Bekenntnisse-Confessiones. Aurelius Augustinus

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Bekenntnisse-Confessiones - Aurelius Augustinus


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deine linde Hand aufzulegen vermagst zur Linderung der Dornen, die ausgeschlossen sind von deinem Paradiese. Denn deine Allmacht ist nicht fern von uns, wenn wir auch fern sind von dir. Wachsamer hätte ich gewisslich dann dein Wort, das aus deiner Wolke hervorging, beachtet: »Es werden solche leibliche Trübsal haben. Ich verschonte aber eurer gern«; und: »Es ist dem Menschen gut, dass er kein Weib berühre«, und: »Wer ledig ist, der sorget, was dem Herrn angehöret, wie er dem Herrn gefalle. Wer aber freier, der sorget, was der Welt angehört, wie er dem Weibe gefalle.« Hätte ich wachsamer solchen Worten gelauscht, der Sinnenlust abgestorben um des Himmelreichs willen, seliger hätte ich geharrt, von deiner himmlischen Liebe umfangen zu werden.

      Aber ich Elender brauste auf, willenlos fortgerissen von den Wogen (die in meinem Innern stürmten), verließ ich dich und übertrat alles, was dein Gesetz verordnet, und entrann deiner Geißel nicht; wer von den Sterblichen könnte auch dies? Denn immer warst du mir nahe in gnädigem Zorn und sprengtest bittersten Wermut auf alle meine unerlaubten Freuden, auf dass ich Vergnügen aufsuchte ohne Schmerz, und hätte es in meinem Vermögen gestanden, wahrlich, nichts hätte ich gefunden als nur dich allein, o Herr, dich, der du Schmerz in dein Gebot legtest, der du verwundest, um zu heilen, und tötest, auf dass wir dir nicht absterben. Wo war ich und wie weit verbannt von den Ursonnen deines Hauses in jenem sechzehnten Jahre meines leiblichen Lebens, da der Wahnsinn der Wollust die Herrschaft über mich gewann und ich ihr beide Hände bot, ihr, die sich frech zur Schande der Menschen alles erlauben darf und die doch deine Gesetze verbieten. Die Meinigen sorgten nicht dafür, mich, den Strauchelnden, aufzuhalten und zu verheiraten; sie waren nur darauf bedacht, dass ich möglichst gut und möglichst überzeugend reden lernte.

      In jenem Jahre nun erfolgte eine Unterbrechung meiner Studien durch meine Rückreise von Madaura, der Nachbarstadt, in welcher ich den ersten Unterricht in den Wissenschaften und der Beredsamkeit empfing. Es wurden Vorbereitungen zu einem längeren Aufenthalte in Karthago getroffen, mehr durch die Hoffart meines Vaters als durch seinen Reichtum veranlasst, da er ein ziemlich unbemittelter Bürger von Thagaste war. Warum erzähle ich dies? Nicht dir, o mein Gott; aber vor deinem Angesichte erzähle ich es meinem Geschlechte, dem Geschlechte der Menschen, wie klein auch der Leserkreis dieser meiner Schrift sein möge. Und zu welchem Zweck erzähle ich es? Damit ich und jeder Leser bedenke, aus welchen Tiefen man zu dir rufen muss. Denn was ist näher als dein Ohr, wenn ein Herz sein Bekenntnis ablegt und das Leben aus dem Glauben ist? Denn wer pries nicht damals meinen menschlichen Vater, dass er über sein Vermögen auf seinen Sohn verwandte, so viel zu der weiten Studienreise nötig war. Denn viele reichere Bürger machten keinen solchen Aufwand für ihre Kinder, währenddessen mein Vater sich nicht darum kümmerte, wie ich dir entgegenreifte oder wie es mit meiner Reinheit stünde, wenn ich nur redegewandt oder vielmehr abgewandt von deinem Dienst war, o Gott, du einzig wahrer und guter Herr deines Ackers, das ist meines Herzens.

      Als ich aber in jenem sechzehnten Jahre häuslichen Mangels wegen müßig ging und so Schulferien hatte und bei meinen Eltern lebte, da entwuchsen meinem Haupte die Dornen der Wollust, und niemand raufte sie aus. Ja, als mein Vater einst im Bade mich, den kräftig heranreifenden Jüngling, sah mit seiner ungestümen Jugendkraft, teilte er es voll Freude der Mutter mit, als frohlocke er schon über die künftigen Enkel, in dem Freudenrausche, in welchem diese Welt dich, ihren Schöpfer, vergaß und das Geschöpf statt deiner liebte, berauscht von dem unsichtbaren Weine seines verkehrten und zur Tiefe gewandten Willens. Aber in meiner Brust hattest du schon deinen Tempel (aufzurichten) begonnen und den Grund je zu deinem Heiligtum gelegt; jener aber (der Vater) war seit Kurzem erst Katechumene geworden. Daher lebte sie in heiliger Furcht und Zittern, und ob ich gleich noch kein Christ (noch nicht getauft) war, fürchtete sie doch die Irrwege, welche ich wandelte und die dir den Rücken zukehren und nicht das Angesicht.

