Die schwarze Tulpe. Alexandre Dumas

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Die schwarze Tulpe - Alexandre Dumas


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      »Ja, Ihr.«

      »Die Sache wird immer possirlicher. Meine Herren, verständigen wir uns? Es handelt sich darum, zu beweisen, wen ich eigentlich verrathe? Die Stände! das ist wo unmöglich, denn ich stehe in ihrem Dienste und Solde, und bemühe mich gerade in diesem Augenblicke, dem durch sie erhaltenen Befehle pünktlich nachzukommen.«

      Diese Beweisführung, gegen die sich auch nicht die kleinste Einwendung vorbringen ließ, erbitterte die Menge, die nun einsah, auf keine Art den Soldaten los werden zu können, so sehr, daß sie die ganze Wucht ihrer Drohungen und Schimpfnamen gegen den Grafen wälzte, der aber noch immer unverändert, einer aus Erz gegossenen Figur ähnlich, all’ diesen Gemeinheiten, Kälte und Ruhe, mit einer sarkastischen Höflichkeit in Verbindung, entgegensetzte.

      »Nun, meine Herren,« begann der Graf nach einer Pause, in welcher die Kehlen der größten Schreier, den an sie gerichteten Forderungen nicht mehr entsprechen wollten, »folgt einem neuen, guten Rath, den ich Euch hier aus väterlicher Vorsorge mittheile. Habt die besondere Gefälligkeit, und entlade Euere Gewehre denn es könnte eines oder das andere, ohne irgend einer bösen Absicht, ganz aus Laune und Zufall, losgehe, und einen meiner Soldaten verwunden. Dann bliebe aber auch mir nichts anderes übrig, als durch einen einzigen Wink, einigen Hunderten von Euch, den Weg zur Ewigkeit abzukürzen, was mir sehr unlieb wäre, umso mehr, da ich voraussetze, daß es nicht in Euerer Absicht liegt, mich zu beleidigen.

      »Versucht es nur,« schrien die Bürger, »dann geben wir unverzüglich Feuer.«

      »Auch das will ich glauben, und wenn wir noch lange hin- und her reden, werden wir gegenseitig zur Ueberzeugung kommen, daß Ihr im äußersten Falle mich und meine Leute umbringen könnt, dadurch aber keineswegs Euere Todten, deren Zahl nicht so gering sein dürfte, wieder lebendig werden.«

      »Entfernt Euch also von dem Platze, überlaßt uns denselben, und beweist dadurch, daß Ihr selbst ein guter, achtbarer Bürger seid!«

      »Halt, meine Herrn, da gibt es einige Widersprüche, erstens bin ich kein Bürger, sondern Officier, wie Ihr es bemerken könnt, wenn Ihr Eure Augen ein wenig besser öffnet, und schon das ist an und für sich ein gewaltiger Unterschied, und zweitens bin ich kein Holländer, sondern ein Franzose, was die Differenz noch um ein Bedeutendes erhöht. Ich erkenne demnach hier auch nur die Stände, und gehorche Ihrem Befehle allein. Wollt Ihr also durchaus, daß ich mich entferne, so bringt mir den von ihnen ausgefertigten Befehl, der mir sehr angenehm sein würde, da ich mich schon zu langweilen anfange.«

      Ein donnerndes »Ja,«beantwortete diese ironische Anrede, und gleich darauf stürzte die ganze wogende Menge, die bisher so beharrlich nach der Occupation eines ihr streitig gemachten Terrains strebte, mit dem Rufe »Nach dem Ständehaus! Zu den Deputirten!« durch die zunächst gelegenen Straßen fort.

      »So, endlich einmal,« lachte Tilly laut auf, indem er der unabsehbaren Menge verächtlich nachblickte:

      »Gebt nur, meine wackeren Freunde, bewerbt Euch um eine unerhörte Niederträchtigkeit. Das Ständehaus wird ohnedies schon warten, wenigstens habe ich Luft, und bis Ihr wieder kommt, hoffe ich die Sache in’s Reine gebracht zu haben.«

      Der Capitän rechnete mit voller Bestimmtheit auf die Ehrbarkeit der Magistratspersonen, während jene, und dieß mit größerer Gewißheit, dem Muthe und der Ehre eines Officiers die Lösung einer äußerst schwierigen Aufgabe überlassen zu wollen schienen.

      »Capitän,« sagte der erste Lieutenant zum Grafen, als dieser so eben geendet, »Ihr verläßt Euch auf die Würde und Ehrenhaftigkeit der Stände, während diese uns gänzlich verlassen, denn sonst hätten sie, von der uns drohenden Gefahr gewiß unterrichtet, auch einige Unterstützungen hierher beordern können.«

      Während der kurzen Zeit, als diese Vorfälle sich auf dem Platze ereigneten, war Johann von Witt an der Kerkerthüre seines Bruders angekommen. Gryphus öffnete dieselbe, ließ ihn eintreten, und entfernte sich sodann.

