Atlan 74: Das Imperium der Gauner. Kurt Mahr
Читать онлайн книгу.entweder falsch nach Quinto-Center gemeldet worden waren, oder Ronald Tekener hatte sich wirklich ein Ding geleistet, das man ihm nach seiner langen, fast makellosen Karriere kaum zutrauen würde.
Warum zum Beispiel hatte er es bis jetzt nicht für nötig gehalten, Atlan über den wahren Verlauf der Ereignisse in Kenntnis zu setzen? Wie kam es, dass der Gauner Phoras von Chatron, der doch in der Sache recht dick dringesteckt zu haben schien, immer noch frei herumlief? Und was war aus Baer Tahoon, Tekeners Stellvertreter, und seinen beiden Assistenten geworden, die laut Kennons Aussage seit dem Morgen des 4. Novembers spurlos verschwunden waren?
Es gab so viele Fragen, dass Tulaire seinen eigentlichen Auftrag, nämlich die Besprechung des Ferrol-Einsatzes, allmählich in den Hintergrund treten ließ. Wichtiger war zuerst, Aufklärung über die jüngsten Vorkommnisse auf Satisfy zu erhalten. Unmittelbar nach der Landung würde er sich mit Tekener in Verbindung setzen.
Die KAPO-III stand jetzt nur noch acht Kilometer über dem Landefeld von Satisfy, das westlich der Kuppel eins lag. Trotz der geringen Höhe war die Rundung des Horizonts deutlich zu erkennen. Satisfy war ein öder Felsbrocken gewesen, als Tekener und Kennon sich hier niederließen und die interstellare Gangsterwelt anzulocken begannen. Die drei Kuppeln bildeten ein rechtwinkliges Dreieck, das auf einer steinigen Ebene am Fuße einer wildzerklüfteten Gebirgskette lag. Kuppel Nummer eins enthielt das Verwaltungszentrum der UHB und der planetarischen Regierung. Kuppel zwei war dem Geschäftsverkehr vorbehalten. Dort befanden sich Banken, Läden, Werkstätten und dergleichen mehr. Kuppel drei schließlich diente der Erholung und dem Vergnügen. In Kuppel drei befand sich auch das Hospital, in dem Tekener dank des Geschicks der Ara-Ärzte vor dem Tode bewahrt worden war. Nur Eingeweihte wussten, dass es außer den drei Kuppeln, dem Raumhafen und dem Fusionskraftwerk, das weit außerhalb der Siedlung lag, noch eine weitere Installation gab, die zwar nicht an Umfang, doch aber an Vielfalt der Ausstattung die Gesamtheit der gewiss nicht anspruchslosen drei Kuppeln weit übertraf. Es handelte sich um eine unterirdische Anlage, die von denen, die sie kannten, »die Sonde« genannt wurde. Sie befand sich unterhalb des Dreiecks, das von den Kuppeln gebildet wurde, und stellte einen vollwertigen USO-Stützpunkt dar. In ihr liefen die Fäden zusammen, die Tekener und Kennon auf der Oberfläche ihres Planetoiden spannen. Hier war die Nervenzentrale des Unternehmens, das, als Unabhängige Hilfsinstitution getarnt, dafür zu sorgen hatte, dass der USO ein nie versiegender Strom wichtiger Informationen zufloss.
Die KAPO-III landete mit der Sanftheit, die den gut funktionierenden Autopiloten auswies. Die Passagiere, insgesamt acht an der Zahl, versammelten sich vor der Hauptschleuse auf dem Äquatorialdeck. In wenigen Augenblicken würde von außen die Schlauchfeldverbindung angelegt werden, die die Verbindung mit der vollklimatisierten Zubringerstraße zur Kuppel eins herstellte.
Das Wiesel machte sich an Tulaire heran.
»Versprechen Sie sich gute Geschäfte auf Satisfy?«, erkundigte er sich unverblümt.
Tulaire grinste. Er machte einen gutmütigen, schwerfälligen Eindruck auf Leute, die ihn nicht sonderlich gut kannten, das wusste er. Sonnef war der Mann, der keine Gelegenheit verstreichen lassen konnte, ohne die vermeintliche Gutmütigkeit auszunützen.
»Wie's kommt, so wird's genommen«, antwortete Tulaire und machte mit der Hand eine wiegende Bewegung, die die Launen des Zufalls andeuten sollte.
»Sind Sie dort gut bekannt?«, fuhr Sonnef in der Befragung fort.
»Einigermaßen«, bekannte Tulaire.
»Ich dachte mir nur ...«
Das Wiesel zögerte einen Augenblick.
»Wissen Sie, man ist seiner Sache nie hundertprozentig sicher«, beendete er schließlich den angefangenen Gedankengang. »Ich meine, man weiß nie, was Phoras von Chatron so von meinen Vorschlägen hält. Und da dachte ich mir ... wissen Sie ... Sie mit Ihren Beziehungen ...«
Er ließ auch diesen Satz in der Luft hängen, und Marcor Tulaire machte sich einen Spaß daraus, ihn zappeln zu lassen. Er lächelte freundlich.
