Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

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Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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Sohn. Endlich bist du daheim.«

      Hasso von Degencamp nahm seinen Sohn behutsam hoch und trug ihn vorsichtig wie eine kostbare Last ins Schloß und die Treppe nach oben. Lina folgte mit den Koffern des Kleinen. Der Chauffeur brachte die Pakete.

      Man hatte ein Zimmer hergerichtet. Ein schönes, großes Zimmer mit Blick zum Park. Der Fürst hatte einen Innenarchitekten bestellt, der ein richtiges Jungenzimmer daraus machen sollte, mit allem, was ein Junge von sechs Jahren sich wünscht.

      Der Fürst trug seinen Sohn zu dem kleinen Sofa und bettete ihn darauf. Gerade als er sich aufrichtete und den Jungen mit zärtlichen Blicken betrachtete, schlug Wolfram die Augen auf. Lina bemerkte es und zog sich schnell zurück. Sie hielt es für richtiger, wenn Vater und Sohn in diesem Augenblick allein waren.

      »Wo bin ich denn?« Wolfram rieb sich verschlafen die Äuglein und sah erstaunt um sich. »Ich war doch eben noch im Auto. Wo ist die nette Tante, die mir die Fußballschuhe gekauft hat? Habe ich das vielleicht bloß geträumt? Auch das vom Schloß und dem Fürsten?«

      Hasso von Degencamp lächelte amüsiert.

      »Nein, mein Junge. Das hast du nicht geträumt. Aber du warst eingeschlafen. Inzwischen hat die nette Tante dich zu mir gebracht, auf das Schloß, wo du in Zukunft leben wirst.«

      Wolfram richtete sich auf und betrachtete stirnrunzelnd den Mann, der vor ihm stand und ihn freundlich ansah.

      »Und wer sind Sie?« erkundigte er sich schließlich. »Sind Sie der Herr Fürst?«

      Hasso von Degencamp setzte sich neben seinen Sohn.

      »Nun hör mir mal gut zu, mein Junge«, sagte er ernst. »Ja. Ich bin der Fürst von Degencamp. Und du bist mein Sohn; in Zukunft wirst du mit mir hier auf Schloß Degencamp wohnen. Ich…« Er suchte nach Worten, um dem Kind zu sagen, was es unbedingt wissen mußte. »Deine Mami hat früher auch hier auf dem Schloß gewohnt. Sie und ich, wir haben einander sehr lieb gehabt. Aber dann ist deine Mami eines Tages fortgegangen und hat dich mitgenommen. Ich wußte nicht, wo ihr beide wart. Ich habe dich erst jetzt wiedergefunden. Und da habe ich dich sofort hierher zu mir geholt. Verstehst du das alles?«

      Wolfram antwortete nicht. Er kaute an seiner Unterlippe und schien zu überlegen. Dann sagte er zögernd:

      »Aber warum ist denn die Mami mit mir fortgegangen, wenn sie Sie doch liebgehabt hat?«

      Der Fürst war auch auf diese Frage seines Sohnes vorbereitet. Er sagte langsam:

      »So wie du eine Mami hattest, hatte ich auch eine Mami. Aber leider mochte meine Mami deine nicht leiden, und da ist deine Mami dann fortgegangen.«

      »Und warum haben Sie meine Mami weggehen lassen?«

      Diese Frage aus dem Mund seines Sohnes traf den Fürsten hart.

      Ja – warum hatte er sie damals gehen lassen, die er doch so sehr geliebt hatte? Es war alles so schnell gegangen. Er hatte nicht gedacht, daß seine Mutter so hart sein würde, und er hatte vor allem nicht damit gerechnet, daß die Geliebte ihr so schnell und so bedingungslos gehorchen würde. Er hatte nicht mit ihrem verletzten Stolz gerechnet, der es nicht zulassen wollte, daß das Herz, das sich verraten glaubte, sich zu dem Geliebten flüchtete.

      So war sie gegangen, ohne ihm auch nur ein Wort zu sagen. Nie hätte er von der Existenz seines Sohnes erfahren, wenn er nicht zufällig jenes Geheimfach im Schreibtisch der Mutter geöffnet hätte.

      Die großen Kinderaugen, die den seinen so seltsam ähnelten, waren immer noch fragend auf ihn gerichtet.

      »Ja, mein Sohn«, sagte er langsam, und seine Stimme klang traurig. »Deine Mami ist damals fortgegangen, ohne mir etwas zu sagen. Ich wußte nichts davon. Ich konnte sie also auch nicht zurückhalten.«

      Der Ausdruck in den hellen wachsamen Augen veränderte sich jäh.

