Fettnäpfchenführer Brasilien. Nina Büttner

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Fettnäpfchenführer Brasilien - Nina Büttner


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(macht) spricht sich »faisch«.

      Das s und z am Wortende werden also zu sch, womit das Portugiesisch in Rio de Janeiro gar nicht so weit von dem in Portugal gesprochenen entfernt ist. Diese Verwandtschaft in der Aussprache hat offensichtlich mit der Verlegung der portugiesischen Krone im Jahre 1808 in die damalige Hauptstadt Rio de Janeiro zu tun.

      Linda folgt Patrícia in die Küche und sieht gleich den großen Wasserspender. Patrícia füllt ihr ein Glas an einem der zwei Hähne. Linda nimmt sofort einen großen Schluck, kann ihn aber nur unter Schmerzen schlucken, da er eiskalt ist. »Frio« – Kalt, kommentiert sie heiser.

      »Du kommst doch aus Deutschland, dir muss es doch so heiß sein hier, da dachte ich, du magst kaltes Wasser«, erklärt sich Patrícia. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer fällt ihr noch ein: »Ach ja, ihr trinkt ja auch warmes Bier.«

      Linda hebt schon an zu protestieren, aber als sie sieht, dass das Thema für Patrícia damit abgehakt ist, setzt sie sich zurück in ihren Sessel, nippt an ihrem Schmelzwasser und verfolgt das bunte und aufgeregte Treiben auf dem Bildschirm.

      Die Nachrichten werden immer wichtiger, je weiter die Sendung voranschreitet, hat Linda das Gefühl. Der schon vor jeder einzelnen Werbeunterbrechung angekündigte Beitrag über die erneute Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten Michel Temer wegen Korruptionsvorwürfen beginnt erst jetzt. In Deutschland hatte Linda nur sehr diffus etwas von den politischen Turbulenzen in Brasilien mitbekommen: Es hatte ein Amtsenthebungsverfahren gegen eine Präsidentin gegeben wegen der Haushaltspolitik oder der Wirtschaftskrise oder so etwas, woraufhin dieser Temer ins Amt kam. Inzwischen ist seine kurze Präsidentschaft wieder Geschichte, und es wird offenbar auch gegen ihn ermittelt. So ganz kann Linda dem Beitrag nicht folgen. Als Nächstes scheint es in den brasilianischen Nachrichten um den Gouverneur von Rio de Janeiro und die Olympischen Spiele zu gehen. Linda sieht den Olympischen Park in Barra da Tijuca und den in Deodoro auf dem Bildschirm und eine Animation über Geldtransfers. Korruption scheint das Thema zu sein.

      Marcelo schüttelt den Kopf. »Das war alles zu viel. Wirtschaftskrise, Inflation, WM, Olympische Spiele. Alle schauen auf Brasilien, und wir verzapfen so viel Mist.«

      »Das war eine demütigende Zeit. Das 1:7 gegen euch Deutsche, unsere Erdölfirma Petrobrás mit ihrem Korruptionsskandal, dann fanden alle das Amtsenthebungsverfahren undemokratisch, unsere Ingenieure wurden als inkompetent abgestempelt, deus me livre« – Gott bewahre, stimmt Patrícia mit ein.

      Linda fühlt sich noch nicht so sattelfest in ihrer Meinung und streut ein: »Aber die Großereignisse haben doch viel Infrastruktur mit sich gebracht, oder?«

      Marcelo schnalzt skeptisch mit der Zunge.

       13 JAHRE ARBEITERPARTEI

      Die politische und ökonomische Situation Brasiliens wird derzeit mit Politthrillern und Serien wie House of Cards verglichen, so unglaublich sind die Intrigen. Nachdem die Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) vier Wahlsiege in Folge für sich verbuchte, schaffte es 2016 die konservative Opposition, durch ein Amtsenthebungsverfahren an die Macht zu kommen. Dass Dilma Rousseff aus der PT 2014 wiedergewählt wurde, obwohl durch das Investigationsprogramm Lava-Jato (Autowaschanlage) bereits herausgekommen war, dass ihre Partei in ein korruptes Geflecht mit der staatlich kontrollierten Erdölfirma Petrobrás verstrickt war, spricht hier Bände. Die konservative Opposition schafft es nicht, der Mehrheit der Brasilianer eine lohnenswerte Alternative aufzuzeigen. Wo der demokratische Weg scheiterte, begann das Bemühen um ein Amtsenthebungsverfahren aufgrund einer Formalität: Schummeleien im Haushaltsbericht, die schon von vielen Regierungen angewandt worden waren.

      Die PT wird als erste wirkliche Partei angesehen, die aus einer gesellschaftlichen Bewegung hervorgegangen ist. Nämlich aus den gewerkschaftlichen Protesten gegen die Militärdiktatur seit den 1970er-Jahren und der Vertretung der Interessen der Armen – besonders aus dem Nordosten – seit dem Demokratisierungsprozess, der in der Mitte der 1980er-Jahre seinen Anfang nahm. Die konservativen Parteien wie PSDB und PMDB sind weniger ideologisch profiliert, sie setzen besonders auf Persönlichkeiten, die Unterstützung durch evangelikale Kirchen und ein Netz aus einflussreichen Unterstützern aus Industrie und Landwirtschaft. Davon sind die brasilianischen Wähler in den 90ern bitter enttäuscht worden.

