Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

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Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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durch die Öffnung gerettet hatten.

      Wo war die breite Fahrstraße? Wo war der Wagen dieses herrschaftlichen Fahrers Waschkewitz?

      Nichts war mehr, nur Wasser und Sturm, und in der Ferne geisterten Scheinwerfer.

      Einen Augenblick schien Jasmine der Herzschlag zu stocken.

      Beklemmende Situation, oben auf einem Lagerhausdach zu sitzen, rundum eine Wasserwüste. Neben sich zwei Kinder und einen Kater.

      Eine feste Bubenfaust zerrte jetzt an ihrem schon völlig durchnäßten Kapuzenmantel.

      »He, was machen wir?«

      Und dann dieses zarte Stimmchen, zu dem ein ebenso zartes

      Händchen gehörte, das sich zwischen Jasmines ein wenig magere Finger schob.

      »Du, wollen wir nicht nach Hause?« Das war Vronli.

      Wollen wir schon! dachte Jasmine, die sich verantwortlich für die beiden Kinder fühlte, aber erst können! Können ist immer etwas anderes als wollen.

      »Wir warten!« erklärte sie, weil ihr ohnehin nichts anderes übrigblieb. Schließlich konnte sie sich nicht mit den Kindern in die scheußlich schmutzigen, sie rings umgebenden Fluten stürzen.

      »Wir warten!« wiederholten Stoffel und Vronli ein wenig gedehnt. Denn angenehm war es hier oben keinesfalls.

      »Ich hab’ den Freischwimmer«, piepste einmal die kleine Vronli und drängte das vor Kälte zitternde Körperchen noch enger an Jasmine.

      »Ich auch«, echote Jasmine lakonisch.

      Rundum sah man doch die Dächer anderer Lagerschuppen. Aber die waren nicht höher gelegen als das, auf dem man jetzt nebeneinanderhockte.

      »Ja, warten wir!« erklärte Jasmine noch einmal.

      »Du… du…!« In diesem Augenblick schrie Vronli laut auf und wäre beinahe durch den Sturm fortgeweht worden, weil sie Jasmine losließ. »Julius ist nicht mehr da. Julius!«

      »Julius!« schrie nun auch Stoffel.

      »Julius!« echote Jasmine. Sie hatte die kleine Taschenlampe, deren Batterie langsam zuckend die letzten Lebenszeichen gab, erneut eingeschaltet.

      Da trieb er auf den schlammigen gelblichen Fluten: Julius, um den sich an diesem Tag anscheinend alles zu drehen schien.

      »Bleibt sitzen! Ich hole ihn!«

      Jasmine dachte jetzt nicht mehr an die Schneekönigin und ehrgeizige Ballettpläne. Sie sah nur die Kinder, die ein Lebewesen hergeben sollten, an dem ihre kleine Herzen zärtlich hingen.

      Vronli weinte laut. Stoffel hatte Tränen in den Augen.

      »Aber ihr dürft euch keinesfalls bewegen, versteht ihr? Schön festhalten hier an der Öffnung des

      Daches. Und dann: dann will ich

      mal sehen, wie ich Julius zurückangle.«

      Julius aber ließ sich nicht angeln. Er schien sich im Wasser zu Tode zu fürchten. Er krallte sich auch nicht an ein ausgestrecktes Stück Latte, das Jasmine auf dem Dach gefunden hatte und ihm zuschob. Oh, Julius schien zu ertrinken.

      »Julius!«

      Das Mädchen zog sich jetzt den Kapuzenmantel aus, und legte ihn um die Kinder. Auch die hohen Schuhe zog sie aus.

      »Was willst du?« fragte Stoffel. Er war nun doch ein wenig besorgt.

      »Na, euren Julius holen!« erklärte Jasmine. »Der ertrinkt sonst noch vor unseren Augen.«

      Jasmine war eine gute Schwimmerin. Aber das Wasser, in das sie jetzt hinabtauchte, war eisig. Es verschlug ihr fast den Atem.

      »Julius, Julius!« keuchte sie und streckte eine Hand nach dem Tier aus.

      »Julius!«

      Dann wurde es plötzlich ganz schwarz vor ihren Augen.

      Sicher war die Taschenlampe ausgegangen, die sie Stoffel zum Halten anvertraut hatte.

      Oh, diese Dunkelheit… schwarz, alles schwarz! konnte Jasmine nur noch denken.

