Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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ei­gen­ar­ti­ges Le­ben in Kir­chen und Klös­tern ent­fal­tet hat­te, dies in eine ein­heit­li­che Ord­nung ein­zu­bin­den. Ge­wald, Erz­bi­schof von Mainz, hat­te Karl­mann, den Bru­der Pi­pins, der mit die­sem ge­mein­schaft­lich re­gier­te, in den Sach­sen­krieg be­glei­tet und war ge­fal­len. Des­sen Sohn Ge­wi­lieb, beim Tode des Va­ters Laie, emp­fing rasch die Wei­hen, um sein Nach­fol­ger wer­den zu kön­nen; sein Le­ben än­der­te er des­we­gen nicht. Der neu aus­bre­chen­de Krieg gab ihm Ge­le­gen­heit, sei­nen Va­ter zu rä­chen: er for­der­te den Sach­sen, der Ge­wald ge­tö­tet hat­te, zu ei­ner Un­ter­re­dung auf, und als der Ge­ru­fe­ne er­schi­en, brach­te er ihn um. Win­fried fand, dass Krieg und Mord kein Ge­schäft für christ­li­che Bi­schö­fe sei; aber die frän­ki­schen Bi­schö­fe wa­ren ge­wohnt, ihre Wür­de als ein kö­nig­li­ches Amt zu be­trach­ten, des­sen kirch­li­che Sei­te nur die zu­fäl­lig From­men pfleg­ten. Schließ­lich setz­te Win­frieds Ei­fer durch, dass Ge­wi­lieb auf ei­ner Synode ab­ge­setzt wur­de; be­straft wur­de er nicht, son­dern setz­te sein welt­lich präch­ti­ges Le­ben auf sei­nen Gü­tern fort. Auch die Geg­ner der Leh­re und der Or­ga­ni­sa­ti­on warf Bo­ni­fa­ti­us nach lan­gen Kämp­fen mit Här­te nie­der, nur mä­ßig un­ter­stützt vom Papst und von den frän­ki­schen Herr­schern.

      Karl Mar­tells Groß­tat, die Zu­rück­wer­fung der Sa­ra­ze­nen nach Spa­ni­en, mach­te ihn zum Hel­den des ger­ma­nisch-ro­ma­ni­schen Abend­lan­des, die Kir­che be­trach­te­te ihn, der ge­walt­tä­tig mit dem Kir­chen­gut ge­schal­tet hat­te, um sei­ne Ge­folgs­leu­te be­loh­nen zu kön­nen, mit scheu­er Ab­nei­gung. Win­fried ließ sich einen Schutz­brief von ihm aus­stel­len, da er ein­sah, dass sich ein sol­cher in strah­len­den Ta­ten aus­ge­präg­ter Ruhm nicht über­se­hen ließ und dass es klü­ger sei, ihn zur Be­fes­ti­gung der ei­ge­nen Stel­lung zu be­nüt­zen; aber die bei­den Gro­ßen wa­ren zu an­ders ge­ar­tet und hat­ten zu ver­schie­de­ne Wege vor­ge­schaut, als dass sie sich freund­schaft­lich hät­ten be­rüh­ren kön­nen. Wenn Win­fried den Hof mied, tat er es si­cher nicht, um den Ver­füh­run­gen aus­zu­wei­chen, die für ihn kei­ne wa­ren, son­dern um als ein Herr nicht dem Herr­scher be­geg­nen zu müs­sen, der sich als den Hö­he­ren be­trach­tet hät­te, und der si­cher der Mäch­ti­ge­re war. Als lan­ge nach Win­frieds Tode sei­ne Freun­din Lio­ba ei­ner drin­gen­den Ein­la­dung der Kai­se­rin Hil­de­gard folg­te, bat die Äb­tis­sin ihre freund­li­che Gast­ge­be­rin, in­dem sie sie un­ter Trä­nen um­arm­te, sie so­fort wie­der zu ent­las­sen; so sehr wirk­te Win­frieds Ver­hält­nis zu den frän­ki­schen Herr­schern im Her­zen der ihm Er­ge­be­nen nach. Aus­schal­ten ließ sich die Mit­wir­kung der Herr­scher bei den kirch­li­chen Din­gen nicht, sie be­rie­fen die ers­ten großen Synoden, die auf An­re­gung des Bo­ni­fa­ti­us statt­fan­den. Als auf ei­ner Synode des Jah­res 747 die an­we­sen­den Bi­schö­fe und Geist­li­chen die Me­tro­po­li­tan­ver­fas­sung an­nah­men, eine Ur­kun­de über den or­tho­do­xen Glau­ben aus­stell­ten und sie dem Papst über­sand­ten, konn­te er sein Ziel als er­reicht be­trach­ten. Die Ein­heit der Kir­che im Auf­bau und im Glau­ben un­ter dem Papst war her­ge­stellt.