»Ich meinte ...«, unternahm das Wiesel einen neuen Ansatz, »dass Sie ... mir vielleicht helfen könnten ... auf Satisfy unterzukommen. Verstehen Sie?«
Tulaire nickte.
»Ich kann nichts versprechen«, antwortete er. »Aber versuchen kann man's allemal. Wenden Sie sich an mich, wenn Sie bei Phoras kein Glück haben.«
Sonnef strahlte über das ganze spitzmausähnliche Gesicht.
»Großartig! Vielen Dank! Ich weiß so was zu schätzen.« Und abrupt ernster werdend: »Wo kommen Sie unter?«
»Kuppel zwei, Hotel Interstellar. Erkundigen Sie sich ruhig nach mir. Man kennt mich dort.«
Das Wiesel machte große Augen. Das Interstellar auf Satisfy war weitbekannt. Es nahm für sich in Anspruch, den besten Service im Umkreis von zehntausend Lichtjahren zu geben. Dass es im selben Umkreis auch bei weitem die höchsten Preise forderte, wurde in der Werbung gewöhnlich verschwiegen.
Sonnef kam jedoch nicht dazu, eine weitere Bemerkung zu machen. Das Schleusenluk öffnete sich, und die Passagiere drängten sich in die Schlauchfeldverbindung.
In der unterirdischen Empfangshalle herrschte erheblicher Betrieb. Zahllose Neugierige waren gekommen, um die Neuankömmlinge zu mustern. Marcor Tulaire, der sich hier auskannte, zwängte sich zwischen den Gaffern hindurch und betrat eine Bandstraße, die in Richtung Kuppel eins zur Anmeldestelle führte. Die Formalitäten waren schnell erledigt. Tulaire war im Besitz hervorragender Ausweise, die der Melderobot innerhalb weniger Sekunden für gültig erklärte. Tulaire erhielt daraufhin eine zusätzliche Ausweiskarte, die ihn zu zehntägigem Aufenthalt auf Satisfy berechtigte.
Er fuhr weiter zur Kuppel zwei und wurde von der Leitung des Hotels Interstellar wie ein lange vermisster Freund begrüßt. Tulaire machte sich nichts daraus. Die Hotelleitung setzte sich in der Hauptsache aus degenerierten Arkoniden zusammen, denen überschwängliche Freundlichkeit und speichelleckende Höflichkeit längst zur zweiten Natur geworden war. Er überzeugte sich der Form halber, dass sein Gepäck von der KAPO-III schon angefahren worden war, und begab sich sodann auf seine aus drei Räumen bestehende Suite, die im einundvierzigsten Stockwerk lag und für die er pro Tag den stolzen Preis von zwölfhundert Solar zu entrichten hatte – ohne Mahlzeiten.
Im Hotel hielt es ihn nur eine kurze Zeit. Er war bald wieder unterwegs, und zwar hielt er sich in Richtung des zentralen Platzes, der den pompösen Namen Platz der Unabhängigkeit trug, und betrat dort ein mittelgroßes Bürogebäude. Im Erdgeschoss fand er eine Tür mit der Aufschrift:
Liintel & Taripides
Spezialisten für Bestattungsethik
und trat dort ein. Im Vorzimmer erkundigte sich eine verführerisch aussehende junge Dame nach seinem Begehr. »Ich interessiere mich für ein Begräbnis nach altlemurischem Ritus«, antwortete Tulaire, ohne mit der Wimper zu zucken.
Die junge Dame, ebenfalls völlig ernst, verlangte zu wissen:
»Meinen Sie da die Epoche Zeut-3 oder Lemur-1?«
Und Tulaire erklärte mit Nachdruck:
»Ich meine Zeut-0, also die allerälteste Epoche.«
Damit war er ausgewiesen. Die junge Dame drückte auf einen Knopf, woraufhin sich eine Tür im Hintergrund des Raumes öffnete. Tulaire trat ohne Zögern hindurch. Das Zimmer jenseits der Tür erwies sich als eine kleine, völlig unmöblierte Kammer, deren Boden sich rasch unten hin in Bewegung setzte, nachdem sich die Tür hinter dem bärenhaften Terraner geschlossen hatte.
Tulaire grinste vor sich hin. Die Zeremonie, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, war nach seinem Geschmack. Die Zugänge zur »Sonde« waren über alle drei Kuppeln verteilt. Fast ohne Ausnahme waren sie im Hintergrund eines Büroraumes angebracht, in dem einer oder auch zwei Angestellte offizielle Vertreter des auf dem Türschild ausgewiesenen Unternehmens zu sein vorgaben. Die Unternehmen hatten die merkwürdigsten Titel und befassten sich ohne Ausnahme mit äußerst verschrobenen Dingen. Die Angestellten waren USO-Spezialisten niederer