      »Dann hat Ihre Mami also meine Mami weggejagt. Sie war böse, Ihre Mami, sehr böse! Ich mag sie nicht. Ich will nicht hierbleiben!«

      Er war plötzlich ganz steif vor Abwehr. Der Fürst erschrak.

      »Meine Mutter lebt nicht mehr, Wolfram«, sagte er leise. »Wir sind ganz allein, du und ich. Meinst du nicht, daß es schöner wäre, wenn wir beide zusammenblieben?«

      »Ich kenne Sie ja gar nicht!« stieß das Kind hervor. Es stand auf und lief zur Tür. »Ich möchte wieder zurück. Ich will hier nicht bleiben. Ich mag nicht!«

      Er weinte nicht, aber sein kleines Gesicht sah unglücklich und entschlossen zugleich aus.

      »Aber ich bin dein Vater, Wolfram«, sagte der Fürst leise. Es klang bittend.

      Der Junge wandte sich zögernd um.

      »Aber ich kenne Sie doch gar nicht«, wiederholte er.

      Es war kein Trotz in seiner Stimme, nur Nichtverstehen und leise Abwehr.

      »Du wirst mich kennenlernen. Vielleicht kannst du mich dann doch ganz gut leiden«, sagte der Fürst.

      Der Junge meinte zögernd:

      »Manche von den Kindern im Internat haben einen Vati. Aber die Vatis kommen immer mal zu Besuch. Zu mir kam nie jemand. Nur als Mami noch da war, da…« Tränen erstickten die Kinderstimme.

      Die kleine Gestalt an der Tür wirkte auf einmal sehr winzig und verloren.

      Fürst Hasso war mit zwei Schritten bei seinem Sohn und zog ihn zärtlich in die Arme.

      »Aber jetzt hast du mich«, sagte er schnell. »Jetzt bist du doch nicht mehr allein. Ich habe dich sehr lieb. Das mußt du mir glauben. Vielleicht bleibst du doch hier. Ich könnte mir vorstellen, daß es sehr schön wird mit uns beiden.«

      Er nahm ein weißes Taschentuch aus dem Jackett und wollte dem Kleinen die Augen trocknen. Aber der Junge nahm es ihm fort und rieb energisch in seinem Gesichtchen herum. »Das kann ich doch schon selbst«, sagte er energisch. »Ich bin doch schon groß.«

      Nun bestand Wolfram nicht mehr darauf, zurückgebracht zu werden.

      Als Lina auf das Läuten des Fürsten hereinkam, begrüßte das Kind sie schon wie eine alte Vertraute, und sein Vater ließ es beruhigt mit der Mamsell allein.

      Auf dem Weg in sein Arbeitszimmer überlegte er, ob er den Jungen richtig behandelt hatte. Er kam zu dem Schluß, daß es besser war, dem Kind gut zuzureden, als es zu zwingen und Gehorsam von ihm zu verlangen.

      *

      Sybill hatte sich wieder einmal von den andern fortgeschlichen. Wenigstens hin und wieder mußte sie allein sein, mußte ihren eigenen Gedanken nachhängen und in Ruhe genießen, daß sie wieder einmal auf dem vertrauten Lande war.

      Ein Gesicht tauchte in Gedanken vor ihr auf, ein sehr männliches, fast ein wenig streng wirkendes Gesicht. Der etwas eigenwillige Mund lächelte, und am Kinn wölbte sich ein Grübchen, ein ganz winziges.

      Sie schrak zusammen und errötete wie ertappt: dieses Gesicht gehörte dem Fürsten Degencamp.

      »Ich bin ja wahnsinnig«, flüsterte sie vor sich hin. »Ich muß übergeschnappt sein! Außerdem ist es gar nicht wahr, ich bin nicht verliebt – nicht in den Fürsten – niemals!«

      Sie bemühte sich, an etwas anderes zu denken, dieses Gesicht nicht mehr zu sehen; aber es ließ sich nicht so einfach fortwischen. Es tauchte immer wieder vor ihr auf, und es war, als lächelten ihr die schmalen Lippen heimlich zu.

      Und als sie es endlich geschafft zu haben glaubte, als sie befreit aufatmete, war es wieder da, und der Mund, unter dem das winzige Grübchen sich wölbte, lächelte und sagte:

      »Wie nett, Sie zu treffen, Baro­nesse. Mir scheint, Sie lieben die Einsamkeit.«

      Sie brauchte geraume Zeit, bis sie begriff, daß er leibhaftig vor ihr stand, in einen grünen Lodenanzug gekleidet, einen winzigen Zwergdackel an der Leine.

      Warum hat das Tier keinen Laut von sich gegeben? dachte sie und neigte grüßend


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