Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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kämp­fen und aus­har­ren bis ans Ende: das von Euer Gna­den und mei­nes sind nicht mehr fern.« Hier­auf setz­te sich Phil­ipp Lud­wig an sei­nen Schreib­tisch und for­der­te von sei­nem Soh­ne eine run­de, of­fe­ne Er­klä­rung, die denn auch er­folg­te. Wolf­gang Wil­helm und Mag­da­le­na schrie­ben zu­sam­men in höf­li­chen, ent­schie­de­nen Wor­ten, dass es so sei und nicht an­ders sein kön­ne und dass sie hoff­ten, der Va­ter wer­de es ihm, Wolf­gang Wil­helm, nicht ver­ar­gen, dass er nach sei­ner Über­zeu­gung ge­han­delt habe.

      Das Blatt zit­ter­te in den Hän­den des al­ten Man­nes, wäh­rend er las, und die Trä­nen be­gan­nen ihm lang­sam über das Ge­sicht zu lau­fen. Sein Herz war so hart ge­schla­gen, dass er nicht ein­mal in der Bi­bel Trost fin­den konn­te. Nicht nur der Ab­fall sei­nes Soh­nes war es, der ihn be­küm­mer­te, son­dern der Ge­dan­ke an die bit­te­ren Fol­gen, die für sei­ne ar­men Un­ter­ta­nen dar­aus er­wach­sen muss­ten, wenn der Ab­trün­ni­ge ih­nen sei­nen Irr­glau­ben auf­zwin­gen wür­de. Vie­le Stun­den ver­brach­te er in lei­sem Ge­spräch mit sei­ner Frau, lan­ge saß er aber auch al­lein, von ei­nem dro­hen­den Schwall teuf­li­scher Zwei­fel ge­ängs­tigt. Wa­rum ließ Gott es zu, dass die Ar­beit sei­nes Le­bens zu­nich­te ge­macht wer­de, sein Gärt­lein, in dem er das Un­kraut des Un­glau­bens und des Las­ters aus­ge­jä­tet, wo er Fröm­mig­keit, Ord­nung und Tu­gend ge­sät und auf­ge­hen ge­se­hen hat­te, von sei­nem ei­ge­nen Soh­ne ver­wüs­tet wur­de? Er hat­te ge­glaubt, der Se­gen Got­tes ruhe auf sei­nem Ta­ge­werk, und nun soll­te sein bre­chen­des Auge es schei­tern se­hen. War es eine ihm auf­er­leg­te Prü­fung, wie konn­te Gott den Ver­lust so vie­ler See­len da­mit ver­bin­den?

      Den ernst­li­chen Vor­stel­lun­gen Heil­brun­ners, man müs­se sich dem Ver­häng­nis Got­tes auch dann un­ter­wer­fen, wenn man es nach sei­nem schwa­chen mensch­li­chen Ver­stan­de nicht be­grei­fe, füg­te er sich, in­so­fern er nicht laut klag­te; an­statt des­sen be­schäf­tig­te er sich in großer Un­ru­he da­mit, das Un­heil, so viel an ihm war, von sei­nem Lan­de ab­zu­wen­den. Nach­dem er dem Soh­ne in erns­ten Wor­ten sein Un­recht vor­ge­hal­ten hat­te, for­der­te er von ihm ein bün­di­ges Ver­spre­chen, in sei­nem vä­ter­li­chen Er­b­lan­de die Augs­bur­gi­sche Kon­fes­si­on nicht an­tas­ten noch aus­län­di­sche Be­am­te dort ein­füh­ren zu wol­len, wel­ches Wolf­gang Wil­helm nach lan­gem Zö­gern auch gab, da­bei die Un­ver­brüch­lich­keit ei­nes Fürs­ten­wor­tes be­to­nend. Dann band er sei­nem zwei­ten und sei­nem drit­ten Soh­ne, Au­gust und Jo­hann Fried­rich, aufs Herz, dem rei­nen Glau­ben, in dem sie auf­er­zo­gen wä­ren, un­er­schüt­ter­lich an­zu­han­gen, sich durch kei­nen ir­di­schen Vor­teil, Be­dro­hung oder Ver­lo­ckung ab­wen­dig ma­chen zu las­sen, auch stets für ihre Un­ter­ta­nen, wenn die­se etwa trotz al­ler Ver­trä­ge von Wolf­gang Wil­helm be­drängt wer­den soll­ten, vä­ter­lich zu sor­gen und ein­zu­sprin­gen, da Gott die See­len der Un­ter­ta­nen von den Fürs­ten for­dern wer­de. Au­gusts auf­rich­ti­ger Blick und treu­es Wort be­ru­hig­ten ihn über des­sen Zu­kunft, für den schwa­chen und et­was ver­gnü­gungs­süch­ti­gen Jo­hann Fried­rich da­ge­gen muss­te der äl­te­re Bru­der die Verant­wor­tung mit über­neh­men. Heil­brun­ner und die üb­ri­gen Geist­li­chen er­hiel­ten den Auf­trag, an je­dem Sonn­tag die Ge­mein­de auf die be­vor­ste­hen­de Ge­fahr auf­merk­sam zu ma­chen und sie zur Glau­ben­streue zu ver­mah­nen. Es herrsch­te im gan­zen Länd­chen Be­trüb­nis und Sor­ge, und aus frei­en Stücken be­te­ten alle täg­lich, Gott möge ih­ren from­men Fürs­ten er­hal­ten und das Übel von ih­nen ab­wen­den.

