Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi. Mari Jungstedt

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Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi - Mari  Jungstedt


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mit Spencer. Ich schlafe immer tief, ich habe nicht gehört, wann sie gegangen ist.«

      »Was haben Sie nach dem Aufstehen gemacht?«

      »Ich habe im Kamin Feuer angezündet und den Frühstückstisch gedeckt. Danach hab ich Kaffee getrunken und die Abendzeitung von gestern gelesen.«

      »Haben Sie sich nicht gefragt, wo sie stecken könnte?«

      »Als die Elf-Uhr-Nachrichten anfingen, fand ich es schon komisch, dass sie noch nicht wieder zu Hause war. Ich ging auf die Treppe vor dem Haus. Von dort kann man normalerweise bis zum Wasser sehen, aber heute war der Nebel so dicht, dass ich nur einige Meter weit Sicht hatte. Deshalb zog ich mich an und machte mich auf die Suche. Ich ging zum Strand und rief nach ihr, konnte aber weder sie noch Spencer entdecken.«

      »Wie lange haben Sie gesucht?«

      »Ich war sicher mindestens eine Stunde unterwegs. Danach dachte ich, dass sie inzwischen vielleicht nach Hause gekommen sein könnte, und bin zurückgelaufen. Das Haus war noch immer leer«, sagte er, und seine Stimme versagte. Wieder schlug er die Hände vors Gesicht.

      Anders Knutas und Karin Jacobsson warteten schweigend.

      »Können Sie weitersprechen?«, fragte Knutas.

      »Ich kann einfach nicht fassen, dass sie tot ist«, flüsterte Bergdal.

      »Was ist passiert, als Sie ins Haus zurückkamen?«

      »Sie war immer noch nicht da. Ich dachte, dass sie vielleicht Bekannte besucht, die in der Nähe wohnen. Ich rief dort an, aber da war sie nicht.«

      »Wie heißen diese Bekannten?«

      »Larsson. Sie heißt Eva und ihr Mann Rikard. Eva ist eine Freundin von Helena. Sie leben auf Gotland, und ihr Haus liegt nicht weit von unserem entfernt.«

      »Wussten diese Larssons auch nicht, wo sie stecken könnte?«

      »Nein.«

      »Mit wem haben Sie gesprochen?«

      »Mit Eva.«

      »War ihr Mann ebenfalls zu Hause?«

      »Nein, sie haben einen Bauernhof, und da war er wohl draußen bei der Arbeit.«

      Per Bergdal steckte sich noch eine Zigarette an, hustete und zog erneut daran.

      »Was haben Sie dann gemacht?«

      »Ich habe mich aufs Bett gelegt und darüber nachgedacht, wo sie wohl sein könnte. Und dann dachte ich, dass sie vielleicht gestürzt ist, sich verletzt hat und nicht wieder auf die Beine kommt, und da habe ich mich erneut auf die Suche gemacht.«

      »Wo?«

      »Wieder unten am Strand. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet. Ich sah ihre Fußspuren im Sand. Ich habe auch im Wald gesucht, erfolglos. Und dann bin ich wieder nach Hause gegangen.«

      Sein Gesicht verzerrte sich. Er weinte lautlos, Tränen liefen über seine Wangen und mischten sich mit Rotz, aber das schien er nicht zu bemerken.

      Karin wusste nicht so recht, wie sie sich verhalten sollte. Sie beschloss, ihn in Ruhe zu lassen.

      Er trank einen Schluck Wasser und gewann seine Fassung zurück. Knutas setzte die Vernehmung fort.

      »Woher stammen die Schrammen an Ihrem Hals?«

      »Was? Die da?« Per Bergdal hob mühsam die Hände an seine Kehle.

      »Ja, genau. Da scheint Sie jemand gekratzt zu haben«, sagte Knutas.

      Bergdal erzählte ihnen vom vergangenen Abend. Verschwieg weder seine Eifersucht noch die Handgreiflichkeiten.

