Die Goldminen von Midian. Richard Francis Burton
Читать онлайн книгу.hat mehr Biographen veranlasst, sein Leben nachzuzeichnen. Die erste Biographie über ihn erschien bereits zehn Jahre vor seinem Tod.
Die Bibliographie von Burtons eigenen Arbeiten umfasst mehr als dreihundert Seiten, darunter sechzig komplette Bücher. Er schrieb über Bajonett-Drill, Falknerei, Bergbau, Archäologie, Schlangen, Medizin, Ingenieurwissenschaft, Bergsteigen, Religion und Liebespraktiken auf allen Erdteilen, Letzteres sehr zum Unwillen seiner Gattin. Von Burton sind Reiseberichte aus allen Kontinenten (mit Ausnahme der Antarktis und Australiens) erhalten. Allein über Afrika schrieb er dreizehn Bücher mit einem Gesamtumfang von viertausendsechshundert Seiten. Die arabische Halbinsel blieb aber, wie er selbst sagte, »das Land meiner Vorliebe«. Es überrascht daher auch nicht, dass Burton zu den Gründervätern des Königlichen Ethnographischen Instituts gehört.
Burton schrieb viel und schnell, und es gibt daher einen Berg an Informationen in seinen Werken. Sein enzyklopädisches Wissen über den Orient zeigt sich am besten in seiner großen sechzehnbändigen Übersetzung der »Tausendundeinen Nacht« (1885–1888) und den dazugehörigen umfangreichen Fußnoten. »Tausendundeine Nacht« war ein perfekter Gegenstand für ihn: Burton war immer mehr am Laster als an der Tugend interessiert. Er übersetzte außerdem die Qasidah Hadschi Abd El-Yezdis, das erotische »Kama Sutra« von Vatsyayana, das »Ananda Ranga« und »Den duftenden Garten« von Scheich Nefzawi.
Sein Reisebericht »A Personal Narrative of a Pilgrimage to Mecca and Al-Medina«, in welchem er über seiner Teilnahme am Hadsch des Jahres 1853 berichtete, begründete seinen Ruhm als Schriftsteller. Sein Erfolg bei dieser nicht ungefährlichen Reise war seiner intimen Vertrautheit mit den Sprachen und Gewohnheiten der Region geschuldet. Zudem war er, seinen mystischen Neigungen folgend, in den Reihen des Derwischordens der Qadiri initiiert worden.
Die Saga berichtet, dass Burton tatsächlich alle paar Monate eine neue Sprache gelernt haben soll. Am Ende seines Lebens beherrschte er fast dreißig Sprachen und zwölf Dialekte.
Burton widmete sich auch intensiv dem Studium des Okkulten, unbekannten Einflüssen, Talismanen, Tränken und magischer Macht. Während seines ganzen Lebens suchte er leidenschaftlich nach »Gnosis«, nach Welterkenntnis, welcher er rund um die Welt in ihren unzähligen Formen nachjagte. Er studierte die Kabbala, eine mittelalterliche jüdische Geheimlehre, und die geheimnisvolle Weisheit und Kunstfertigkeit des Griechen Hermes Trismegistos (Hermetik). Er war eingeführter Nagar Brahmin (die Naga sind ein Volksstamm im indischen Assam), und er war Mitglied der ismaelitischen Sekte (Siebener-Schia), welche beanspruchte, von den im Mittelalter als Meuchelmörder gefürchteten Assassinen abzustammen. Er war zu verschiedenen Zeiten Konvertit zum Hinduismus, Tantrismus (die Tantra-Lehre verehrt Schiwa und seine Gattin Parwati als Hauptgottheiten), zum römischen Katholizismus, zu dem Glaubensbekenntnis der Sikhs und zum Islam.
Nach Burtons Tod ergriff seine Frau vor allem zwei Schritte, um sein Andenken zu bewahren: Sie baute ein außergewöhnliches Grab in der Form eines Beduinenzeltes auf dem Heiligen-Maria-Magdalenen-Friedhof in Mortlake, einem Vorort von London. Und sie verbrannte leider alle ihr obszön erscheinenden Manuskripte, denen ihr Ehemann in seinen letzten Jahren all seinen Fleiß gewidmet hatte. Der Scheiterhaufen mit dem »Kama Sutra« und anderen Manuskripten soll tagelang gebrannt haben.
Uwe Pfullmann
1Die Ausführungen über die geographischen Grenzen Midians stützen sich weitgehend auf Philip Wards Abhandlung in »The Gold-Mines of Midian and the Ruined Midianite Cities« (1878).
RICHARD FRANCIS BURTON
DIE GOLDMINEN VON MIDIAN
KAPITEL I
In Alexandria
Endlich! Wieder einmal ist es mein Geschick, dem Gefängnisleben eines zivilisierten Europas zu entfliehen und Körper und Geist durch das Studium der Natur in ihrer nobelsten und bewundernswertesten Form zu erquicken. Abermals sollte ich den Anblick der »herrlichen Wüste« genießen dürfen und durch einen kurzen Besuch bei den Wilden in ihrer urtümlichen Heimat Kraft schöpfen.