      Wehe mir! Und ich wage zu sagen, du hättest geschwiegen, mein Gott, da ich mich noch weiter von dir entfernte? Schwiegst du denn damals wirklich so ganz? Und die Worte, die du durch den Gesang meiner Mutter, die im Glauben an dir hing, so oft an mein Ohr tönen ließest, wessen waren sie, wenn nicht dein? Doch keines davon drang mir in das Herz, dass ich danach gehandelt hätte. Mit dem besten Willen ermahnte sie mich oft, wie ich mich noch erinnern kann, heimlich mit tiefem Grame, dass ich nicht der Wollust verfiele und vor allem nicht die Ehe eines andern entweihte. Aber weibisch erschienen mir solche Ermahnungen, denen ich ohne Erröten nicht zu gehorchen vermochte. Von dir kamen sie, und ich wusste es nicht und glaubte, du schwiegest und nur jene (meine Mutter) rede, durch welche du zu mir sprachst, und du wurdest in ihr von mir, ihrem Sohne, verachtet, dem Sohne deiner Magd, deinem Knechte. Aber ich wusste es nicht, und mit solcher Blindheit geschlagen eilte ich jählings vorwärts, so dass ich mich vor meinen Altersgenossen schämte, wenn ich minder schändlich gelebt hatte als sie, weil ich sie mit ihren Vergehen prahlen und um so mehr Rühmens davon machen hörte, je schändlicher sie waren: So verführte mich nicht nur die Lust an der Tat, sondern auch die Lust gelobt zu werden. Was ist tadelnswerter als das Laster? Um nicht getadelt zu werden, wurde ich noch lasterhafter, und wo ich es den Verworfenen nicht gleichtun konnte, gab ich vor, die Untat begangen zu haben, damit ich nicht desto verächtlicher erschiene, je unschuldiger ich war, und um nicht für desto geringer zu gelten, je reiner ich war.

      Wehe, mit welchen Spießgesellen ich mich auf den Straßen Babels umhertrieb und mich in ihrem Kote wälzte wie in köstlichen Spezereien und Salben. Und in ihrer Mitte trat mich der unsichtbare Feind mit Füßen (in den Kot), dass ich desto fester an ihm hinge, und verführte mich, weil ich verführbar war. Auch meine leibliche Mutter, die zwar aus der Mitte Babels schon eilend geflohen war, in den übrigen Straßen aber langsamer ging, sorgte, so sehr sie mich auch zur Keuschheit ermahnte, doch nicht dafür, das, was sie durch ihren Gatten von mir gehört und schon als verderblich und für die Zukunft als gefährlich erkannt hatte, in die Schranken der ehelichen Liebe zu bannen, wenn es nicht bis auf die letzte Lebensspur vernichtet werden konnte. Sie sorgte dafür nicht, aus Furcht, die Ehefessel könnte meine Hoffnungen vereiteln, nicht jene Hoffnung, welche meine Mutter für das Jenseits auf dich setzte, sondern die Hoffnung der wissenschaftlichen Ausbildung, deren Besitz meine Eltern allzu sehr für mich wünschten, der Vater, weil er über dich fast gar nichts, über mich nur Eitles dachte, die Mutter, weil sie glaubte, dass jene gewöhnlichen wissenschaftlichen Studien nicht nur nichts schadeten, sondern vielmehr von einigem Nutzen sein könnten, zu dir zu gelangen. Denn solches ist meine Vermutung, wenn ich, soweit ich vermag, über den Charakter meiner Eltern nachdenke. Auch im Spiel ließ man mir die Zügel mehr schießen als das rechte Maß der Strenge erlaubt, so dass ich mich in mancherlei Gelüste verlor, und überall herrschte Finsternis, die mir, mein Gott, die heitere Klarheit deiner Wahrheit verschloss, und wie aus fettem Erdreich sprosste meine Ungerechtigkeit auf.

      Gewiss straft, o Herr, dein Gesetz den Diebstahl und das Gesetz, das geschrieben stehet im Menschenherzen, das selbst die Sünde nicht tilgt. Denn gibt es wohl einen Dieb, der einen andern mit Gleichmut duldet? Nicht einmal der Reiche, der Überfluss hat, duldet den durch Mangel zum Diebstahl getriebenen Dieb. Und ich war willens, einen Diebstahl zu begehen, und beging ihn weder durch die Not noch durch den Mangel dazu getrieben, sondern durch den Ekel vor der Gerechtigkeit und die Gier nach Ungerechtigkeit. Denn ich stahl, was ich im Überfluss besaß und weit besser; und nicht der Genuss an der Sache selbst, sondern am Diebstahl und an der Sünde war es, den ich begehrte. In der Nähe unseres Weinberges stand ein Birnbaum, mit Früchten beladen, die jedoch weder durch ihr Aussehen noch ihren Geschmack reizen konnten. Diese abzuschütteln und fortzutragen, begaben wir ruchlosen Jünglinge uns in später Nachtstunde, bis zu der wir in Spielhäusern nach schändlichem Brauche dem Spiele gefrönt hatten, dorthin und trugen große Massen hinweg, nicht um sie zum Mahle zu genießen, sondern um sie den Schweinen vorzuwerfen, nachdem wir ein wenig davon gekostet hatten, nur um nach unserem Geiste Unerlaubtes zu tun. Sieh mein Herz an, o mein Gott, sieh mein Herz an, denn du hast dich seiner erbarmt, da es in der Tiefe des Abgrundes schmachtete. Und was es dort suchte, das sage dir jetzt mein Herz, dass ich um nichts böse war, ohne irgendetwas dadurch erreichen zu wollen; boshaft war ich, nur um boshaft zu sein. Schändlich war es, und ich liebte es, ich liebte das Verderben, ich liebte meinen Abfall (von dir), nicht das Objekt meines Abfalls, sondern meinen Abfall


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