Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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zwei­fel­te, ob er sich von ei­nem sol­chen dür­fe be­han­deln las­sen, und bot ihm viel Geld, falls er vor­her zum Chris­ten­tum über­tre­ten woll­te. Der Jude ant­wor­te­te höh­nisch, er sei dazu be­reit, wenn der Kur­fürst her­nach aus Dank­bar­keit den jü­di­schen Glau­ben an­neh­men woll­te, so sei auf bei­den Sei­ten nichts ge­won­nen und nichts ver­lo­ren; Geld habe er ge­nug, ver­lan­ge auch kei­ne Be­zah­lung für die Kur, die er nur vor­neh­men wür­de we­gen des Ver­gnü­gens, einen so treu­en Va­sal­len des Kai­sers ge­sund zu ma­chen. Hin­ge­gen ge­lang es, die Frau des Ju­den zu be­ste­chen, dass sie ih­rem Man­ne an dem be­tref­fen­den Tage ein ge­weih­tes, mit al­ler­lei Sprü­chen und Amu­let­ten her­ge­rich­te­tes Hemd an­prak­ti­zier­te, in wel­chem er den Erz­bi­schof ohne Scha­den un­ter­such­te, ein­salb­te, mit heil­sa­men Trop­fen ver­sah und so weit wie­der her­stell­te, dass er nach Hau­se rei­sen konn­te. Doch wur­de der einst so schö­ne, ma­je­stä­ti­sche und hei­te­re Fürst die schwer­mü­ti­gen Ge­dan­ken nicht wie­der los, be­fürch­te­te auch im­mer den Aus­bruch der Hunds­wut und straf­te sich selbst, dass er aus Sor­ge um sein ge­mei­nes ir­di­sches Le­ben sich von ei­nem Ju­den hat­te ku­rie­ren las­sen, der den Hei­land ge­kreu­zigt hat­te.

      Gro­ßes Är­ger­nis gab ein Mann, der in Tracht und Ge­bär­den ei­nes Quack­sal­bers wäh­rend der Wahl­ta­ge al­ler­lei Ge­gen­stän­de an die Meist­bie­ten­den ver­kauf­te, wor­un­ter eine aus Blech ver­fer­tig­te und mit bun­tem Glas ver­zier­te Kro­ne war; die­sel­be war so nett und künst­lich ge­macht, auch würz­te der Mann den Han­del mit so ge­fäl­li­gen Spä­ßen, dass er eine große Sum­me Geld da­mit er­ziel­te. Der, wel­chem sie zu­ge­schla­gen wur­de, band die Kro­ne ei­nem schä­bi­gen Pu­del auf den Kopf, der da­mit durch die Stra­ßen lief, bis der Rat dem Un­fug ein Ende mach­te, ohne aber der Schul­di­gen hab­haft wer­den zu kön­nen. Der Ver­dacht fiel auf die in Frank­furt an­säs­si­gen Nie­der­län­der, die auch die letz­te Re­bel­li­on an­ge­zet­telt ha­ben soll­ten, weil die rei­chen Bür­ger und Han­dels­leu­te sie we­gen des Wett­be­werbs und an­de­rer Miss­stän­de nicht lei­den woll­ten.

      Der nun­meh­ri­ge Kai­ser Fer­di­nand ließ sich al­les dies nicht an­fech­ten, son­dern nahm die un­ter so großen Schwie­rig­kei­ten er­folg­te Wahl als ein Zei­chen Got­tes, dass er we­gen an­e­rerb­ter und an­ge­bo­re­ner Tu­gen­den zum Welt­re­gi­ment und na­ment­lich zur Wie­der­her­stel­lung der ka­tho­li­schen Re­li­gi­on aus­er­le­sen sei und eben­so wun­der­bar zum Sie­ge über die Böh­men wer­de ge­führt wer­den. Zu­nächst reis­te er zu bes­se­rer Be­fes­ti­gung der Freund­schaft und Ab­ma­chung ge­gen­sei­ti­ger Ver­trags­leis­tung nach Mün­chen, wo der Her­zog den ho­hen Gast eh­ren­voll emp­fing, ihm sei­ne Re­si­denz und Kunst­schät­ze zeig­te, sich aber in Be­zug auf die Ge­schäf­te kalt­her­zig zu­rück­hielt. Als Fer­di­nand ihm ver­trau­lich sag­te, wenn er nur wol­le, so könn­ten sie mit­ein­an­der das Un­kraut der Ket­ze­rei aus­rot­ten, sie bei­de und sein Schwa­ger in Spa­ni­en wür­den gleich­sam eine ir­di­sche Drei­ei­nig­keit bil­den, der sich al­les un­ter­wer­fen müs­se, ant­wor­te­te Ma­xi­mi­li­an, die Tri­ni­tät sei ein himm­li­sches Mys­te­ri­um, auf Er­den habe je­der sei­nen ei­ge­nen Kopf und wol­le sei­nen ei­ge­nen Fut­ter­napf. Auch Fer­di­n­ands wei­te­re Erin­ne­run­gen, sie zwei hät­ten doch von je­her nur ein Herz und Haupt ge­habt, auch hät­ten sei­ne Mut­ter und Ma­xi­mi­lians Va­ter sie oft er­mahnt, wie Brü­der zu­sam­men­zu­hal­ten, ver­an­lass­ten ihn nur zu ei­ner ge­mes­se­nen Er­klä­rung, er wer­de sich al­le­zeit freund­vet­ter­lich und nach­bar­lich er­wei­sen. Die Ver­pfän­dung von Ober­ös­ter­reich be­tref­fend, ließ er sich end­lich nä­her her­aus, sei ihm we­nig mit ei­nem auf­stän­di­schen Lan­de ge­dient, das er erst mit vie­len Kos­ten zum Ge­hor­sam brin­gen und wie­der ab­tre­ten müs­se, wenn es ihm ge­ra­de einen Pro­fit ab­wer­fen wür­de. We­nigs­tens müs­se er für sei­nen Auf­wand einen ge­wis­sen Er­satz be­kom­men, und den kön­ne ihm Fer­di­nand ja in der Wei­se leis­ten, wenn Pfalz wirk­lich die böh­mi­sche Kro­ne an­näh­me und da­durch die Acht auf sich zöge, dass er ihm den Voll­zug der­sel­ben auf­trü­ge und au­ßer­dem die pfäl­zi­sche Kur­wür­de von der Hei­del­ber­ger Li­nie auf ihn und sei­ne Nach­kom­men über­trü­ge.

