Atlan 465: Eine Handvoll Freiheit. Detlev G. Winter

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Atlan 465: Eine Handvoll Freiheit - Detlev G. Winter


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Auch Olken weiß es. Zugeben will er es noch nicht. So viel Aufwand und Hoffnung haben sie investiert. Und alles war umsonst.

      Dann, plötzlich, unerwartet, überraschend – wie ein Blitz in der Dunkelheit und ein Schrei in der Stille ...

      »Da ist es!«

      Yeers schreckt auf. Er vernimmt Olkens Worte, ohne sie zu registrieren. Euphorischer Aufruhr beherrscht ihn. Symbolisch beginnt der dunkle Raum für ihn zu leuchten. Fast empfindet er Ehrfurcht, gepaart mit Zufriedenheit und Genugtuung.

      »Das Zeichen ...!«

      1.

      Sehen, sprechen und befehlen konnte er. Er war in der Lage, andere Wesen von sich fernzuhalten, sie in gewissen Grenzen zu beeinflussen und ihre Gefühle zu manipulieren. Ihm zur Seite stand eine Heerschar von Robotern, die nur ihm gehorchten.

      Über eine Reihe von Bildschirmen konnte er die Vorgänge im Sternenschiff beobachten, konnte sich Außenaufnahmen und technische Daten, Ortungs- und Tasterimpulse überspielen lassen. Reden konnte er mit Hilfe synthetischer Stimmbänder, die durch ein kompliziertes, halb organisches System aktiviert wurden. Seine Befehle erteilte er über eine Lautsprecheranlage, und über Funk wies er die Roboter an, die seine Anweisungen befolgten.

      Er hätte zufrieden sein können, denn trotz aller körperlichen Mängel besaß er die Macht. Dies war sein Schiff. Er allein bestimmte den Kurs und die durchzuführenden Manöver. Tatsächlich war er manchmal glücklich – wenn er sah, wie alles nach seinen Wünschen verlief, wenn er feststellte, wie jede Maschine und jedes Lebewesen an Bord sich seinen Ansprüchen unterordnete und ihm gehorchte.

      Ein anderes Mal dagegen konnte er sich selbst hassen, wenn ihm schmerzhaft deutlich wurde, dass er körperlich jedem anderen Geschöpf unterlegen war, dass er zwar denken und lenken, aber nicht handeln konnte.

      Ein Impuls jagte durch seine Nervenbahnen. Ein Sektor seines Gehirns war bestrebt, Spontaneität zu erzeugen, wollte ihn aufspringen und fahrige Gesten machen lassen. Seine Wangen hätten sich röten und seine Glieder zittern müssen.

      Aber nichts an seinem Äußeren veränderte sich.

      Er war verdammt zur Bewegungslosigkeit, unfähig, Gefühle und Gedanken in Gesten und spezifischen Verhaltensweisen auszudrücken. Er sah das Wesen, das auf dem Monitor abgebildet war, hörte dessen Worte und spürte, wie sein Innerstes aufgewühlt wurde. Aber er vermochte Enttäuschung und Wut nicht sichtbar zu übertragen.

      Nur schreien konnte er.

      »Sie ist ... was?«

      Der Schatten auf dem Bildschirm bewegte sich etwas zur Seite. Es war Ausdruck der Verlegenheit.

      »Sie ist zerstört«, wiederholte er. »Sämtliche Daten sind vernichtet.«

      »Wie konnte das geschehen?« Der Kommandant der ZIEMEN sprach bereits ruhiger. »Wie ist das möglich?«

      »Verschiedene Umstände sind dafür verantwortlich«, erklärte der Scuddamore. »Zwei Fremde, deren Geist stark genug war, Länerths Traumprojektionen zu widerstehen und sich sogar daraus zu befreien, haben das Mittlere Fort ins Chaos gestürzt.«

      »Was hat das mit der Kartei Gär zu tun!«, rief der Kommandant. »Das Archiv befindet sich meines Wissens im Äußeren Fort.«

      »Das ist richtig ...«

      »Rede, Scuddamore! Was hat sich sonst noch zugetragen?«

      »Unser Chefwissenschaftler, ein Mann namens ...«

      »Quärnt, ich kenne ihn«, unterbrach der Kommandant ungeduldig. »Weiter!«

      »Nun – als wir befürchten mussten, dass die Unruhe, die die Fremden erzeugten, um sich greifen würde, hat er die Selbstvernichtung der Kartei vorbereitet. Obwohl die Daten, die im Äußeren Fort gespeichert waren, niemals ernsthaft in Gefahr gerieten, in unbefugte Hände zu gelangen, hat Quärnt in einem Moment der Panik den Zerstörungsimpuls abgesetzt.«

      Erbittert schloss der Kommandant die Augen. Er hatte sich von dem Abstecher nach Breisterkähl-Fehr viel erhofft, und nun musste er erfahren, dass die Kartei Gär, in der Daten über alle bekannten Völker des Marantroner-Reviers gespeichert waren, nicht mehr existierte. Damit war er bei der Erfüllung seines Auftrags um ein gehöriges Stück zurückgeworfen worden.