      Als es 2003 der Gewerkschafter Luis Inácio »Lula« da Silva schaffte, der erste Präsident aus der Arbeiterpartei zu werden, war der Jubel unter Brasiliens armer Bevölkerung groß. Das Großkapital zog sich entgegen vieler düsterer Szenarien nicht zurück, es kamen erste Sozialleistungen und sozialer Wohnungsbau. Der Mindestlohn stieg in Lulas zwei Amtszeiten um 65 Prozent, Millionen schafften den Sprung von der Armut in die untere Mittelschicht. Dilma Rousseff, seine Nachfolgerin, profitierte von seinen Erfolgen, gelangte wegen ihrer liberaleren Haltung allerdings auch in Misskredit bei den linken Bewegungen. Im Juni 2013 brach unter ihrer Präsidentschaft eine breite Protestwelle aus, die Brasilien zuletzt 1992, im Zuge des Amtsenthebungsverfahrens Fernando Collors, gesehen hatte. Die Kritik an den ständig steigenden Preisen für öffentlichen Nahverkehr wirkte wie ein Ventil, und schnell wurde die Unzufriedenheit über die hohen Ausgaben für WM und Olympische Spiele und die knappen Mittel für Gesundheit und Bildung laut sowie über Polizeigewalt und Korruption. Die Proteste schlugen wie ein Blitz ein und erreichten insgesamt eine hohe Zustimmung in der Bevölkerung. Ab Ende 2014 schlitterte Brasilien in eine schwere Rezession, begleitet von hoher Inflation und Arbeitslosigkeit, auch als Auswirkung einer weltweit getrübten wirtschaftlichen Stimmung. So war Dilmas Wiederwahl 2014 bereits knapp ausgefallen. Durch die Enthüllungen von Lava-Jato wurde klar, dass die Elite fast aller Parteien in Korruption verstrickt ist, und die Panama Papers schädigten vor allem die Konservativen, allen voran den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses Eduardo Cunha – also ausgerechnet den Mann, der an vorderster Front Dilma Rousseff mit dem Argument der Korruptionsbekämpfung absetzen wollte.

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Linda hat sich im Portugiesischen versucht und musste feststellen, dass ihr der Unterricht in europäischem Portugiesisch nicht besonders viel gebracht hat: das Wort propina bedeutete für sie bis gerade einfach Schulgeld. In Brasilien meint man damit aber Schmiergeld! Ihre Gastgeber könnten verstanden haben, Linda glaube, sie seien in den Schulstreik mit Schmiergeldzahlungen involviert, was natürlich eine kühne Behauptung wäre. Das Personalpronomen tu wird – außer im Süden und in einigen Teilen des Nordostens des Landes – fast gar nicht mehr gebraucht. Da traut sie sich ja gar nichts mehr zu sagen!

      Mit dem Wasserspender hat Linda eine unangenehme Bekanntschaft gemacht: Patrícia wollte ihr etwas Gutes tun und hat den blauen Hahn angezapft, aus dem gekühltes Wasser kommt. Für mitteleuropäische Gewohnheiten führt das eher zu Bauchkrämpfen und Mandelentzündung als zu einem Gefühl der Abkühlung.

       Was können Sie besser machen?

      Wenn Sie keinen Lehrer für brasilianisches Portugiesisch finden, lassen Sie sich von Ihrem portugiesischen Lehrer erklären, welche Formen in Brasilien anders sind oder gar nicht gebraucht werden. Die Aussprache dagegen können Sie tatsächlich erst in Brasilien kennenlernen. So fremd sie anfangs klingt, sie beruht doch nur auf wenigen Regeln, und es gibt selten Ausnahmen.

      Wasserspender verfügen in der Regel über zwei Hähne: einen blauen für kaltes und einen weißen für zimmertemperiertes Wasser. Da können Sie sich mit der Zeit ihre Mischung optimieren, denn allein Zimmertemperatur kann zuweilen tatsächlich sehr warm sein. Wenn es keinen derartigen Wasserspender im Haushalt gibt, ist der Wasserhahn oft mit einem Filter ausgestattet, der das Wasser von Partikeln, Bakterien und Chlor befreit. Wenn auch ein solcher Filter nicht aufzufinden ist, kann es ratsam sein, das Leitungswasser vor dem Trinken abzukochen, da es viele Bakterien enthalten kann oder immerhin solche, die ein europäischer Magen nicht kennt. Die Wasserqualität kann von Ort zu Ort sehr variieren – auf der monatlichen Rechnung stehen normalerweise die Chlor- und Bakterienwerte zur Orientierung. Die Wasserspender sind besonders in Haushalten der Mittelschicht anzutreffen – selbst dann, wenn bekannt ist, dass das Leitungswasser eine gute Qualität


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