Palast der Stille. Hansjörg Schertenleib

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Palast der Stille - Hansjörg Schertenleib


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anderen und die Welt, nicht aber für sich? An wie viele Tische hat er sich in den vergangenen achtunddreißig Jahren hingesetzt, um zu schreiben?

      An einem Tisch, an dem man essen kann, kann man auch schreiben. Hat er das Bedürfnis zu schreiben, trägt er ihren einzigen Tisch aus der offenen Küche vor die Glastür zur Veranda. Von dort sieht er über den Hafen von Seal Harbor und die Umrisse von Norton und Whitehead auf den offenen Atlantik. An einem Tisch mit dieser Sicht hätte er früher nicht eine Zeile geschrieben, galt Annie Dillards Ratschlag auch für ihn: »Ein Zimmer ohne Aussicht ist nötig, damit die Phantasie im Dunkeln der Erinnerung begegnen kann.« Neben dem Tisch hat er den Karton im Postkartenformat an die Wand gepinnt, auf den der schizophrene Dichter Ernst Herbeck 1985 für ihn die Verszeile Die Poesie lernt man vom Tiere aus, das sich im Wald befindet schrieb und ihm im »Haus der Künstler« Gugging im Niederösterreichischen Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Klosterneuburg bei Wien mit einer ironischen Verbeugung überreichte. Unter Ernst Herbecks Geschenk hängt Michelangelos Rat an einen Lehrling, der nach seinem Tod in seiner Werkstatt gefunden wurde: Zeichne, Antonio, zeichne, Antonio, zeichne und vergeude keine Zeit, den er, ergänzt mit der Zeile Schreibe, Schertenleib, schreibe, Schertenleib, schreibe und vergeude keine Zeit auf seiner alten Hermes 2000 abgetippt hat.

      Der Tisch, an dem wir auch essen, misst 60 mal 90 cm, ist 74 cm hoch und aus honigfarbenem Buchenholz, hat gedrechselte Beine, keine Schublade. Gefunden haben wir ihn im Rockland Antiques Marketplace; für seine Geschichte begann ich mich erst zu interessieren, nachdem ich den in die Unterseite des Tischblattes gebrannten Namen Torward Erling Haugesen und die Jahreszahl 1905 entdeckte. Maggie, die mir den Tisch verkauft hatte, war nicht einfach zu überzeugen gewesen, mir zu verraten, dass seine ehemalige Besitzerin Bente Elwell heißt, aus einer Familie eingewanderter Norweger stammt und im zwanzig Meilen entfernten Friendship wohnt. Während sich im 17. und 18. Jahrhundert an Maines Küste viele Skandinavier ansiedelten, war das Herzland des Staates mit seinen Wäldern und sanften Hügeln, das an die kanadische Provinz Brunswick grenzt und von Norden nach Süden von Tälern zerschnitten wird, geologischen Kratzspuren der Gletscher, vorwiegend von Akadiern besiedelt, französischen Kolonisten, weswegen sich dort noch heute viele französische Familien finden.

      Hätte mich der Name Torward Erling Haugesen auch interessiert, wenn ich mich 1974 mit siebzehn auf einer Interrail-Reise im norwegischen Kristiansund nicht in eine junge Frau namens Ingrid Haugesen verliebt hätte?

      Im letzten Juni bin ich schließlich nach Friendship gefahren, um von Bente Elwell zu erfahren, wer dieser Torward Erling Haugesen war.

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