      »Einer der Fremden war Atlan?«, vermutete er.

      »So nannte er sich«, bestätigte der Scuddamore.

      Atlan, immer wieder Atlan! Der Name dieses Mannes schien mit dem Niedergang der Ordnung im Marantroner-Revier in untrennbarem Zusammenhang zu stehen. Zweimal war der Kommandant ihm begegnet, beide Male hatte er geglaubt, den Fremden für alle Zeiten unschädlich gemacht zu haben, und beide Male hatte er sich getäuscht.

      »Wirst du uns abholen lassen?«, fragte der Scuddamore und erinnerte den Kommandanten daran, dass er Wichtigeres zu tun hatte, als verpassten Gelegenheiten nachzutrauern.

      »Nein«, sagte er. »Ihr solltet euch darum kümmern, dass die Anlagen wieder instand gesetzt werden.«

      »Wir haben Schwierigkeiten«, bekannte der Scuddamore freimütig. »Einige stellen sich offen gegen uns und versuchen, unsere Aufbauarbeiten zu sabotieren. Die Situation nähert sich einer Revolte, und wir wissen nicht, wie lange wir noch im Sinn des Neffen werden handeln können.«

      »Das weiß man nirgendwo«, wies der Kommandant das Ansinnen ab. »Auf allen besiedelten Planeten des Reviers ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten. Ihr müsst selbst sehen, wie ihr damit fertig werdet.«

      Der Schatten auf dem Bildschirm bewegte sich unruhig.

      »Warum greift Chirmor Flog nicht ein? Er hat doch die Macht, in seinem Herrschaftsbereich für Ruhe und Ordnung zu sorgen.«

      »Der Neffe ist verschollen«, eröffnete der Kommandant. »Wahrscheinlich ist er tot.«

      Wenn den Scuddamoren die Nachricht überraschte, so ließ er es sich nicht anmerken. Durch den Schattenschild, der seine wahre Gestalt verbarg, konnte man ohnehin nie sicher sein, was gerade in ihm vorging.

      »Und du?«, setzte er abermals an. »Was ist mit dir? Ich erkenne an den Tasterbildern, die mir übermittelt werden, dass du kein Organschiff befehligst. Deine Einheit gehört der Flotte eines Koordinators der Ewigkeit an. Kann er nichts unternehmen?«

      »Nein«, sagte der Kommandant.

      »Warum nicht?«, drängte der Scuddamore. Alle seine Worte deuteten darauf hin, dass auf dem Planeten wirklich die Hölle los sein musste. »Warum will uns niemand helfen?«

      »Ich kann dir nicht helfen. Die ZIEMEN ist allein unterwegs. Sie gehört keinem Verband an.«

      »Und der Koordinator? Wo ist er?«

      Der Kommandant genoss den Moment des lauernden Schweigens, den er erzeugte, indem er die Antwort hinauszögerte. In diesem Augenblick fühlte er wieder seine Überlegenheit, vergaß er alle körperlichen Mängel und kostete das Überraschungsmoment voll aus. Dann sagte er:

      »Ich bin der Koordinator.«

      *

      Seinen richtigen Namen hatte er längst vergessen. Er nannte sich Faderkyhl; das klang zumindest nootisch und mochte in etwa dem nahe kommen, wie man ihn früher angeredet hatte. Er machte sich nicht einmal die Mühe, den zweiten Namensbestandteil zu rekonstruieren.

      Es war auch nicht wichtig.

      Von jedem Volk hielt sich nur ein Vertreter an Bord des Sternenschiffs auf. Es gab einen Camagur, einen Krejoden, einen Tamater und etliche andere. Wie sie heißen, war zweitrangig. Zur Unterscheidung jedes einzelnen gereichte das jeweils unterschiedliche Äußere.

      Er, Faderkyhl, war der Noot.

      Er war zufrieden – mit sich, den Umständen, den anderen. Eine ungezwungene Fröhlichkeit beherrschte ihn, wenn er sich über belanglose Dinge unterhielt, wenn er allein oder in einer Gruppe durch die Lagerhallen spazierte,


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