Magische Verbindung. Egon Krause
Читать онлайн книгу.ja unheimlich dick sein bei ihrer Geschwindigkeit. Wie dick sind sie denn in Ruhe? Wie ist es mit der Berücksichtigung der Messung, der Unschärfe der Quantentheorie?
Na, so leicht kannst du mir das nicht erklären, es spielt da sicher auch die mittlere Zerfallszeit eine Rolle, es gibt nach beiden Seiten einen Unterschied.
N.: Du bist unbelehrbar. Übrigens, im CERN haben sie es auch nachgewiesen, das mit der Lebensverlängerung. Aber wer will das denn auch wissen? Ein Leser sicher nicht, man müsste einen Kommentarband dazulegen.
E.: Warte mal ab, bis die klassisch-wissenschaftlichen Partisanen aus dem Untergrund die Behauptungen Einsteins torpedieren. Im CERN haben sie die Teilchen vorbeifliegen sehen, da war ihre Masse angewachsen, sie waren gleichzeitig verjüngt und geschrumpft, die Masse wird größer, das Teilchen schrumpft, interessant, sich ein geschrumpftes Teilchen vorzustellen, wo es doch sowieso wie ein Pünktchen berechnet wird. Ist der Ring nicht gleich lang und die Zeit je nach Geschwindigkeit auch? In Realität ist das Teilchen gleich groß geblieben, die Strecke gleich lang und die Zeit mit der Uhr gemessen. Lass dich mit deiner Uhr mal kräftig beschleunigen damit du länger lebst. Aber wäre es dann ein Nutzen für die Menschheit, ich stelle mir vor, wie du in der Länge oder Breite schrumpfst, da ist schon wieder der logische Widerspruch, wenn du liegst, der Länge nach, ein Pykniker, wenn du stehst, in der Breite: Giacometti und wenn du schräg im Raum stehst, wie siehst du dann aus, wie ein Picasso. Und deine Gedanken so verlangsamst wie die Bewegungen eines Faultiers. Wenn es nach A. ginge, wäre es so. Der Dicke läuft und wird beschleunigt, er schrumpft und lebt länger, das stimmt mit der klinischen Medizin überein, einer, der Gewicht verliert, wird dünner und lebt länger, wohl das Einzige, worin Medizin und Einstein übereinstimmen. Bleib mal unbeschleunigt.
N.: Das ist deine Ironie. Du bist giftig.
E.: Und weiter, die Zweiweltentheorie, da lob ich mir die Surrealisten, Dali konnte zum Beispiel die Zweiweltentheorie besser vermitteln in seinen »Lebensaltern« und der »Büste von Voltaire« als ihr, auch so ein spekulatives Thema der theoretischen Physiker.
N.: Mit dir lässt sich trefflich streiten, zum Beispiel nehmen die Protonen an Masse zu, wie man es relativistisch berechnen kann.
E.: Und wie konnte man das messen?
N.: Man muss die Magneten verstärken, um mehr Kraft zu haben, sie auf ihrer Bahn zu halten.
E.: So teure Magneten. Das soll der Beweis sein? Wer hat es gesehen? Komisch, wozu braucht man so lange, runde Beschleuniger?
N.: Natürlich um die Geschwindigkeit zu erreichen. Irgendwie hast du intuitiv recht, du bist doch ein Einsteiner, ganz oben in der Geschwindigkeit lassen sie sich nur schwer beschleunigen, es reicht natürlich eine gewisse Geschwindigkeit aus, dass Teilchen zersplittern.
E.: Und so ein teures CERN. Übrigens, mir fällt gerade das Beispiel mit dem Ballspieler in einem fahrenden Zug ein, der meint, wenn er den Ball auf den Boden fallen lässt, geschieht das genauso wie in einem nicht fahrenden Zug. Richtig. Derjenige, der das von außen betrachtet, für den bewegt sich der Ball nach vorn, richtig. Wenn nun der Boden im Zug aus Glas wäre und der Ball durch ein Loch im Glas fiele, wie sähe es der Außenstehende und der im Zug? Für beide fliegt der Ball nach hinten, komisch, es sind doch zwei Feststellungen, einmal bewegt sich der Ball nach vorn, einmal nicht, jetzt sind die Bewegungen für jeden Beobachter gleich, vom außenstehenden Beobachter gesehen nach hinten, vom Beobachter im Zug beobachtet auch. Es gibt keine Relativität, wenn man klar sieht, das Loch macht die Objektivität, das Objektiv.
N.: Von diesem Trick habe ich noch nie gehört.
E.: Nun sehen beide subjektiv objektiv, nämlich real.
Hier, ein Original-Brief an mich:
Lieber, wie geht es Ihnen, wir haben schon gedacht, Sie fensterln bei uns in der Nacht, besuchen Sie uns einmal in der Nacht, Ihre A., I., E., Ag.
N.: Stimmt nicht, Mann! Der war an mich gerichtet!
