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Читать онлайн книгу.handelt es sich sehr wahrscheinlich um einen Cape Coloured malaiischer Abstammung. Die meisten Kapmalaien gehören dem muslimischen Glauben an und sprechen tatsächlich als Muttersprache Afrikaans, siehe Das südafrikanische Multikulti.)
»Oh, dann sprechen Sie ja Xhosa!« Silvie hat gelesen, dass die ganzen dunkelhäutigen Südafrikaner von Kapstadt Xhosa und die von Johannesburg Zulu sprechen.
»XHOSA? Nein, ich spreche kein Xhosa«, sagt der Taxifahrer ganz entsetzt und macht eine Pause. »Ich spreche Afrikaans.«
Na, der ist ja komisch. Ist ein farbiger Südafrikaner und behauptet, Afrikaans zu sprechen, die Sprache der Weißen ... »Aber schwarze Südafrikaner sprechen doch Xhosa?«
(Apropos: Farbige Südafrikaner mögen nicht, wenn man sie schwarz nennt. Sie sehen sich nicht als Schwarze, sie haben eine völlig andere Kultur, Sprache und Tradition – und außerdem kabbeln sich Farbige und Schwarze mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe in Südafrika. Viele Frustrationen sind historisch und politisch bedingt. Farbige haben das Gefühl, von ihren schwarzen Brüdern vernachlässigt zu werden. Der typische farbige Vorwurf lautet: »Früher waren wir nicht weiß genug, und jetzt sind wir nicht schwarz genug.«)
Der noch bis vor zehn Sekunden übergeschwätzige Taxifahrer sagt gar nichts mehr. Er denkt sich ganz offensichtlich seinen Teil. Warum ist der jetzt so beleidigt? Steckt der in einem Verleugnungszustand, was seine Hautfarbe angeht? Herrje. Das ist offensichtlich ein heikles Terrain hier. Silvie beschließt, ab sofort nichts Hautfarbenbezogenes mehr zu sagen, denn die haben hier offensichtlich so etwas wie ein Problem damit. Sie schaut aus dem Fenster und hofft, bald Stadtlichter zu sehen. Die Autobahn ist ihr nicht ganz geheuer ...
Und siehe da: Auf dem nächsten Schild steht KAAPSTAD! Fast wie deutsch, nur ein bisschen anders geschrieben.
(Apropos: Kapstadt heißt auf Afrikaans Kaapstad, auf Englisch Cape Town und auf Xhosa iKapa.)
Das Taxi fährt ein paar schwungvolle Kurven den Berghang hinunter und befindet sich auf einmal mitten in der Stadt. Silvie fallen die europäisch-aussehenden Wohnhäuser, die vielen Bettler an den Straßenkreuzungen und die doppelt angebrachten Ampeln auf. An jeder Kreuzung, die man überquert, steht auf der gegenüberliegenden Seite eine zweite Ampel, sodass man immer zwei rote Lichter vor sich hat ... Ganz schön verwirrend, die vielen Lichter.
Simon sucht nach der Hausnummer des Gasthauses im Reiseführer. Mist, die steht ja gar nicht dabei! Der Taxifahrer schaut sich die Adresse selbst im Reiseführer an und sagt: »Lasst uns nach Kenwyn-Hof schauen!«
Simon fällt sofort auf, dass jedes Haus einen Namen hat – ›Dunvegan Gardens‹, ›Harbour House Terrace‹, ›Infinity‹ – und der Taxifahrer versucht wohl, das Gästehaus anhand des Hausnamens zu lokalisieren. Ein bisschen unpraktisch, das Straßensystem hier, oder? Um ein Gebäude zu finden, kann man sich an keiner logischen, sprich numerischen, Anordnung orientieren, sondern muss mehrere Hundert Meter lang Häusernamen erspähen, die oftmals versteckt oder auch gar nicht angebracht sind. Und wenn man Pech hat, ist das Gebäude, das man sucht, genau das, an dem man vor zehn Minuten beim Abbiegen in die Straße vorbeigefahren ist. Man hat ja nicht den geringsten Anhaltspunkt.
(Apropos: Bei längeren Straßen gibt es manchmal auch Hausnummern zur Orientierung, aber die sind leider Gottes genauso so sporadisch angebracht wie die Straßen- und Hausnamen.)
Na ja, jedenfalls lokalisiert der Taxifahrer recht schnell das richtige Gebäude und lässt die beiden vor einem gelben zweistöckigen Altbau mit einem schönen großen gusseisernen Balkon heraus.
Silvie atmet tief durch. Die erste Hürde ist gemeistert: Sie haben heil und lebend ihr Ziel erreicht.