      So hoch hat­te sich Fer­di­nand den Preis, den Ma­xi­mi­li­an for­dern wür­de, doch nicht vor­ge­stellt und hielt sei­nen Schre­cken nicht zu­rück; nicht nur sämt­li­che evan­ge­li­sche Reichs­fürs­ten wür­den sich da­wi­der­set­zen, mein­te er, son­dern auch alle Kur­fürs­ten und viel­leicht so­gar der Papst und Spa­ni­en, denn ein sol­cher Be­sitz­wech­sel wür­de ge­mein­hin von nie­man­dem ger­ne ge­se­hen.

      Da­ge­gen sag­te Ma­xi­mi­li­an, wenn der Kai­ser es dar­auf an­kom­men las­sen woll­te, Böh­men zu ver­lie­ren, so sei das sei­ne Sa­che, er kön­ne sei­nem Lan­de die Las­ten ei­nes Feld­zu­ges nicht auf­bür­den, wenn er nicht ei­ner reich­li­chen Ent­schä­di­gung si­cher sei. Woll­ten die Reichs­fürs­ten sich sei­nes Vet­ters von der Pfalz wirk­lich an­neh­men, so sei ja er da, um sie zur Rä­son zu brin­gen, er be­fürch­te es aber nicht, Wor­te wä­ren heut­zu­ta­ge bil­lig wie Sand, Ta­ten aber sel­ten und kost­bar wie har­te Edel­stei­ne.

      Von ei­ner Jagd zu­rück­keh­rend, sa­ßen die bei­den Vet­tern in ei­ner Ni­sche des Schlos­ses zu Grün­wald über der Isar, die ihre mil­chi­gen Wel­len stür­misch zwi­schen den die stei­len Ufer lo­ckig krö­nen­den, sanft hin­ein­rau­schen­den Ei­chen­wäl­dern hin­führ­te. Fer­di­nand lob­te die aus­ge­dehn­ten Fors­te, die rei­che Jagd­ge­le­gen­heit und, zu ei­nem ge­gen­über­lie­gen­den Fens­ter tre­tend, die wei­ßen Ge­höf­te ei­nes Kirch­dorfs, die wie In­seln aus ei­nem Meer gol­den wo­gen­der Äcker rag­ten; das Him­mels­ge­wöl­be stand rund wie eine tö­nen­de, kris­tal­le­ne Glo­cke über dem ebe­nen Hoch­land. »Der Bo­den ist stei­nig«, sag­te Ma­xi­mi­li­an, »Obst und Wein trägt er nicht, aber Brot ge­nug in Frie­dens­zei­ten.« Das könn­te ihn die Pfalz leicht kos­ten, be­merk­te Fer­di­nand, ohne Krieg wür­de es da­bei nicht ab­ge­hen. »Der Krieg soll vie­le Län­der der an­de­ren fres­sen, ehe er an mei­nes kommt«, sag­te Ma­xi­mi­li­an stolz; »dar­auf­hin wag ich es.« Recht habe er, sag­te Fer­di­nand la­chend, wäh­rend sie sich zu ei­nem Trunk Bier wie­der in die Ni­sche setz­ten; den All­zu­be­denk­li­chen ge­ra­te nichts. Es möge im­mer­hin rings­um ein we­nig kra­chen, in die­sen Flu­ren wür­den Reb­hüh­ner und Ha­sen nicht aus­ge­hen noch ih­nen die Lust, sie zu ja­gen. Sie hät­ten ein gu­tes Ge­wis­sen und woll­ten sich den fro­hen Tag nicht durch Sor­gen um die Zu­kunft ver­gäl­len.

      Nach­dem die bei­den Fürs­ten in der Haupt­sa­che ei­nig ge­wor­den wa­ren, setz­ten die Räte einen Ver­trag auf, in wel­chem der Han­del mit Ober­ös­ter­reich, der Pfalz und der Kur­wür­de ein­zeln fest­ge­setzt wur­de, nicht ohne ge­gen­sei­ti­ge Ver­pflich­tung, die äu­ßers­te Heim­lich­keit dar­über zu be­wah­ren.

      Als der Kur­fürst von der Pfalz zum Kö­nig von Böh­men er­wählt war und trotz des Abra­tens sei­ner Mut­ter, sei­ner Räte und der Ver­wandt­schaft die Kro­ne an­ge­nom­men hat­te, trat er mit sei­ner Ge­mah­lin die Rei­se nach Prag an und wur­de an der böh­mi­schen Gren­ze von dem kal­vi­ni­schen Gra­fen Wen­zel von Bu­do­wa und ei­ni­gen an­de­ren Her­ren emp­fan­gen, die ihm von da bis zur Haupt­stadt das Ge­lei­te


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