      Trotz­dem war der stol­ze Mann nicht be­frie­digt. Tie­fe Trau­rig­keit las­te­te oft auf ihm wie ein kör­per­li­cher Schat­ten. Er fühl­te sich im Be­zirk sei­ner Wirk­sam­keit in der Frem­de, an­ge­fein­det, nicht rich­tig ge­wer­tet. Sein Wunsch, das Erz­bis­tum Köln zu er­lan­gen, wo er den Frie­sen nahe ge­we­sen wäre, wur­de ihm nicht er­füllt, weil die dor­ti­ge hohe Geist­lich­keit ihn ab­lehn­te, an­statt des­sen be­kam er Mainz, das er nicht ge­wollt hat­te. Mehr hing sein Herz an dem Klos­ter Ful­da, das er selbst ge­grün­det und dem Papst un­mit­tel­bar un­ter­stellt hat­te, wo­mit jede Mög­lich­keit kö­nig­li­cher Ein­grif­fe aus­ge­schal­tet war. In die­ser An­stalt soll­te die stren­ge Re­gel des hei­li­gen Be­ne­dikt herr­schen, nach wel­cher das Klos­ter einen selbst­stän­di­gen Wirt­schafts­be­zirk zu bil­den hat­te, wo alle er­for­der­li­che Ar­beit von den Klos­ter­brü­dern selbst, ohne Hil­fe die­nen­der Lai­en ge­leis­tet wür­de. Der Ort, wo spä­ter das Klos­ter Hers­feld ent­stand, den Win­frieds Schü­ler Sturm zu­erst aus­ge­wählt hat­te, er­schi­en un­ge­eig­net, weil zu nah am heid­nischen Ge­biet ge­le­gen; so wan­der­te der Ab­ge­sand­te wei­ter durch som­mer­li­che Bu­chen­wäl­der, bis ihn ei­nes Ta­ges ein Tal von be­son­de­rer Lieb­lich­keit fes­sel­te. Da war der Bo­den wie eine Wie­ge ge­stal­tet, die den Men­schen he­gend um­fas­sen will, und Hü­gel und sanf­te Berg­kup­pen zo­gen einen schüt­zen­den Ring dar­um; da führ­te ein ge­sel­li­ger Fluss das kla­re Was­ser her­bei, das fast wie die Luft zur Er­hal­tung des Le­bens not­wen­dig ist, da gab es au­ßer dem Holz der Wäl­der Ba­salt und Sand­stein als Ma­te­ri­al zum Bau des Got­tes­hau­ses. Nach­dem Karl­mann, da­mals noch Re­gent in Ober­hes­sen, das ge­wünsch­te Ge­biet ge­schenkt hat­te, wur­de die Er­rich­tung des Klos­ters in An­griff ge­nom­men. Von ei­nem Hü­gel her­ab sah Win­fried, al­ternd und zu­wei­len der un­be­que­men Rei­sen, der bit­te­ren Kämp­fe und der ei­ge­nen Lei­den­schaf­ten müde ge­wor­den, den em­si­gen Män­nern zu und dem Er­wach­sen des klei­nen Rei­ches, wo er für eine Zeit lang we­nigs­tens Zuf­lucht und Hei­mat und bald viel­leicht die ewi­ge Ruhe fin­den wür­de. Von der al­ten Kir­che und dem al­ten Klos­ter, die sei­ne Au­gen sa­hen, ist nichts üb­rig­ge­blie­ben, das fest­li­che Ba­rock des heu­ti­gen Doms ist un­end­lich fern von dem erns­ten, glü­hen­den, welt­über­win­den­den Geist der Stif­ter des ers­ten. Ein­zig die ka­ro­lin­gi­sche Rotun­de der Mi­chae­lis­kir­che, ein­sa­mer Fremd­ling, der in un­ver­ständ­li­cher Zun­ge re­det, hat eine Spur da­von er­hal­ten.

