Sigurd 3: Im Auftrag des Königs. Thomas Knip

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Sigurd 3: Im Auftrag des Königs - Thomas Knip


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Gesicht verzog sich vor Schmerz und Resignation. Sigurd legte ihn behutsam ins Gras.

      »Lasst mich hier sterben«, bat Benno mit kaum vernehmbarer Stimme. »Rettet … die beiden Frauen …«

      Dann fiel sein Kopf zur Seite.

      Sigurd atmete tief durch und erhob sich. »Er ist tot.«

      Er presste seine Lippen aufeinander und warf dann Bodo und Cassim einen Blick zu. »Dagmar und Bettina sind in größter Gefahr! Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«

      Er sah sich um und wies auf ein Mauerwerk, das undeutlich hinter den Bäumen zu erkennen war. »Seht nur! Dort beginnt die Stadt dieser Dämonen. Seid vorsichtig, damit wir nicht entdeckt werden.«

      Bodo und Cassim nickten nur stumm.

      *

      Unterdessen war für das große Opferfest alles vorbereitet worden.

      Alle Bewohner der Insel hatten sich in der Arena versammelt, die aus einer lange vergangenen Zeit zu stammen schien. Die grob behauenen Steine waren verziert mit fremdartig anmutenden Reliefs und fratzenhaften Gesichtern.

      Gespannt blickten die Anwesenden auf die fünf Gefangenen, die an lange Pfähle inmitten der Arena gefesselt waren. Sie schienen sich in ihr Schicksal ergeben zu haben, denn keiner von ihnen rüttelte an seinen Fesseln oder begehrte auf.

      In einer Loge thronte Vathu zusammen mit den Hohepriestern und Ältesten der Stadt. Er erhob sich, und unwillkürlich richteten sich alle Augen auf ihn.

      »Die Stunde eures Todes ist gekommen, ihr Fremden!«, hallte seine Stimme durch die Arena. »Der Dämon wird seine Opfer nicht verschmähen!«

      Die Zuschauer jubelten auf. Vathu wies auf eine Gruppe von Männern, die an einem gewaltigen Tor am anderen Ende ihre Posten bezogen hatte.

      »Beginnt euer Werk, Männer! – Öffnet das Tor.«

      Ohne zu zögern, stellten sich die Angesprochenen an eine große Winde und setzten sie in Bewegung. Ein Knirschen und Krachen ging durch das ungeheure Tor, das sich Zoll um Zoll öffnete.

      Ein heiseres Grollen drang dahinter hervor, das mit jedem Moment lauter wurde …

      *

      Sigurd hörte das Echo der Stimme, das durch die Arena klang, ohne die Worte zu verstehen. Doch der anschließende Jubel ließ ihn ahnen, dass hier ein öffentliches Gericht abgehalten wurde – und er befürchtete das Schlimmste.

      Über seine Schulter sah er zu Bodo hinüber. Dieser erwiderte den Blick mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Sie beschleunigten ihren Schritt und achteten dennoch darauf, so lautlos wie möglich voranzukommen.

      Sigurd war froh, dass er Cassim aufgefordert hatte, sich im Wald zu verstecken. Er wusste nicht, welche Gefahren sie hier im Inneren dieser verlassen anmutenden Stadt erwarteten, und er war nicht bereit, das Leben des Jungen aufs Spiel zu setzen. Cassim hatte zwar gemurrt und aufbegehrt, sich aber dann doch in Sigurds Wunsch gefügt.

      Sie drangen durch ein offenes Tor in die Stadt ein. Nach wenigen Schritten schon wich das Licht des Tages der Dämmerung, in der die Durchgänge lagen. So hätte Sigurd auch beinahe den einzelnen Mann übersehen, der im Schatten einer Säule stand.

      »Vorsicht, Bodo«, raunte er seinem Freund zu. »Eine Wache.«

      Er zog seinen Dolch und schlich langsam vorwärts. Erst als er den Mann, der in eine echsenhaft anmutende Rüstung gekleidet war, fast erreichte hatte, machte er eine schnelle Bewegung nach vorne. Er packte den rechten Arm, mit dem die Wache eine Lanze mit mächtiger Klinge hielt, und legte seinen linken Arm so um die Schulter des Mannes, dass sein Dolch an dessen Kehle ruhte.

      »Keinen Laut, wenn dir dein Leben lieb ist!«, machte Sigurd ihm unmissverständlich klar, und der Wachposten nickte zögerlich.

      Er drehte den Mann herum und packte ihn mit einer Hand an der Kehle, während er den Dolch drohend auf die Brust seines Gegners richtete. »Sage mir sofort, wo ihr die beiden Frauen gefangen haltet oder …«

      Er musste seine Drohung nicht zu Ende sprechen.