E.: Entschuldige, manchmal verwechsele ich dich mit mir, das rührt von einer Art geistiger Verschränkung her.
N.: Es sei dir verziehen. Hast du das doch aus der Quantenmechanik verstanden, o Wunder.
E.: Ich bin jetzt 65,5 Jahre alt, 1,75 m lang, um die 73 kg schwer, kurz nach dem Ende meines chirurgischen Lebens, das Ende eine Katastrophe? Mitnichten, könnte man salopp sagen, wohlgefällige Rückschau? Auch nicht, Bewusstsein einer jetzt unabhängigen Existenz, Freiheit pur. Wieso, existierte ich früher nicht? War ich so unfrei? Egozentrische Gedanken, die mir vorher nicht in den Sinn kamen. Rückschritt in gesellschaftlicher Beziehung? Reaktion auf einen erzwungenen Altruismus, von außen, von innen, positioniert auf einem Gen, gesteuert durch Erziehung?
Fruchtlose Gedanken. Ich trete in eine andere Welt ein. Eine Welt getrennt von der vorherigen, die angefüllt war mit Handlung und Gedanken in einer isolierten Sphäre, ausgerichtet auf Diagnose, Therapie und Fortschritt, Gedanken ohne rechts und links. Jetzt, am Ende, ein Weltall voller Möglichkeiten, Gedankenfreiheit pur. Aus verstaubter Kiste den Pegasus befreien, der sich allmählich ans Fliegen gewöhnt.
Allerdings körperlich etwa dreißig Prozent weniger leistungsfähig als mit dreißig, geistig wie schon immer etwas träge, mit relativ schlechtem Gedächtnis, dies ist nichts Neues. Ich habe meine Arbeit so getan, wie es mir möglich war, habe keine Hochleistungen erbracht, mir ist nicht klar warum.
N: Ich weiß warum, sei ein wenig objektiv. Warum? Einfach zu faul!
E.: Vielleicht zu wenig Ehrgeiz, oder es hat mich eine innere Hemmung davon abgehalten, eine eigenartige Haltung, wenn ich einen Vorteil hatte, habe ich ihn bewusst nicht genutzt, ich hätte mich geschämt. Ich habe nie etwas gefordert, immer gewartet, bis es mir zugestanden wurde. Selbst wenn ich Macht hatte, habe ich sie nie genutzt.
N.: So eine schöne Selbstcharakterisierung habe ich selten vernommen.
E.: Trotz alldem sind die Vorstellungen in Erfüllung gegangen, die meiner Mutter.
N. : Alle?
E.: Eine Frage, die ich mit Ja beantworte, alle aus der in der Zeit möglichen Vorstellungen.
Und deine?
N.: Nicht alle, es war das, was zu erreichen war, die Vorstellung war immer mehr.
E.: Die Hemmschwelle zum Lügen habe ich bis heute nicht überwunden.
N. : Mit Ausnahmen? Im Übrigen bin ich deiner Meinung.
E.: Oh! Wir werden sehen.
Ich habe entdeckt, es ist von Vorteil, die Wahrheit zu sagen, die glaubt nicht ein jeder, weil er meint, der andere lüge. Außerdem erspart man es sich im Lügennetz zu verheddern.
In einer Ecke des Bildschirms ein Icon, mein Großvater, der mich ermahnte, nie verbotene Dinge anzufassen, »ansehen und sich wundern«, ist das eine Erklärung? Ich habe danach gehandelt und soll meine Hände dabei auf den Rücken gelegt haben. Diese Zurückhaltung bestimmte mein ganzes Dasein. Ich kam ihm wohl ein wenig fremd vor, mein Großvater konnte, wie ich merkte, meinen Blick nicht lange ertragen, der vielleicht, wie ich auf späteren Bildern von mir entdeckte, zu provokativ erschien. Eine weitere Feststellung, ich habe mich immer für unwichtig gehalten, als Mensch in meiner Aufgabe und damit das Problem der Unentbehrlichkeit nicht gekannt.
N.: Schönen ist wohl deine große Gabe?
E.: Genug der Selbstanalyse. Objektiv? Eigne Objektivität sieht der andere als subjektiv an, Objektivität des anderen ist auch Subjektivität. Was ist nun objektiv? Objektivität nur durchs Objektiv? Auch das kann täuschen. Aber woher kommt die Subjektivität? Vom Bewusstsein, woher kommt das Bewusstsein? Da sind wir bei der Neurophysiologie, woher kommt die Neurophysiologie, wer hat der Neurophysiologie auf die Sprünge geholfen, die Computerentwicklung.
N.: Was ist das für eine Behauptung, das Physiologische bestand lange vor der Elektronik.
E.: Der Computer simuliert das Gehirn mit Speicher, neuronalen Verbindungen und multiplen Weichen. Wir werden mit leeren Speichern geboren, die wir dann sukzessive subjektiv mit unseren Sensoren füllen,