      »Warum haben Sie das nicht gleich erzählt?«

      »Ich weiß nicht.«

      »Wer genau war gestern Abend bei Ihnen?«

      »Vor allem alte Freunde von Helena.« Bergdal zählte alle Gäste noch einmal auf. »Und dieser Kristian, auf den ich so wütend war. Helena kennt ihn schon sehr lange. Ich glaube, dass sie mal miteinander rumgemacht haben.«

      »Was heißt rumgemacht?«

      »Na ja, ich glaube, dass sie mal eine Affäre hatten. Helena hat das immer abgestritten, aber ich bin davon überzeugt.«

      »Es kann nicht die Eifersucht sein, die Ihnen da einen Streich spielt?«

      »Nein, das glaube ich nicht.«

      »Wie lange waren Sie mit Helena zusammen?«

      »Sechs Jahre.«

      »Das ist eine ziemlich lange Zeit. Wie alt sind Sie?«

      »Achtunddreißig.«

      »Wieso haben Sie nicht geheiratet oder Kinder bekommen?«

      »Ich wollte das schon lange. Helena konnte sich nicht entscheiden. Sie hat ihr Studium sehr spät aufgenommen und wollte erst beruflich weiterkommen, bevor wir eine Familie gründen. Aber heiraten wollten wir schon. Jedenfalls haben wir davon gesprochen.«

      »Haben Sie sich Helenas sicher gefühlt? Wegen ihrer Eifersucht, meine ich.«

      »Ja, eigentlich schon. Es wurde doch immer besser. Ich war schon lange nicht mehr so wütend gewesen. Aber gestern bin ich einfach ausgerastet.«

      »Wissen Sie, ob sie auf der Insel Feinde hatte? Oder gab es jemanden, der sie nicht leiden konnte?«

      »Nein, sie kam mit allen gut aus.«

      »Wissen Sie, ob sie jemals bedroht worden ist?«

      »Nein.«

      »Haben Sie noch andere gute Bekannte hier auf Gotland, abgesehen von denen, die auf der Party waren?«

      »Da gibt es nur noch einige Verwandte von Helena. Ihre Tante, die in Alva wohnt, und einige Vettern und Kusinen in Hemse ... Meistens waren wir allein. Wir sind doch immer hergekommen, um abzuschalten ... Und dem ganzen Stress zu Hause zu entgehen ... Und dann ist das hier passiert.«

      Seine Stimme war kaum noch zu hören.

      Knutas sah ein, dass es keinen Zweck hatte, die Vernehmung fortzusetzen.

      Nachdem Anders Knutas, Leiter der Mordkommission von Visby, die Vernehmung Per Bergdals beendet hatte, ging er in sein Zimmer, um einige Minuten in Ruhe nachdenken zu können. Er ließ sich auf seinen alten, abgenutzten Schreibtischsessel aus Eichenholz fallen, der ihn durch sein gesamtes Berufsleben begleitet hatte. Die Rückenlehne war hoch, der Sitz aus weichem Leder. Knutas drehte sich langsam, und der Sessel schaukelte ein wenig, als er sich gegen die Rückenlehne zurücksinken ließ. Hier, in seinem alten Sessel, der sich im Laufe der Jahre seiner Gestalt angepasst zu haben schien, konnte er am besten denken.

      Anders Knutas nahm sich dafür immer Zeit. Diese Momente waren vor allem dann wichtig, wenn sich um ihn herum die dramatischen Ereignisse überstürzten. Wie jetzt. Seine langjährige Erfahrung bei der Kriminalpolizei hatte ihn gelehrt, zu Beginn einer Ermittlung jeden Eindruck auszuloten. Es war so leicht, im Eifer des Gefechts Dinge zu übersehen, die sich am Ende als wichtig oder gar entscheidend für die Aufklärung erweisen könnten. Er stopfte sich seine Pfeife.

      In Gedanken kehrte er zum Fundort zurück. Zu dem blutigen Leichnam. Der in den Mund gestopften Unterhose. Dem ermordeten Hund. Ob es sich um einen geplanten Mord handelte, wusste er noch nicht. Dass der Mörder von abgrundtiefem Hass angetrieben worden war, stand dagegen fest.

      Der Gerichtsmediziner war nachmittags aus Stockholm eingeflogen. Er hatte seine Arbeit bereits aufgenommen. Knutas beschloss, erst am nächsten Morgen zum Fundort zu fahren, denn dann würde es dort um einiges ruhiger sein.

      Jemand klopfte an die Tür. Karin Jacobsson schaute herein.

      »Jetzt sind alle da. Kommst du auch?«

      »Natürlich«, sagte Knutas und stand auf.

      In Visby gab es zwölf Kriminalbeamte. Im Moment waren die meisten in der


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