Ein junger schwarzer Südafrikaner mit einem breiten Lächeln heißt Silvie und Simon am Eingang willkommen und führt die beiden zur Rezeption. Silvie fragt dreisterweise direkt, ob die beiden das Zimmer mit dem Balkon haben können, und der überrumpelte Rezeptionist sagt sogar »Yebo«.
(Apropos: ›Yebo‹ bedeutet ›Ja‹ auf Zulu und gehört zum südafrikanischen Alltags-Slang.)
Wunderbar! Das Zimmer mit dem schönen Balkon ist frei! Bestimmt ein gutes Omen für den restlichen Urlaub.
Allerdings scheint der junge Afrikaner ein bisschen verwirrt angesichts der missorganisierten Schlüsselsituation auf seinem Schreibtisch und verschwindet in den Hinterraum, wohl um das richtige Schlüsselset zu suchen ...
»Silvie? Hello there!« Oh, da kommt eine gepflegte alte Dame die Treppe zum Empfangsbereich herunter. Das könnte die Hausherrin sein.
Silvie muss sich noch daran gewöhnen, dass sie von wildfremden Menschen mit Vornamen angesprochen wird– und auch daran, dass es hier so viele Weiße gibt. Laut Reiseführer sind nur neun Prozent der Bevölkerung weiß, aber dem ersten Eindruck nach zu urteilen liegt die Quote eher bei 70 Prozent.
(Apropos: In Südafrika spricht man sich immer mit Vornamen an und stellt sich immer mit Vornamen vor, auch wenn man sich nicht kennt, auch über das Telefon, auch wenn man mit jemand Älteres spricht, und auch im Business. Und laut der letzten statistischen Erfassung von 2011 sind 8,9 Prozent aller Südafrikaner weiß. Die meisten der circa 4,6 Millionen weißen Südafrikaner leben allerdings in den wenigen Großstädten. Kapstadt hat um die 20 Prozent Weiße, die Afrikaner-Hochburg Pretoria um die 24 Prozent, Johannesburg um die 16 Prozent und Durban um die 9 Prozent. Bei diesen statistischen Erhebungen sind sämtliche Vororte und schwarze Townships, die um die Städte liegen und genau genommen nicht zu den Städten gehören, mit eingerechnet – das heißt, das tatsächliche Verhältnis zwischen weiß und schwarz in den Städten liegt also noch höher als 25 Prozent.)
Die alte Dame nimmt einen Schlüssel aus einem Fach und will die beiden hochführen.
Oh nein, denkt Silvie – die will uns jetzt bestimmt mit einem schlechteren Zimmer abspeisen! So ein Mist. Dass sie auch gerade jetzt hier aufkreuzen muss ...
»Keine Sorge! Ein Gentleman kümmert sich bereits um uns.«
»Ein Gentleman? Meint ihr Siyabonga?«
»Ein junger Mann. Der bringt uns auf unser Zimmer.«
»Ah, ich verstehe! Matt. Ma-a-a-t!«
Die Dame macht auf der Treppe kehrt und sucht das Haus nach Matt ab. Nach zwei Minuten kommt dieser genau aus der Tür heraus, in die der dunkelhäutige Typ verschwunden ist. Matt ist kreidebleich, rothaarig, so jung wie die alte Hausdame und somit nicht der richtige Mann.
»Das Paar hier wartet auf dich!«
Matt schaut die beiden überrascht an.
»Nein, nein! Es war ein anderer Gentleman.«
Silvie überlegt, wie sie den Mann von vorher beschreiben kann. Sie will jetzt nicht ›der Schwarze‹ sagen, das klingt hier in Südafrika irgendwie unangebracht.
»Er hatte ein blaues T-Shirt an. Er stand eben genau hier, am Eingang.«
»Oh, war es dann vielleicht doch Siyabonga, unser Gärtner?«
Der Gärtner? Nee, bestimmt nicht.
»Ein junger, freundlicher Mann. Ein ... ein dunklerer Typ«, Silvie tastet sich ganz vorsichtig in das heikle Rassenterrain vor ...
»Ah! Darling, du meinst den schwarzen Mann?«
Die ist ja krass! Dass die sich traut, das so zu sagen ...
»Ja, genau, den farbigen Mann.«
»Farbig? Ein farbiger Mann? Wer war denn das?«
(Apropos: Das wird in Südafrika Missverständnisse geben. In Deutschland sagt man zu Schwarzen auch ›farbig‹, in Südafrika wird dagegen zwischen den beiden unterschieden. Haupt-Unterscheidungsfaktor ist die Muttersprache und der kulturelle Kreis, dem man entstammt. Farbige Südafrikaner sprechen in der Regel Afrikaans und haben einen ganz anderen kulturellen