TEXT + KRITIK 230 - Loriot. Группа авторов

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entging oder die ihm Geschäftsschädigung unterstellten. Eine Satire über chemische Zusätze im Wein führte schließlich das Ende der Reihe herbei. Schon zuvor hatte sich Loriot über solche Vorstellungen direkter Medienwirkungen mokiert: Beeindruckt von der »kühnen Härte« des Films »Mord am Abend« habe er auf dem Rückweg vom Kino eine »vollschlanke Dame« gefesselt und geknebelt »in einem Akaziengebüsch« abgelegt. Nun frage er sich, ob er »ein Opfer der Filmindustrie« geworden sei oder »dieser Vorfall irgendwelche Rückschlüsse auf mein Inneres zu(lasse)«.17 Bezeichnenderweise blieb dieser Text unveröffentlicht. Tatsächlich wäre er wohl in einer Zeit kaum auf allgemeines Verständnis gestoßen, in der große Teile von Gesellschaft und Öffentlichkeit glaubten, Jugendkriminalität und -gewalt seien die direkte Folge von einschlägigen, primär aus den USA importierten medialen Darstellungen. Es fällt auf, dass sich bei Loriot zwar kulturkritische Ansätze finden, aber kaum Hinweise auf derartige antiamerikanische Konnotationen. Das war selbst bei seinem Freund und Nachbarn Manfred Schmidt anders, dessen sehr erfolgreiche, in der »Quick« erscheinende Comic-Folge »Nick Knatterton« ursprünglich als Parodie auf amerikanische Superhelden in Comics und Heftromanen angelegt war.

      Humor nach Hitler

      Damit bleibt als dritte und letzte Frage, wie sich der Humor Loriots zur Bundesrepublik als postfaschistischer Gesellschaft verhielt. Auch bei diesem Thema, das sei vorweggenommen, scheint es offensichtliche und dabei zugleich widersprüchliche Bezüge zu geben. Denn der totale Zusammenbruch auf moralischer und materieller Ebene, den der Nationalsozialismus nach sich gezogen hatte, wurde durch die westdeutsche Gesellschaft auf zwei Arten kompensiert, die eine Entsprechung bei Loriot haben: einerseits durch ein geradezu obsessives Streben nach Sicherheit und Ordnung, zum anderen – damit eng verbunden – durch eine spezifische Form politischer Abstinenz und Konfliktvermeidung.

      Es ist daher kaum ein Zufall, dass Ordnungsobsessionen und ihr Scheitern ein Grundmotiv in Loriots Werk darstellen. Sein »Großer Ratgeber« (1968) parodiert umfassend das Genre der Benimm- und Ratgeberliteratur und dessen formalisierte, dabei merkwürdig sinnentleerte Sprache. Im TV-Sketch »Zimmerverwüstung« (1976) mündet der zwanghafte Versuch, ein (modernes) Bild geradezurücken, im völligen Chaos. Alle bemühten Versuche des Protagonisten Lohse in Loriots zweitem Spielfilm »Pappa ante Portas« (1991), für die Zukunft vorzubauen, haben ähnlich katastrophale Konsequenzen. Auch wenn hier gewiss eine selbstironische Komponente des als Perfektionisten bekannten Autors und Regisseurs anklingt, fällt es schwer, darin keine gesellschaftliche Dimension zu sehen. Loriot, so scheint es, wusste um die Vergeblichkeit derartigen Strebens angesichts der Kontingenz von Geschichte. Dabei mögen seine Erfahrungen im Krieg an der Ostfront von Bedeutung gewesen sein sowie die Zäsur des Kriegsendes, mit der sich scheinbar unumstößliche jahrhundertealte Traditionen der preußischen Adelsfamilie von Bülow auflösten.


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