Mission SOL 2020 / 1: Ritter des Chaos. Kai Hirdt

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Mission SOL 2020 / 1: Ritter des Chaos - Kai Hirdt


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beharrte Qumisha. »Perry! Wir kommen gerade aus einer ganzen Reihe von Gefechten und haben unsere Kommandantin verloren! Fast jedes zehnte Besatzungsmitglied ist neu an Bord und noch nicht richtig in die Abläufe eingebunden. Die SOL muss zur Ruhe kommen, bevor wir an die nächste Mission auch nur denken!«

      »Stimmt alles«, pflichtete Rhodan ihr bei. »Ich weiß bloß nicht, ob wir uns diesen Luxus leisten können.« Er erzählte von den Bildern, die er gesehen hatte.

      Qumisha initiierte einen Scan der Region, in der Rhodan die NEUBEGINN verortet hatte. Die Ultra-Giraffen genannten Ortungsgeräte der beiden SOL-Zellen erkannten nichts, weder beim Suchen nach fünfdimensionalen Besonderheiten noch bei den Ableitungen für sechsdimensionale Phänomene.

      Der Kantor-Sextant aber, das noch leistungsstärkere Messwerk des Mittelteils, entdeckte Auffälligkeiten im sechsdimensionalen Spektrum. Winzige Regelmäßigkeiten, wo Rauschen hätte sein sollen. Das konnte eine statistische Anomalie sein oder an den besonderen Begebenheiten im Evosystem liegen. Aber konnte man völlig sicher ausschließen, dass sich dort das Kosmokratenschiff verbarg?

      Rhodan sah, dass es in Qumishas Gesicht arbeitete. Auch sie kannte er seit Jahrhunderten und konnte recht gut einschätzen, was ihr durch den Kopf ging. War die Bedrohung real oder eingebildet? Schließlich hatte sie mit allem recht, was sie gesagt hatte. Die Besatzung der SOL brauchte dringend eine Pause.

      »Wir können das nicht«, flüsterte Qumisha schließlich. »Nach allem, was passiert ist. Hundertfünfzig Jahre haben wir außerhalb des normalen Zeitverlaufs in der Proto-Chaotischen Zelle festgesessen. Viele von uns haben dadurch die Kinder verloren, die wir auf diesem Schiff hätten großziehen sollen. Wie sollen wir hier leben, ohne jeden Tag an sie zu denken? Wir müssen nach Hause, in die Milchstraße. Wir müssen von Bord. Wir brauchen ...« Sie brach ab.

      »... einen Neubeginn?«, schlug Blitzer vor.

      Qumisha beherrschte sich. Aber Rhodan sah ihr an, dass sie dem Androiden am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte, als er den Namen der Einheit aussprach, die ihrer aller Leben bedrohte.

      Vielleicht konnte er die Mächte hinter Blitzer auf andere Weise von ihrem Plan abbringen. »Ich werde den Auftrag übernehmen«, sagte er. »Aber nicht mit der SOL. Gerade dieses Schiff ist dafür denkbar ungeeignet. Sowohl die Kosmokraten als auch die Chaotarchen haben es beide schon in ihren Dienst gezwungen – man kennt die SOL. Buchstäblich jede andere Einheit, außer vielleicht einer Kobaltblauen Walze, wäre unauffälliger.«

      »Eine korrekte Beschreibung der Fakten«, bestätigte Blitzer gönnerhaft, »aber ein falscher Schluss. Wenn ihr Zutritt zu dem Orden erhalten wollt, müssen die Ritter von BARIL euch zuvor zur Kenntnis nehmen. Es sind ranghohe Diener einer Superintelligenz. Ihr müsst aus der niederen Masse des Lebens an sich herausstechen. Die SOL ist ein gutes Argument dafür.«

      Er machte eine Pause, wie um einen neuen Gedanken zu fassen – oder um jemandem zu lauschen, den niemand außer ihm hören konnte. »Und ihre wechselhafte Geschichte gereicht euch sogar zum Vorteil. Die SOL hat gerade erst eine wichtige Welt der Kosmokraten zerstört. Welch besseren Beleg kann man sich wünschen, dass sie wie BARILS Ritter aufseiten des Chaos steht? Das Schiff ist wie dafür gemacht, ihr Vertrauen zu gewinnen.«

      Mit einem Wink aus dem Handgelenk aktivierte er ein Hologramm. Das Bild zeigte die schon bekannte Konstellation von Evolux, LEUCHTKRAFT und SOL. Neu dazugekommen war ein strahlender, hellblauer Ring im All, ein perfekter Kreis von rund zweihundert Kilometern Durchmesser. Und ein Jetstrahl, der davon ausging und sich in die Unendlichkeit des Weltraums erstreckte.

      »Dieses Ding ...«, fragte Qumisha.

      »... führt nach Yahouna«, beendete Blitzer den Satz für sie.

