Fettnäpfchenführer Schottland. Ulrike Köhler
Читать онлайн книгу.sowie ca. 790 Inseln
Fläche: 78,789 km2
Einwohnerzahl: ca. 5,4 Millionen (Stand 2017)
Bevölkerungsdichte: 69 Einwohner pro km2
Hauptstadt: Edinburgh
Sprachen: Englisch, Schottisch-Gälisch und (Lowland-) Scots
Staatsform: Parlamentarische Monarchie
Staatsoberhaupt: Queen Elisabeth II.
Regierungschef: Nicola Sturgeon (SNP – Scottish National Party)
Währung: Pfund Sterling, wobei drei schottische Banken das Recht haben, eigene, schottische Noten zu drucken, die sich optisch von den englischen Pfund unterscheiden
2
TYPISCH, DIESE GEIZIGEN SCHOTTEN!
DIE WAHRHEIT ÜBER GROSSZÜGIGKEIT UND GASTFREUNDSCHAFT
Glücklich lächelnd steigt Franziska die enge Treppe zu ihrem neuen Zimmer hinauf, um auszupacken und sich einzurichten. Elf Monate in Schottland liegen vor ihr, und sie kann es kaum erwarten, so richtig in ihr neues Abenteuer zu starten. Der Raum unter dem Dach ist nicht besonders groß. Typisch britisch, wie Paul ihr schon per E-Mail angekündigt hatte. Das heißt: genug Platz für ein Bett und einen Schrank. Es ist kein Zimmer, das für ein längeres Verweilen gemacht ist. Dafür gibt es in den Gemeinschaftsräumen des Hauses Gelegenheit, wie Paul ihr bereits erklärt hat. In einer WG zu wohnen heißt bei Paul auch wirklich, mit den anderen zusammenzuwohnen – ungewohnt für Franziska, die sich sonst gerne zum Lesen, Serienschauen oder Arbeiten in ihr Zimmer zurückzieht.
Sie hievt gerade den ersten Koffer aufs Bett, um ihre Klamotten im Schrank zu verstauen, als es an der Tür klopft. Paul steckt den Kopf herein und fragt, ob er ihr etwas aus dem Supermarkt mitbringen könne. Franziska verzieht das Gesicht: »Ich weiß noch gar nicht, was ich brauche. Ich muss mir gleich erst mal einen Überblick verschaffen«, sagt sie mit einem entschuldigenden Lächeln, während sie den Blick über ihre Taschen schweifen lässt.
»Weißt du was? Warum gehen wir nicht heute Abend aus und feiern deine Ankunft? Dann musst du nichts kochen und kannst mit dem Einkaufen bis morgen warten. Komm erst mal an.«
Ehe sie etwas erwidern kann, hat Paul die Tür schon wieder geschlossen und ruft, schon auf der Treppe: »Ich lade dich ein. Also keine Widerrede.«
Zwei Stunden später hat Franziska einigermaßen Ordnung in ihr Chaos gebracht, ihr Bett bezogen, den Laptop mit dem WLAN verbunden und ihre Bücher im Regal verstaut. Sie wirft einen Blick in den Spiegel und entscheidet, noch schnell unter die Dusche zu springen und zur Feier des Tages etwas Hübsches anzuziehen. Als sie schließlich in die Küche hinunterkommt, pfeift Paul scherzhaft anerkennend durch die Zähne, schnappt sich die Autoschlüssel und führt sie zur Tür hinaus. Nach einer kurzen Fahrt durch die Innenstadt parkt er seinen alten Mercedes in der Nähe des Inverness Castle und deutet auf die urige Castle Tavern, in deren zwischen zwei Straßen spitz zulaufendem Biergarten an diesem sonnigen Maitag Hochbetrieb herrscht. Paul erkennt auf Anhieb vier Bekannte, stellt ihnen Franziska vor und führt seine neue Mitbewohnerin dann in den ersten Stock, wo es etwas ruhiger ist. »O.k., an deinem ersten Abend in Schottland solltest du etwas typisch Schottisches essen«, entscheidet er. »Lässt du mich auswählen?« Sie nickt dankbar, und er verschwindet nach unten, um an der Bar zu bestellen. So ist das in Schottland üblich, erklärt er ihr. Er kommt mit zwei großen Pints Ale zurück und schwärmt von der hervorragenden Bierauswahl des Pubs. Kurz darauf kommt die Vorspeise: black pudding mit einem Salat aus frischen Äpfeln. Im ersten Moment gewöhnungsbedürftig, denkt Franziska, findet dann aber doch Gefallen an dem herben Geschmack. Ähnlich geht es weiter: Paul hat haggis und steak and ale pie bestellt und lässt sie auswählen, welches der beiden Gerichte sie probieren möchte. Mutig entscheidet sich Franziska für das schottische Nationalgericht haggis. Als sie schließlich glaubt, platzen zu müssen, kommt die Kellnerin auch noch mit einem unwiderstehlich schokoladig aussehenden Stück chocolate fudge cake mit Vanilleeis an ihren Tisch.
