Verkaufen in digitalen Zeiten. Lars Schäfer

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Verkaufen in digitalen Zeiten - Lars Schäfer


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selbst aktualisierende Preisetiketten auf unseren Waren ausgekommen.«

      Ja, bisher sind wir alle halb-digital klargekommen. Ja, das Thema »Datenschutz« ist sehr heikel, und wir sollten uns daran gewöhnen, dass wir genauestens überlegen, welche Daten wir freigeben. Und vielleicht sollten wir auch einmal überlegen, ob es wirklich so schlimm ist, dass zum Beispiel Amazon unser Einkaufsverhalten genauestens kennt. Ja, es wird auch Branchen geben, die nicht komplett durchdigitalisiert sein werden, aber doch zu einem sehr großen Teil. Und nein, es hat keine Zeit mehr, wenn wir, wenn Sie, den Zug nicht verpassen wollen: Es gibt bereits so viele junge Startup-Unternehmen, die auf diesem Terrain mehr als nur fit sind. Was diesen Unternehmern nur noch fehlt, ist die Fähigkeit, zu verkaufen, und das kann man lernen, das weiß ich genau!

       Die Freude auf das Neue

      Ich jedenfalls freue mich auf all die neuen Möglichkeiten, die uns eröffnet werden. Aber dies sollte bitte in einem menschlich verantwortbaren Maß geschehen. Wie in den erwähnten Beispielen beschrieben, wird sich auch bei diesem Thema ein regelrechter Hype entwickeln, weil vieles plötzlich so einfach und bequem sein wird. Wie bei einem tollen Weihnachtsgeschenk auch, wird jedoch bald die Beruhigung, wenn nicht sogar die Ernüchterung folgen: Die Kunden werden merken, dass etwas fehlt.

       Nämlich Sie, ein Mensch aus Fleisch und Blut, der dem Kunden beratend und zuhörend zur Seite steht und ihm wertvolle Tipps geben kann. Der ihm den Nutzen näherbringt, ihn inspiriert und ihm ein Kauferlebnis bietet, das ein Smartphone mit seinem QR- oder EAN-Code-Scanner nicht bieten kann.

      Wer sich allerdings einmal mit einem ungefähr 75-jährigen ehemaligen Verkäufer über seine Zeit im Beruf unterhält, wird häufig einen verklärten und sehnsuchtsvollen Gesichtsausdruck zu sehen bekommen, gepaart mit einem seufzenden Ausatmen: »Wir haben unsere Geschäfte früher noch in ’ner Kneipe auf ’nem Bierdeckel gemacht. Wir brauchten keine Computer oder Internet, wir haben mit unseren Kunden geredet!«

      Gut, früher hatten wir auch einen Kaiser, aber diese Aussagen verraten schon sehr viel über die Entwicklung, die das Verkaufen und das »Geschäfte machen« genommen hat: weg vom direkten, persönlichen Kontakt hin zur reinen Abarbeitung eines Kaufprozesses, und das bitte schön so digital wie möglich. Weg vom hilf- und ratlosen Kunden hin zum selbstbestimmten Individuum, das den Kauftakt vorgibt.

       Gestern: Die Zeitreise beginnt

      Volkswirtschaftlich ausgedrückt, gab es eine Entwicklung vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Selbst diejenigen Leser unter Ihnen, die ganz frisch im Verkauf dabei sind, werden bereits die Erfahrung gemacht haben, dass sich die Dinge rasend schnell weiterentwickeln und dass die Menschlichkeit und die wirkliche Kommunikation häufig auf der Strecke bleiben. Schauen wir doch einmal gemeinsam darauf, wie sich die Geschäfte früher in den aktiven Zeiten des fiktiven 75-jährigen Verkäufers dargestellt haben und wie sie sich mit der Zeit zu dem entwickelt haben, das wir heute kennen.

       1950 bis 1970 oder: Der wirkliche Tod eines Handlungsreisenden

      Als Arthur Millers Werk »Tod eines Handlungsreisenden« mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle nach mehreren eher unbedeutenden Verfilmungen im Jahre 1985 in die Kinos kam, hatte die Vision des Autors Wirklichkeit angenommen und bereits eine nächste Stufe erreicht, aber dazu kommen wir später. Ursprünglich als Kritik an der amerikanischen Gesellschaft und dem sogenannten »American Dream« verfasst, erwies sich die Story des Dramas als Blick in die Glaskugel. Die Hauptfigur Willy Loman ist ein seit Jahren erfolgloser »Handlungsreisender«, dem Werte wie Fairness und Menschlichkeit wichtiger sind als Tricks und Überredungskünste; gleichzeitig ist das aber genau der Punkt, der verhindert, dass er in dieser Zeit erfolgreich sein kann. Er bewundert seinen Freund, der ebenfalls Handlungsreisender ist, wegen dessen Fähigkeit, die Kunden »übers Ohr zu hauen« und ihnen Dinge zu verkaufen, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Nur der Vollständigkeit der inhaltlichen Zusammenfassung halber: Willy Loman nimmt sich am Ende des Dramas das Leben.

      Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Massenproduktion zum ersten Mal so richtig Fahrt aufnahm, zeichnete sich eine Entwicklung ab, die bis heute anhält und sich sogar noch intensiviert hat: Die Unternehmen produzierten immer mehr Produkte, um noch mehr Gewinne zu generieren, die natürlich zu einem gut kalkulierten Preis verkauft werden mussten. In diesen Zeiten herrschte allerdings noch ein Mangel an vielen Dingen des täglichen Lebens und eine Sehnsucht nach Luxus und Wohlbefinden: Die Nachfrage war in weiten Teilen größer als das Angebot. Das hatte zur Folge, dass viele Verkäufer in einer für uns heute fast unvorstellbaren Machtposition waren: Sie konnten in vielen Bereichen ihre Produkte verteilen und selbst bestimmen, wer den Zuschlag bekam, und das natürlich mit satten Gewinnen. Einen Gesprächsablauf, wie wir ihn heute kennen, mit Einwandbehandlung und Co., gab es damals nicht wirklich: Wer nicht kaufen wollte, hatte halt Pech gehabt.

      Natürlich gab es Bereiche, in denen die Unternehmen und deren Mitarbeiter der Konkurrenz ausgesetzt waren, allerdings in deutlich geringerem Maße als in den späten 1980ern oder gar heute in den 2010ern. Man sprach in den 1950er und 1960er-Jahren vom Wirtschaftswunder.

      Als die ersten Bedarfe gedeckt waren und das Geld der Konsumenten und Unternehmen langsam knapper wurden, sahen sich auch die Verkäufer mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Sie mussten nun richtige Überzeugungsarbeit leisten. Und das funktionierte eben nicht nur, indem man nett und beliebt war, sondern es musste eine Argumentation für das Produkt her. Dass im Laufe dieser Entwicklung auch erste unfaire Tricks entstanden, hat viel mit der Natur des Menschen und seiner Gier zu tun. Alles in allem hatten Verkäufer in dieser Zeit sehr viel Macht, weil es für die allermeisten von ihnen genügend Kunden gab.

       1970 bis 1999: Weltwirtschaftskrise, Yuppies und die New Economy

      Als im Jahre 1973 der erste von zwei Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren (der zweite kam 1978) die Gesamtwirtschaft erschütterte, war das Wirtschaftswunder mit einem Schlag vorbei: Die Preise für ein Barrel Öl vervierfachten sich innerhalb eines Jahres und stiegen weiter, was zur Folge hatte, dass in Deutschland Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen und Landstraßen eingeführt wurden. Ja, es gab sogar autofreie Sonntage (die Bilder von Fußgängern auf Autobahnen gingen damals um die Welt), damit Benzin gespart werden konnte. Als Folge gingen sehr viele Firmen pleite oder meldeten Kurzarbeit an, die Zahl der Arbeitslosen stieg immens und der Konsum sank: die klassische Negativspirale.

      Was das für die Unternehmen und deren Verkäufer bedeutete, ist klar: Es wurde mit immer härteren Bandagen um die »sauer verdiente Mark« der Kunden gekämpft, das sogenannte Hardselling wurde zum bevorzugten Verkaufsstil. Und es war eine aus der Not geborene, aber dennoch relativ erfolgreiche Strategie: Die Kunden waren natürlich längst nicht so aufgeklärt wie heutzutage, es gab keine solch fantastischen Informationsquellen wie zum Beispiel das Internet, die Verkäufer hatten so einen immensen Wissensvorsprung. Dies wurde leider oft ausgenutzt, um auf Teufel komm raus Umsatz zu generieren.

      Mitte der 1980er-Jahre ging es endlich wieder aufwärts, die Wirtschaft boomte, die Zeit der Yuppies war gekommen, der young urban professionals, die sich durch finanziellen Erfolg und eine ausgesprochene Konsumhaltung auszeichneten. Plötzlich war alles möglich, viele erfolgreiche Unternehmer und Unternehmen hatten in dieser Zeit ihren Ursprung, die Menschen konnten sich endlich wieder etwas leisten: Es entstand ein regelrechter Markenwahn, man identifizierte sich mit teuren Brands. Dieser Trend setzte sich mit dem Boom der Computerbranche und dem Erfolg der New Economy (die Entwicklung der Wirtschaft hin zu Dienstleistungen, besonders zu webbasierten Diensten) fort. Eines aber veränderte sich langsam, aber stetig: Das Vertrauen der Kunden in die Verkäufer ließ immer mehr nach, ob dies nun Geschäfts- oder Privatkunden waren. Eine Folge des Hardselling der 1970er- und 1980er-Jahre war die Kaufreue: Viele Kunden hatten sich zu oft zu sehr verleiten lassen und Produkte gekauft, die sie eigentlich gar nicht benötigten. Die Lager waren bis oben hin vollgepackt, nur weil der Preis so super war. Irgendwann jedoch ist nun mal jeder Markt zumindest für einen bestimmten


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