      »Die Richtung.« Qumisha deutete auf das Holo. Ihre Stimme bebte. »Tare-Scharm liegt siebenunddreißig Millionen Lichtjahre oberhalb der Milchstraßen-Hauptebene. Dieser Strahl führt nicht wieder abwärts, sondern noch weiter weg.«

      »Korrekt«, bestätigte der Androide. »Yahouna ist achtundfünfzig Millionen Lichtjahre von der Galaxis entfernt, die ihr als eure Heimat betrachtet.«

      Qumishas Blick fand Rhodans. Er las das Flehen in ihren Augen. Sie wollte nach Hause, und sie hatte jedes Recht dazu. Blitzer verlangte das genaue Gegenteil. Schon die Reise nach Tare-Scharm über insgesamt 45 Millionen Lichtjahre hatte die SOL fast dreißig Jahre gekostet. Und nun sollten sie sich noch weiter von der Heimat entfernen? Die Kosmokraten mochten sie in kürzester Zeit dorthin versetzen können. Wie die Solaner jedoch zurückkamen, falls sie die Mission überhaupt überlebten, war den Hohen Mächten wahrscheinlich völlig egal.

      Rhodan begann einen letzten Versuch. Roi Danton allerdings war auf dieselbe Idee gekommen. Gleichzeitig sprachen sie: »Wir könnten eine SOL-Zelle ...«

      Sie sahen einander kurz an, dann ließ Rhodan seinem Sohn den Vortritt. »Wir könnten eine SOL-Zelle abkoppeln und nach Yahouna schicken. Der Rest des Schiffs bleibt hier, damit die Besatzung ihre Wunden lecken und einen neuen Kommandanten wählen kann.«

      »Ein interessanter Vorschlag.« Blitzer schloss kurz seine großen Augen. Zwei Sekunden herrschte Stille, dann öffnete er sie wieder. »Interessant, aber abgelehnt. Unsere Passage nach Yahouna steht offen. Es wäre, wie du sagtest, nicht klug, zu warten.«

      Perry Rhodan nickte langsam. Unsere Passage. Das wenig vertrauenswürdige Kunstwesen würde also an Bord bleiben und sie wahrscheinlich auf Schritt und Tritt kontrollieren. Herrliche Aussichten waren das.

      »Mangels anderer Möglichkeiten«, sagte er, »also auf ins Ungewisse!«

      Er sah Tess Qumisha nicht an.

      »Ich danke euch.« Eroin Blitzer vollführte einige weitere Handgesten. Das Holo zeigte, wie sich die SOL in Richtung des blauen Leuchtrings in Bewegung setzte.

      So viel also dazu, dass der obskure Gast das terranische Schiff nicht kontrollieren sollte.

      4.

      Trurull stützte die Vorderläufe auf die Balustrade seines Residenzbalkons und blickte über die Stadt. Seine Stadt, auf seiner Welt.

      Noch wirkte sie nicht besonders truvaud. Die Eltail, die früheren Herren des Diulusystems, hatten schlanke Türme und feine, schmale Brücken bevorzugt. Aber das Bild würde sich ändern. Truvaud bauten kompakter und wuchtiger. Trurulls Untertanen hatten gerade erst begonnen, sich diese Welt zu eigen zu machen.

      »Herr!«

      Trurull drehte sich nicht sofort um, als Korsabs Stimme hinter ihm erklang. Macht und Herrschaft zeigten sich in kleinen Gesten. Nicht Trurulls Stellvertreter hatte zu bestimmen, wann er die Aufmerksamkeit seines Torrov erhielt. Diese Entscheidung traf Trurull selbst.

      Er wartete einige Augenblicke. Korsab wagte es nicht noch einmal, ihn anzusprechen. Gut.

      Huldvoll wandte sich Trurull ihm zu. »Willkommen. Was führt dich zu mir, zu dieser ungewöhnlichen Zeit?«

      »Eine Dringlichkeitsnachricht, Herr.« Korsab fühlte sich sichtlich unwohl in seinem Pelz. Die schwarzen Locken glänzten matt, er schwitzte also.

      Trurull wusste, wieso: Korsab musste seinen Torrov auf ein vermeintliches Versäumnis hinweisen. Eine heikle Situation, und Trurull hatte nicht vor, ihn aus dem Dilemma zu befreien.

      »Aus dem Skiwsystem«, fuhr Korsab fort.

      Noch immer reagierte Trurull nicht.

      »Sie ist seit heute Morgen ungeöffnet.« Korsabs Stimme näherte sich einem Winseln an.

      »Ich weiß«, sagte Trurull leutselig. »Sag mir, Korsab, glaubst du, mir würde so etwas entgehen?«

      Sein Stellvertreter wand sich. »Sicherlich nicht, Torrov!«

      »Dann ist dir klar, dass ich von der Nachricht weiß.«

      »Ich war mir dessen völlig sicher, Herr!«

      Trurull zeigte seine Zähne. »Und warum störst du mich dann?«


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