen früh hin?« Fröh­lich fuh­ren sie zu Schiff den Rhein hin­auf und wur­den in Sankt Gal­len mit Hym­nen emp­fan­gen. Von den drei Freu­den­ta­gen, die der Kö­nig dort zu­brach­te, blieb der Tag der Un­schul­di­gen Kind­lein, der ein Tag be­son­de­rer Frei­heit für die Klos­ter­schü­ler war, al­len die liebs­te Erin­ne­rung. Der Kö­nig, of­fen­bar ein Kin­der­freund, ließ den klei­nen Bur­schen Obst hin­schüt­ten und staun­te, als nicht ei­ner sich rühr­te, um da­nach zu grei­fen, dann wie­der nahm er sie auf den Schoß und leg­te ih­nen Gold­mün­zen in den Mund und lob­te la­chend den einen, der das Gold voll Ab­scheu aus­spie. Er speis­te mit den Mön­chen, be­rei­cher­te das be­schei­de­ne Mahl durch au­ßer­ge­wöhn­li­che Zuta­ten, ver­brei­te­te fröh­lich plau­dernd ge­müt­li­che Stim­mung und sag­te spä­ter zum Bi­schof von Kon­stanz, das we­nigs­tens war die Über­lie­fe­rung des Klos­ters, er sei noch nie bei ei­nem Gast­mahl so hei­ter ge­we­sen. Auch in die Ge­bets­ver­brü­de­rung ließ er sich auf­neh­men, eine Ein­rich­tung, zu­fol­ge wel­cher Lai­en nach er­folg­ter Zu­stim­mung der Mön­che eine ge­wis­se


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