Paul entschuldigt sich, um eine weitere Runde ale zu holen – und eine Stunde und ein weiteres Pint ale später führt er eine satte, glückliche und leicht beschwipste Franziska aus dem Lokal. Als die beiden durch den Biergarten zum Auto zurückgehen, bleibt Franziska plötzlich stehen:
»Halt! Wir haben nicht bezahlt.«
»Habe ich längst gemacht«, sagt Paul und hält ihr galant das Tor auf. Franziska bewegt sich nicht von der Stelle und beginnt, in ihrer Handtasche zu wühlen. Sie nimmt ein paar Scheine aus ihrem Portemonnaie, zählt sie ab und streckt sie Paul entgegen.
»Nein, vergiss es. Ich habe dich eingeladen. Es war mir eine Freude.« Sanft schiebt er die noch immer protestierende Franziska durch das Tor und auf den Parkplatz zu, hinter dem das Castle hell erleuchtet in den Nachthimmel ragt.
»Aber es heißt doch immer, ihr wärt alle so geizig«, murmelt sie müde, als Paul ihr die Autotür öffnet und sie sich ergeben auf den Beifahrersitz sinken lässt.
»Ja, es gibt noch viel, was du über uns Schotten lernen musst«, antwortet Paul mit einem leichten Anflug von Triumph in der Stimme.
Das Vorurteil gegen die geizigen Schotten
Das ist wohl das Klischee, mit dem die Schotten weltweit am meisten zu kämpfen haben – nicht umsonst trägt eine Billigkette für Haushaltsgegenstände den schottisch angehauchten Namen Mäc-Geiz. Dabei kann man sich kaum ein Volk vorstellen, das es weniger verdient hat, als geizig bezeichnet zu werden. Das kann jeder bestätigen, der schon einmal in den Genuss schottischer Gastfreundschaft gekommen ist. Was der Schotte hat, das teilt er nur allzu gerne mit seinen Gästen, und zwar ganz unabhängig davon, wie lange oder gut er sie schon kennt. Da es aber genügend Zeiten in der schottischen Geschichte gab, in denen er eben nicht so viel besaß, lernte er, diese wenigen Besitztümer zusammenzuhalten und nichts gedankenlos zu verschwenden.
In Anbetracht von Armut und Hungersnöten, die das Land über die Jahrhunderte immer wieder heimsuchten, ein durchaus verständlicher Ansatz, aber leider etwas, das den Schotten bis heute als Geiz ausgelegt wird – und zum Teil Anlass zu bösartigen Scherzen gibt. So heißt es etwa, der Schotte sei so geizig, dass er sich nicht einmal anständige Hosen leisten wolle und stattdessen die Röcke seiner Frau auftrage. Die Unterhose spare er sich dabei auch gleich noch. Oder man sagt über ihn, er spiele nur deshalb den quäkenden Dudelsack, weil er sich das Geld für ein besseres Instrument sparen wolle. Alles üble Verleumdung!
Denn auch wenn Ausnahmen sicherlich die Regel bestätigen, sind die Schotten mit dem, was sie haben, mehr als großzügig. Gastfreundschaft ist in Schottland eine Frage der Ehre und des persönlichen Stolzes. Nichts wäre demütigender für einen schottischen Gastgeber als das Gefühl, er könne es sich nicht leisten, seinem Gast jeden Wunsch zu erfüllen. Für diese Momente hält er sein Hab und Gut seit jeher zusammen und dreht dann eben doch den einen oder anderen Penny mehrmals um, bevor er ihn ausgibt. Für ihn gilt der Spruch: Spare in der Zeit, so hast du in der Not. In Zeiten von Finanzkrisen, Brexit und allgemeiner Unsicherheit eigentlich gar keine schlechte Eigenschaft, oder?
WEITERE VORURTEILE IM FAKTENCHECK
Alle Schotten haben rote Haare: Stimmt nicht! Ein Blick auf die Passanten in den Straßen von Edinburgh, Glasgow und Inverness genügt, um das zu erkennen. Viele Schotten sind stattdessen dunkelhaarig. Das ist Teil ihres keltischen Erbes aus südlicheren Teilen Europas, während die roten Haare auf ihre Wikingervorfahren zurückgehen. Dennoch stimmt es, dass Schottland – nach Irland – die zweithöchste Dichte an rothaarigen Bewohnern aufweist: Wie Maciamo Hay