Fettnäpfchenführer Schweden. Cornelia Lohs
Читать онлайн книгу.B. 801211), einer dreistelligen Geburtsnummer (Geburtsort und Hinweis ob männlich oder weiblich) sowie einer Kontrollziffer. So wie wir in Deutschland bei Kontoeröffnungen, Telefonanschluss und Vertragsabschlüssen jeglicher Art nach Name, Geburtsdatum und Geburtsort gefragt werden, fragt man in Schweden nach der Personnummer. Ohne die geht gar nichts. Die Nummer erhält jeder, der bei der Steuerbehörde ins zentrale Melderegister (folkbokföring) aufgenommen wird. Als Nichtschwede muss man dafür über ein Aufenthaltsrecht verfügen und mindestens seit einem Jahr in Schweden leben.
Katharina kann’s besser
Katharina hat gleich zu Beginn ihres Stockholm-Aufenthalts Bekanntschaft mit der bargeldlosen Gesellschaft gemacht. Den Umtausch von Euro in Kronen hätte sie sich sparen können. Bei künftigen Reisen nach Schweden wird sie sich allein auf ihre EC-und Kreditkarten verlassen, sich aber vorab bei diversen Kreditkartenanbietern (z. B. in einem Vergleichsportal) erkundigen, wie hoch die Gebühren bei einem Karteneinsatz im Nicht-Euro-Land Schweden sind.
DIE ENTWICKLUNG SCHWEDENS ZUR BARGELDLOSEN GESELLSCHAFT
In Gelddingen war Schweden schon immer allen anderen voraus: 1661 war es das erste Land in Europa, das Geldscheine als offizielles Zahlungsmittel einführte. Dreieinhalb Jahrhunderte später gehören die technikbegeisterten Schweden weltweit zu den Ersten, die es wieder abschaffen. Kein Land der Welt, auch nicht die kreditkartenverliebten USA, ist auf dem Weg in die bargeldlose Gesellschaft so weit fortgeschritten wie Schweden. Im Kampf gegen Münzen und Scheine wurde 2008 von Banken, Gewerkschaften und dem Verband des Einzelhandels die Kampagne »Bargeldlos jetzt« ins Leben gerufen, die mit Sätzen wie »Bargeld braucht nur noch deine Oma – und der Bank räuber« warben. Wichtigstes Argument: Ist in Läden und Banken kein Bargeld mehr vorhanden, verhindert das Raubüberfälle. Der Erfolg zeigte sich schnell: Gab es in Schweden 2007 noch 110 Banküberfälle, waren es zehn Jahre später nur noch fünf. In zahlreichen Bankfilialen können Kunden heute Bargeld weder abheben noch einzahlen, Geldautomaten wurden zum Großteil abgebaut. Von den 20 SEB-Niederlassungen in Stockholm verfügen nur noch zwei über kontant, das schwedische Wort für Bargeld. Seit 2018 denkt die Reichsbank über die Einführung von elektronischem Geld nach. Mit der »E-Krone« wäre Schweden das erste Land mit einer eigenen Digitalwährung.
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KATHARINA WILL ZU ABEND ESSEN
KOMISCH, DASS SIE ÜBERALL NUR MIDDAG BEKOMMT
Samstag, zweiter Tag in Stockholm. Es ist 18 Uhr, und Katharina plagt der Hunger. Emma ist schon seit dem Morgen mit ihrer Kamera unterwegs, und im Kühlschrank und in den Küchenregalen findet die junge Deutsche nichts, auf das sie auf Anhieb Appetit hätte. Der Kühlschrank ist zwar prall gefüllt, aber vieles von dem, was nicht eindeutig identifizierbar ist, kann Katharina nicht deuten, da sie kein Schwedisch spricht und nicht lesen kann, was auf den Verpackungen steht. Zudem weiß sie nicht, ob sie sich einfach so bedienen darf. Bisher war sie noch gar nicht dazu gekommen, ihre Vermieterin zu fragen, wie das mit der Küchenmitbenutzung gehandhabt wird. Ob Emma einkauft und sie sich finanziell beteiligt oder ob sie ihr eigenes Essen kauft.
Als Katharina am Morgen noch halb verschlafen in der Küche erschienen war, befand sich die Fotografin bereits auf dem Sprung und erklärte ihr nur kurz, wo sie Kaffee und die übrig gebliebenen Zimtschnecken vom Tag zuvor finden würde. »Aber wenn du lieber einen Espresso möchtest, dort im Schrank steht eine Dose mit Espresso-Bohnen, Kaffeemühle und Espressokanne findest du im Regal über der Spüle. Ein paar Schritte die Straße runter gibt es auch ein Espresso House mit leckeren Kaffeespezialitäten.« Mit einem hejhej, das die Schweden sowohl für Hallo als auch für Tschüss verwenden, verschwand Emma aus der Tür.