Dies fügte sich wie folgt: Seine Hoheit, der Vizekönig von Ägypten, hatte von einem gemeinsamen Freund erfahren, dass ich viele Jahre zuvor Kenntnis von der Stätte eines Goldfeldes erlangt hatte, und ehrte mich nun mit der Einladung, über diese Angelegenheit persönlich zu berichten. Ich beantragte einen Monat Urlaub, der mir vom Außenamt Ihrer Britannischen Majestät in Anbetracht des grimmigen Winters und meiner Erschöpfung in der »tagtäglichen Tretmühle« zu Triest zuvorkommend gewährt wurde.
So ging ich denn am 3. März 1877 ungeachtet aller weisen Ratschläge, welche die Gattin dem Ehemann ans Herz legt, an Bord der Aurora, des österreichisch-ungarischen Lloyd-Schiffes von Kapitän Markovich.
Die Reise über zwölfhundert Meilen entlang jener malerischen Küsten von Istrien und der Hochländer und Inseln von Dalmatien verlief über die Maßen angenehm. Jenseits des romantischen Bocche di Cattaro, dem Bosporus des Westens, hatten wir außer schlechtem Wetter nichts zu befürchten und konnten unbesorgt auf die eisgekrönten Gipfel und schneegepuderten Hänge der großartigen Cimariot-Bergkette blicken: Das weithin gerühmte Akrokeraunion wurde in den letzten Jahren vor allem für seinen Feuerstein-Abbau berühmt. Es war wie gewöhnlich schwarze Nacht, als wir vor der Zitadelle und den Forts von Korfu ankerten; früher einmal eine höchst bezaubernde Militärstation, liegt sie seit dem traurigen Jahr 1864 infolge des Unabhängigkeitskampfes in Ruinen.
Vorbei an jener Brandung, die bei Leukas an dem Felsen aufläuft, von dem sich Sappho stürzte, und die noch immer von ihrem Blut gefärbt ist; durch den weithin berühmten Kanal mit dem rauen Theaki (Ithaca) an Backbord und dem erhabenen Kephalonia an Steuerbord; hart an Zante vorbei, dessen liebliche Hänge und befestigte weiße Stadt sie zur Blume der Levante gemacht haben; über den Golf von Patras und zur Stadt Katakolo, mit dem alten Pondiko Kastro, dem venezianischen Fort, das hoch über johannisbeerbewachsenen Tieflanden thront; vorbei an dem von Deutschen heimgesuchten Aipheus des Jupiter Olympius; an dem felsig zerklüfteten und vom Wind gepeitschten Arkadien, das so seltsamerweise zum Geburtsort der lieblichen arkadischen Erzählung und des Gesanges wurde; vorbei auch unter den wilden Mauern des steinigen Peloponnes und über die historische Navarino-Bucht mit ihrem von Ruinen gekrönten Wellenbrecher zur Insel Sphagia … An all diesen erinnerungswürdigen Plätzen dampften wir vorüber und erwachten am Morgen des vierten Tages, als wir in Küstennähe an den südlichen Ufern von Kreta entlangfuhren.
Das lange schmale Felsmassiv, dessen Konturen und Blöcke aus silbern getupften Berggipfeln und Felsspitzen sich mitunter bis auf 8000 Fuß erheben, war das letzte für uns sichtbare Stück Land auf unserem Weg. Es bot uns all seine Schönheit dar, die auf ihre Weise sogar dem unübertroffenen alpinen Charme einer intensiv strahlenden Sonne und des funkelnden Schnees gleichkommt: Goldstaub regnete auf den reinsten Hermelinpelz, und die ganze Szenerie hob sich ab vor dem mittelländischen Blau, während das Meer zur Musik der Winde tanzte. Mit dem tief empfundenen Wunsch, dass Kreta – welches im Jahre des Herrn 1680 von Mohammed IV., dem letzten Sultan, der persönlich im Felde stand, annektiert wurde – sich am Abend seiner Tage über die Wiedervereinigung mit dem Christentum und der Fahne des heiligen Georg glücklich schätzen möge, entboten wir der Insel ein zärtliches Lebewohl und wunderten uns, den Seeweg so von Schiffen verlassen zu sehen. Am 8. März warfen wir Anker im alten Eunostos, dem neuen Hafen von Alexandria, welcher ein vortreffliches Werk und Ägyptens größter Tage würdig ist. Wir Reisende hielten jetzt Ausschau nach einer Gepäck-Anlandungsgesellschaft, die uns vor den Kasteiungen des kreischenden Bootsverleihers und des habgierigen Dragomans bewahren sollte.
Der »libysche Vorort« – die Stadt sowohl des Propheten Daniel, Alexanders des Großen und des Apostels Markus – ist nicht mehr wie im Jahre 1853 eine Stadt falscher Bezeichnungen, wo die Trockendocks immer nass und die marmornen Springbrunnen ewig trocken sind; deren »Nadel der Kleopatra« weder mit Kleopatra verbunden noch eine Nadel ist; deren »Säule des Pompeius« nie den geringsten irdischen Bezug zu Pompeius aufwies und deren »Bäder« der Kleopatra, wahrheitsliebenden Reisenden zufolge, von jeher alles andere als Bäder waren.
Doch