      Hierin einem dumpfen, öden, von Moder erfüllten, und nur durch ein kleines, schmutziges Fenster erleuchteten Gemäche, lag Cornelius, der Wohlthäter seiner Mitbürger, der Vater des Volkes, mit zerbrochenen, ausgerenkten Gliedern, mit verbrannten und zerquetschten Fingern.

      Er hatte die Qualen der Vorbereitungsfolter kühn und ruhig überstanden, das inzwischen erschienene Verbannungsurtheil verhinderte die Anwendung der außerordentlichen Tortour.«

      In diesem düstern, widrig riechenden Raume, blaß dem Tode ähnlich, und doch in dem männlich kühnen Antlitze, dem Spiegel der hohen kräftigen Seele, das freundlich milde Lächeln des Märtyrers, den geistigen Blick auf das offen vor ihm liegende himmlische Jenseits gerichtet, ganz emporgehoben aus dem Schlamme der niedern Welt, seinen kräftigen Körper nicht gebeugt, so ihn zu sehen, seine erbittertsten Feinde hätten gedemüthigt, niedergeschlagen vor diesem Heros, zurückweichen müssen. Die ungeheuere, nur den höchsten menschlichen Bildungen eigene Willenskraft, die auch eine der hervorragenden Eigenschaften des Gefangenen bildete, hatte die ganze frühere Stärke seines Körpers, wieder zurückgeführt, und jetzt, wo er bereits von dem Verbannungsurtheile unterrichtet, abermals eine Zukunft vor sich sah, jetzt wo die düstere Ahnung eines gewissen und nahen Todes, langsam vor seiner Seele schwand, beschäftigte ihn nur der Gedanke an eine baldige Freiheit, an die Mittel und Wege, durch die er den gegen ihn vorherrschenden Verdacht beseitigen, und auch in der Folge ein Freund und Wohlthäter seiner undankbaren Mitbürger werden konnte. Und gerade in diesem seeligen, so majestätischen Augenblicke, wüthete draußen die Menge, welcher der Unschuldige, noch in den Stunden seiner schmerzhaften, körperlichen Leiden, sein ganzes edles Herz gewidmet, tobte gegen seine Beschützer, verlangte Mord und Blut. — Und das wüthende Geschrei stieg gleich einer furchtbaren Woge empor, und drang bis zu dem Gefangenen.

      So drohend und gewaltig sich auch dieser Lärm gestaltete, Cornelius ließ ihn unbeachtet vorübergehen. Er nahm sich nicht einmal die Mühe, an das kleine Gitterfenster, das ihm eine, wenn gleich nur beschränkte Aussicht über den vorliegenden Platz gestattete, zu treten. Nur sein Herz und seine Seele waren in Thätigkeit, beide fühlten so hoch und so seelig, beide schienen beinahe der sie umgebenden Materie entrückt, in geistige Anschauung vertieft, einer bessern Welt anzugehören. — Und zwischen diesen himmlischen Träumen durchzuckte ihn mit einem Male ein irdischer Gedanke; es war die Erinnerung an seinen Bruder.

      Aber wie mit einem Schlage öffnete sich zugleich die Thüre seines Kerkers, und der, dessen Bild so eben erst in der Seele des Träumenden auftauchte, stand vor ihm. Cornelius staunte, er traute anfänglich seinen Sinnen nicht. Jene harmonische Verbindung, zwischen gleichgesinntem wahlverwandten Wesen, jenen mächtigen Vorahnungen, die in der forschenden Seele ein Bild der nahen Zukunft enthüllen, jene magnetische Kraft, durch welche die Natur so oft die wunderbarsten Erscheinungen hervorruft, war ihm unbekannt; er betrachtetes die Ankunft seines Bruders, als den Willen einer gütigen Vorsehung, und ihn selbst als den rettenden Genius seines Lebens.

      Johann war rasch an das Lager des Gefangenen getreten, der ihm seine noch verbundenen Glieder entgegenstreckte. Aber ihn blos auf die Stirne küssend, legte er die wunden Arme wieder sanft auf die Matratze, und sein thränenfeuchter Blick ruhte auf dem Unglücklichen, der ihm sonst gleichgestellt, nur dem Hasse der Holländer den Vorrang abgewonnen hatte.

      »Cornelius, mein armer Bruder,« sprach er dann: »Du leidest schwer und viel?«

      »Nein mein Bruder, gar nichts mehr, ich habe ja Dich bei mir.«

      »Ach mein armer, armer Cornelius, kannst Du die Qualen ermessen, die ich bei Deinem Anblicke erdulde; Dich so finden zu müssen!«

      »Auch ich dachte unaufhörlich an Dich. Ich wußte Dich ja denselben Verfolgungen wie mich selbst ausgesetzt, und während ich kalt und ruhig die Qualen der Folter erlitt, entrang sich bei dem Gedanken, Dich eben so leidend zu wissen, ein einziger Seufzer meiner Brust und der war Dir gewidmet. Aber nun bist Du da, nun ist alles vergessen. Du kommst gewiß, um mich abzuholen, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Nun so helfe mir nur aufstehen, ich bin schon wieder ganz gut, und


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