Katharina ging erst einmal duschen und schmiedete unter dem heißen Wasserstrahl Pläne für den Tag. Frisch geduscht, geschminkt und angekleidet bereitete sie sich einen Espresso zu und wärmte eine Zimtschnecke im Backofen auf. Anschließend verließ sie das Haus. An diesem Tag würde nur Sightseeing auf dem Programm stehen: Bis zum Mittag hatte sich Katharina die Altstadt (Gamla Stan) und Södermalm vorgenommen, am Nachmittag wollte sie ein paar Museen auf Djurgården besuchen.
Als sie gegen 17 Uhr in die Wohnung zurückkehrt, tun ihr die Füße furchtbar weh, so viel ist sie gelaufen. Ganze 21 Kilometer, wie ihr der Kilometerzähler auf ihrem iPhone anzeigt. Am Mittag hatte sie unterwegs ein Sandwich gegessen, seitdem nichts mehr. Ich hätte auf dem Rückweg etwas einkaufen sollen, schließlich bin ich an zahlreichen Supermärkten und Lebensmittelläden vorbeigelaufen, denkt sie nun, während sie mit hochgelegten Beinen an ihrem Schreibtisch sitzt.
Katharina quält sich von ihrem Stuhl, zieht ihre Jacke an und schnappt sich ihre Tasche. Sie verlässt die Wohnung und schlendert die Drottninggatan hinunter auf der Suche nach einem Restaurant, das auch Vegetarisches auf der Speisekarte anbietet. Nach wenigen Metern sieht sie auf der anderen Straßenseite ein Restaurant, das recht einladend aussieht. Vor der Eingangstür steht ein Schild, auf dem die »Middag«-Gerichte aufgezählt sind. Middag kann ja nur »Mittag« heißen, denkt Katharina und wundert sich, dass es um 18 Uhr noch Mittagstisch gibt. Leider steht unter den Gerichten keine englische Übersetzung, sodass Katharina nicht weiß, was da überhaupt serviert wird. Sie geht weiter und bleibt vor einem italienischen Restaurant stehen. Auch da preist ein Schild vermeintliche Mittagsgerichte an. Aber zumindest steht hier die englische Übersetzung dabei. Das einzig rein Vegetarische ist Pizza, und darauf hat Katharina nun überhaupt keinen Appetit. Und nur einen Salat zu essen ist ihr zu mickrig.
Also sucht sie weiter. Komischerweise bieten alle Restaurants Mittagstisch an. Andere Länder, andere Sitten, denkt Katharina. Vielleicht werden samstags generell bis abends Mittagsgerichte für Spätaufsteher angeboten? Sie mag nicht mehr weitersuchen und betritt das nächste Restaurant, dass unter »Middag« eine große Auswahl vegetarischer Speisen anbietet.
Mittlerweile ist es halb sieben. Sie setzt sich an einen Tisch mit Blick auf die Drottninggatan. Eine Kellnerin bringt die Speisekarte und weist darauf hin, dass es besonders günstige Middag-Gerichte gibt. Katharina fragt sich, ob »besonders günstig« wohl bedeutet, dass es die übrig gebliebenen Mittagsgerichte sind, die nun billig angeboten werden.
»Gibt es auch spezielle Abendgerichte?«, fragt sie.
»Natürlich«, antwortet die Kellnerin und zeigt auf die Karte, wo »Middag« steht.
»Nein, kein Mittagsgericht, no lunch, dinner«, sagt Katharina.
Die Kellnerin schaut sie überrascht an und zeigt wieder auf »Middag«. Gut, dann eben ein Mittagsgericht, bevor ich verhungere, denkt Katharina und gibt ihre Bestellung auf.
Was ist schiefgelaufen?
Als Katharina nach Hause kommt, sitzt Emma in der Küche bei einer Tasse Tee.
»Hej, wie war dein Tag?«, fragt sie neugierig.
Bevor Katharina ihr davon erzählt, wo sie heute überall war und was sie alles gesehen hat, brennt ihr eine Frage auf der Zunge. Nämlich die, was es mit dem middag auf sich hat. »Wieso gibt es bei euch bis zum Abend Mittagstisch?«
Emma versteht nicht, was Katharina meint und antwortet: »Mittagstisch gibt es normalerweise nur bis 14.30 Uhr.« Katharina schüttelt den Kopf.
»Nein, das kann nicht sein – ich habe gerade ein Mittagsmenü gegessen!«
Emma, die in der Schule Deutsch als zweite Fremdsprache gelernt hat, ahnt, was Katharina da verwechselt hat. »Meinst du middag? Es klingt zwar fast wie das deutsche Wort Mittag, ist aber der schwedische Begriff für Abendessen. Zum Mittagessen sagen wir Lunch, ein Mittagsmenü ist das lunchmeny oder dagens lunch, wobei wir das Wort aber nicht wie im Englischen aussprechen, sondern mit einem langen U.«
»Middag heißt Abend? Darauf muss