      *

      »Sie wäre mit dem Tier beinahe abgesackt!« sagte der junge Arzt Dr. Harald Brockdorff, der in dieser Unwetternacht in einem der Schlauchbote saß, die die Polizei zu Wasser gebracht hatte.

      Der Katastropheneinsatz war aufgeboten. Das Wasser war sehr schnell gestiegen. In Bäumen, auf Hausdächer hatten sich verzweifelte Menschen geflüchtet. Überall schrie man nach der Hilfe der Retter.

      Harald Brockdorff zog die ohnmächtige Jasmine, deren rechter Arm sich fest um den Kater Julius preßte, in das Boot.

      Grell leuchtete das Licht der Sturmlaterne in des Mädchens Gesicht.

      Einen Augenblick spürte Harald Brockdorff, daß er nicht nur Arzt im Katastropheneinsatz, sondern auch ein Mann war. Dieses süße, entzückende Gesichtchen, um das sich das dunkle Haar eng anschmiegte wie eine Kappe. Das einfache Strickkleidchen legte sich modellierend um die zarte, beinahe knabenhaft anmutende Figur. Modell für einen Bildhauer, der eine Psyche schaffen wollte, ein Mädchen, das noch an eine Knospe erinnerte, die erst die Liebe zur Blüte küssen mußte.

      »He!« Der junge Wachtmeister Lemke hatte wenig Sinn für poetische Betrachtungen und auch nicht für die jähen Herzensregungen des jungen Arztes.

      »He, da sitzen ja ein paar Kinder auf dem Dach!« erklärte der Wachmeister beinahe gemütlich, der nun auf das Dach stieg. »Ich denke, ihr solltet lieber im Bett liegen als auf diesem Dach sitzen. Oder macht euch das Spaß?«

      Sekunden später hockten Stoffel und Vronli ebenfalls in dem Schlauchboot, auf dessen Boden lang ausgestreckt Jasmine lag, die ihr Leben für den von den Kindern so geliebten Kater Julius eingesetzt hatte.

      »Ist das eure Schwester?« fragte Dr. Harald Brockdorff.

      Stoffel schüttelte den Kopf.

      »Leider nicht!«

      »Wir kennen sie gar nicht«, fügte Vronli hinzu, die, in eine warme Decke gehüllt, neuen Lebensmut faßte.

      »Ihr kennt das Mädchen nicht?« Der Mann wollte es nicht glauben.

      Es war doch unwahrscheinlich, daß ein völlig fremdes junges Mädchen sein Leben für einen unbekannten Kater einsetzte.

      Viele hielten Dr. Harald Brockdorff, der jetzt mit den Geretteten einem provisorischen Auffanglager für obdachlos Gewordene zustrebte, für sehr ehrgeizig. Er hatte sein Studium als Werkstudent finanziert. Er hatte jede Hürde genommen bis zu dem Tag, an dem er eine Assistentenstelle bei einem der berühmtesten Professoren an der Universitätsklinik erhielt, für die sich über zweihundert Bewerber gemeldet hatten. Harald Brockdorff aber hatte die Stelle erhalten. Himmel und Hölle hatte er dafür in Bewegung gesetzt. Und viele munkelten, daß er wochenlang vorher mit der berühmten oder vielmehr berüchtigten Eva Müller ausgegangen war, die als erste Sekretärin des Professors arbeitete. Ja, ganz böse Zungen wollten sogar wissen, daß er die schon ältere Eva nicht nur zum Tanz ausgeführt hatte, sondern ihr auch Geschenke machte, die seine schmale Börse so überschritten, daß er, als er endlich in die Universitätsklinik einzog, einen Berg Schulden hatte.

      Aber ich habe es geschafft! dachte Harald Brockdorff in dem Augenblick, da das Schlauchboot von starken, hilfreichen Händen an Land gezogen wurde.

      Was er geschafft hatte, das wußte er selbst nicht recht zu sagen.

      *

      »Die Kinder sind wohlbehalten. Das Mädchen ist…« Harald Brockdorff konnte nicht weitersprechen. Denn eine bezaubernde Stimme erklärte nicht nur bestimmt, sondern auch überzeugend: »Das Mädchen ist auch nicht mehr ohnmächtig. Es möchte aber gern ein paar trockene Kleider haben, sonst holt es sich eine Lungenentzündung!«

      Mein Gott!

      Der sonst so nüchterne Harald Brockdorff


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