      »Gnade!«, stieß die Wache hastig aus und wies mit dem freien Arm in eine Richtung. »Sie sind in der Arena! – Aber ihr kommt zu spät. Der Dämon ist frei …« Bei diesen Worten lachte der Mann unterdrückt auf.

      Sigurd versetzte ihm einen Schlag, der ihn zu Boden schickte. Bodo nahm zudem die Lanze der Wache an sich und reichte seinem Freund ein Seil. Nachdem sie die Wache gefesselt und geknebelt hatten, eilten sie mit gezogenen Schwertern in die angegebene Richtung. In dem Gewirr an Gängen hätten sie beinahe die Orientierung verloren, hätte ihnen nicht der lauter werdende Jubel von Menschen den Weg gewiesen. Vor ihnen wurde das Licht in den Gängen wieder heller. Übergangslos blickten sie auf eine gewaltige Arena.

      Sigurd wurde der Gefangenen gewahr, die an die Pfähle gebunden waren.

      »Schrecklich!«, murmelte er. »Wir müssen versuchen, sie zu befreien.« Er drehte sich zu seinem Freund um und sah dessen entschlossenen Ausdruck in den Augen. »Komm. Jetzt gibt es kein Zurück mehr!«

      Sie stürmten in die Arena, an einer Gruppe von Männern vorbei, die an einer Winde standen und sie verwundert ansahen. Sigurd erkannte, dass sie unbewaffnet waren und eilte weiter.

      »Schnell, Bodo! Wir müssen die Überraschung der Inselbewohner ausnutzen!« Doch dabei übersah er, dass sich das riesenhafte Tor, das die Männer an der Winde bedienten, nun ganz geöffnet hatte.

      Bodo sah das Ungetüm, das sich aus dem Schatten dahinter löste, als Erster.

      »Teufel, was ist das?!«, stieß er aus.

      Sigurd wusste zuerst nicht, was sein Freund meinte, als ein ohrenbetäubendes Brüllen aus dem Tor drang. Er drehte sich um und hatte das Gefühl, das Blut gefriere bei dem Anblick der Bestie in seinen Adern.

      »Alle guten Geister! Welch ein Scheusal!«, rief er und rannte, so schnell er konnte, vor dem Ungetüm davon, das sich im Torbogen abzeichnete.

      In diesem Augenblick stürzte das grauenvolle Untier auf den Schauplatz. Es mochte gut fünf Mannslängen hoch sein und wischte mit einem langen Schwanz um sich. Die echsenhafte Kreatur richtete sich auf ihre Hinterbeine auf und stieß einen urwelthaften Schrei aus. Ihre funkelnden, bernsteinfarbenen Augen fuhren suchend umher, und dann richtete sich der drachenartige Kopf, der von einem gewaltigen Horn auf der Stirn gekrönt wurde, auf die Gefangenen an den Pfählen.

      Sigurd mochte kaum glauben, dass es sich bei dieser Bestie um die Gottheit der Inselbewohner handelte. Doch die Begeisterung von den Rängen machte ihm deutlich, dass die Menschen keine Angst vor ihr hatten.

      Er konnte den Odem des Ungetüms förmlich in seinem Rücken spüren, als er die Pfähle fast schon erreicht hatte. Unter den Jubel der Zuschauer mischten sich nun auch zornige Rufe, und zahlreiche Finger deuteten auf Bodo und ihn.

      »Gib mir die Lanze, Bodo!«, forderte Sigurd seinen Freund auf. »Ich lenke das Untier von dir ab, während du die Gefangenen befreist.«

      Dieser sah sich um und blickte mit einem entsetzten Gesichtsausdruck auf das Monster, das immer näher kam. Im Laufen reichte er die Lanze an Sigurd weiter und hastete auf den ersten Pfahl zu.

      »Schaut, die Fremden dort!«, schallte auf einmal eine Stimme zu ihnen herab. Sigurd sah empor und erblickte einen Mann, der ebenso in eine echsenhafte Rüstung gewandet war wie die Wache. »Sie kommen zur rechten Zeit! Der Dämon erhält zwei Opfer mehr!«

      Sigurd lächelte grimmig. Er hatte nicht vor, im Bauch dieser Bestie zu enden.

      Er wedelte mit den Armen und schrie aus Leibeskräften, und wie erhofft richtete das Untier seine Aufmerksamkeit auf ihn. Mit schnellen Schritten brachte er so viel Abstand, wie er konnte, zwischen sich und die Pfähle, damit Bodo genug Zeit blieb, die Gefangenen loszuschneiden. Grollend stapfte das Ungetüm auf ihn zu und öffnete hungrig sein breites Maul. Unterarmlange Reißzähne funkelten drohend, und eine Zunge leckte über die schuppigen Lippen.


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