      Als Win­fried etwa sieb­zig Jah­re alt war, kör­per­lich sehr hin­fäl­lig, mit schnee­weißem Haa­re, so schil­dert ihn ei­ner, der ihn da­mals sah, er­griff ihn wie­der der Wunsch sei­ner Ju­gend, den Frie­sen das Wort Got­tes zu pre­di­gen. Er hat­te da­mals den Plan zu­guns­ten ei­nes an­de­ren auf­ge­ge­ben, aber es scheint, dass er ihn nie aus den Au­gen ver­lo­ren hat­te. Vi­el­leicht be­trach­te­te er die Frie­sen als einen be­son­ders nah­ver­wand­ten Stamm und ihr Land als sei­nem Vol­ke be­son­ders zu­ge­hö­rig; denn von dort sol­len die An­gel­sach­sen aus­ge­zo­gen sein, um Bri­tan­ni­en zu er­obern, wor­auf die Frie­sen in das ver­las­se­ne Ge­biet ein­dran­gen. Da­mals hat­te er eben das Man­nes­al­ter er­reicht, und sein Werk lag vor ihm, er woll­te das Le­ben er­hal­ten, das sei­nem Wer­ke ge­weiht war; jetzt war es an­ders. Sein Werk war ge­tan und soll­te ge­krönt wer­den durch den Mär­ty­rer­tod. Die, wel­che die Nach­fol­ge des Herrn ge­lobt hat­ten, sehn­ten sich da­nach, zu ster­ben wie er, gleich­sam mit ihm, wie Ge­folgs­leu­te mit ih­rem Her­zog. Trotz­dem zog er nicht aus wie ein ein­fa­cher Glau­bens­bo­te, der mit kei­nem an­de­ren Schild als sei­nem Glau­ben sich in den Ra­chen der Höl­le wagt; son­dern er reis­te als der Kir­chen­fürst, der Le­gat des Paps­tes, um­ge­ben von ei­nem zahl­rei­chen be­waff­ne­ten Ge­fol­ge, mit al­ler­lei Rei­se­ge­päck, auch Bü­chern, als der höchs­te Geist­li­che Ger­ma­ni­ens, der sich ei­ner ent­fern­ten, noch un­si­che­ren Ge­mein­de zei­gen will. Zu­gleich aber, ent­spre­chend der zwie­fa­chen Rich­tung sei­nes Geis­tes, schick­te er sich an wie zum ge­wis­sen Tode, als wis­se er, dass der Tod seit dem An­fang sei­nes Le­bens dort an der frie­si­schen Küs­te stän­de und ihn er­war­te­te. Be­vor er ab­reis­te, nahm er in Mainz Ab­schied von sei­nen Ge­treu­en und ließ auch Lio­ba kom­men, um sie noch ein­mal zu se­hen und sei­nen Freun­den zu emp­feh­len. Er traf die Be­stim­mung, dass er


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