      Nichts­de­sto­we­ni­ger ging das Le­ben des schon lan­ge gicht­lei­den­den al­ten Fürs­ten schnell zur Nei­ge. Er än­der­te nichts in sei­ner Le­bens­füh­rung, stand in der Mor­gen­frü­he auf, aß zur Mit­tags­zeit sei­nen Brei, ob­wohl er ihm fast zu­wi­der war, ar­bei­te­te mit sei­nen Rä­ten und las zur be­stimm­ten Stun­de in der Bi­bel; aber sei­ne An­ge­hö­ri­gen sa­hen ihn oft mit­ten in der Be­schäf­ti­gung ein­schla­fen oder leer vor sich hin stie­ren, wäh­rend ihm Trä­nen aus den Au­gen schli­chen. In den ers­ten Ta­gen des Au­gust ließ er die Frömms­ten und Red­lichs­ten aus der Bür­ger­schaft, wie die Pre­di­ger sie vor­schlu­gen, zu sich auf das Schloss for­dern, um ih­nen Maß­re­geln für ihr Ver­hal­ten nach sei­nem Tode zu ge­ben. Sie wür­den nun bald, re­de­te er sie an, eine Her­de ohne Hir­ten sein und könn­ten leicht den Wöl­fen, die je­der­zeit um­gin­gen, zur Beu­te fal­len. Zwar wür­den sei­ne Söh­ne ih­nen fürst­lich und ge­treu­lich vor­ste­hen, und Heil­brun­ner wür­de ih­nen nach wie vor Got­tes Wort aus­le­gen und sie zum Gu­ten an­hal­ten, aber sie wüss­ten ja­wohl auch, wie böse die Zeit­läuf­te wä­ren, wel­che Macht der Teu­fel auf Er­den be­sä­ße und wie weit der päpst­li­che An­ti­christ sei­ne Sch­lin­gen wür­fe. Da müss­ten sie denn auch selbst mit Be­stän­dig­keit ge­wapp­net sein, wenn sie die Prü­fung be­ste­hen und der­einst den Him­mel ge­win­nen woll­ten. Da­nach frag­te er vie­le von ih­nen ein­zeln, wie sie sich ver­hal­ten wür­den, wenn sie mit Ge­walt zur Mes­se ge­zwun­gen wer­den soll­ten, ob sie sich fü­gen oder Hab und Gut preis­ge­ben, aus­wan­dern und ihre ir­di­sche Zu­kunft Gott an­heim­ge­ben woll­ten. Ei­ni­ge Män­ner sag­ten, sie hoff­ten das Bes­te, aber lands­frem­de Bett­ler wür­den nir­gends gern ge­se­hen, man müs­se auch für Weib und Kind Sor­ge tra­gen; ei­ni­ge Frau­en, sie wür­den sich nach dem Wil­len ih­rer Män­ner ver­hal­ten; aber ein paar alte Män­ner und alte Wit­wen sag­ten, von Got­tes Wort wür­den sie nicht las­sen, soll­ten sie auch dar­über Leib und Gut ver­lie­ren müs­sen, und sie wür­den dem Her­zog gleich die Hand dar­auf ge­ben.

      Er wis­se wohl, dass die Prü­fung hart sei, sag­te Phil­ipp Au­gust, aber himm­li­scher Lohn har­re des Über­win­ders, und er wol­le auch hier und dort für sie be­ten. Dann präg­te er ih­nen ein, sei­nen Söh­nen Ge­hor­sam zu leis­ten, wenn er bald nicht mehr sein wer­de, und sag­te ih­nen Le­be­wohl, wor­auf alle un­ter herz­zer­bre­chen­dem Schluch­zen aus­ein­an­der­gin­gen.

      Ei­ni­ge Tage spä­ter fiel der alte Her­zog beim Auf­ste­hen in Ohn­macht, er­hol­te sich aber wie­der und ließ sich vollends an­klei­den, wenn­schon die Ärz­te Be­den­ken äu­ßer­ten und Fa­mi­lie und Die­ner­schaft sich kopf­schüt­telnd dar­an er­in­ner­ten, dass man den 12. Au­gust schrieb, also ge­ra­de drei Mo­na­te nach dem Über­tritt Wolf­gang Wil­helms in Düs­sel­dorf ver­flos­sen wa­ren. Wie all­täg­lich nahm er dann an ei­ner Sit­zung der Räte teil und ließ sich von Heil­brun­ner ein Ka­pi­tel aus der Bi­bel er­klä­ren, um doch für alle Fäl­le auf das Ende vor­be­rei­tet zu sein. Beim Mit­ta­ges­sen, das bald nach zehn Uhr statt­fand und an dem sei­ne Ge­mah­lin, sei­ne Söh­ne, Heil­brun­ner und ein Arzt teil­nah­men, leg­te er plötz­lich den Löf­fel aus der Hand und schlief ein, um nicht mehr zum Le­ben zu er­wa­chen.

      Der To­des­fall rief un­end­li­chen Jam­mer im neu­bur­gi­schen Lan­de her­vor; nun, hieß es im Vol­ke, wür­de man das Schick­sal des be­nach­bar­ten Do­nau­wörth er­lei­den, wo die Schlech­ten, die ih­ren Glau­ben ver­rie­ten, An­stel­lun­gen und Äm­ter er­hiel­ten und straf­los die Bes­se­ren quä­len und un­ter­drücken dürf­ten. Es wa­ren in den letz­ten Jah­ren vie­le Do­nau­wör­ther nach Neu­burg ge­zo­gen, und die­se sa­hen nun kom­men, dass ih­res Blei­bens auch hier nicht wäre, son­dern dass sie wei­ter­wan­dern müss­ten, är­mer und hoff­nungs­lo­ser als zu­vor.

      Im Fe­bru­ar des fol­gen­den Jah­res, näm­lich 1615, hielt Wolf­gang Wil­helm


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