Abgesoffen - Die Milliardenlüge. Hajo Maier

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Abgesoffen - Die Milliardenlüge - Hajo Maier


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Entscheidungen, die nicht mehr darauf abzielen, das Unternehmen mit reduzierten Renditen zu sanieren, oder rechtzeitig als zahlungsunfähig zu melden, um die Anlegerverluste gegenüber 2018 wenigstens zu reduzieren. Sondern sie treffen die Entscheidung, ihren gigantischen Schneeball zu füttern, auszubauen, zu systematisieren und – das wird später deutlich – frisches Geld für bestehende Anlegerforderungen als legitimes Geschäftsmodell zum Wohle der Anleger ernsthaft zu behaupten. Über mehr als zehn Jahre. Sie gewöhnen sich an ihr eigenes Modell. Roth wird später, 2018, bei den polizeilichen Ermittlungen sagen:

      »Hätte man mich weitermachen lassen, hätte kein Anleger Geld verloren.«

      Er glaubt, was er sagt.

       Kapitel 4

       Wenn ich hundert sage, meine ich Millionen

       Die Welt des Werner Feldkamp

      2011 im Januar. Feldkamp ist der Generaldirektor alter Schule. Er steuert P&R Deutschland wohl ohne Heinz Roth, wie er selbst sagt. Mit Harald Roth, dem Gründer-Sohn, als Wasserträger. Heinz Roth ist wohl auf seiner Insel St. Barth. Wo er auch bleiben soll, wie Feldkamp nicht müde wird zu betonen. Dreißig Jahre enge Zusammenarbeit und Wertschätzung klingen anders. Einzuordnen sind solche Aussagen von den Mitarbeitern nicht. Aber es scheint um mehr als nur kurzfristige Unstimmigkeiten zu gehen. Möglicherweise, jedenfalls darf man das vermuten, ist es der immer größer werdende Druck auf beide, den Betrug weiter zu verschleiern, dem jeweils anderen die Verantwortung für die Entstehung der fatalen Situation überhaupt zuzuschieben. Naheliegend: Denn Roth wird später, bereits Ende 2016, also nach Feldkamps Tod und über ein Jahr vor der Insolvenz, seinen langjährigen Weggefährten intern verantwortlich machen für die hohen, kaum zu bedienenden Anlegerforderungen. In abstrusen Begründungen. Möglicherweise hat Feldkamp sich auch von Roth allein gelassen gefühlt. In einer Situation, wo es für beide um alles geht, um Betrug, Knast, Verlust der Existenz, genießt Roth sein Millionärsleben in der Karibik. So die Wahrnehmung jedenfalls retrospektiv.

      Feldkamp muss also weitestgehend alleine steuern und klarkommen. Mit Anlegern. Mit der Presse. Mit dem Wirtschaftsprüfer. Mit dem Vertrieb. Und es gibt nur ein Ziel damals, eine existenzielle Notwendigkeit: Das frische Geld von Anlegern darf nie versiegen. Es muss mehr werden. Um bestehende Forderungen der Anleger zu bedienen und vielleicht, mit etwas Glück, Überschüsse zu erzielen, mit denen der Schneeball zurück gebaut werden kann, indem der reale Containerbestand, hunderttausende Kisten fehlen bereits, Stück für Stück an den Soll-Bestand der an Anleger verkauften Boxen angepasst wird. Keine Spekulation. Denn Feldkamp wird später, 2014, gegenüber einem leitenden Mitarbeiter äußern, er wolle in Rente, habe aber noch ein paar Jahre wichtiges mit der Firma zu regeln. Damals klingt das unspektakulär. Auch die sogenannte Fortbestandsanalyse, die er intern beauftragen wird. Die aber nicht ist, was sie sein soll. Sie ist nichts anderes als eine Statuserfassung zum Fehlbestand und den monströsen Defiziten, um den Rückbau des Schneeballs zu planen. Denn Feldkamp weiß: Die Betrugs-Firmen sind so weder zu verkaufen, noch sind sie legal sauber zu liquidieren, ohne dass der Betrug sofort entdeckt werden wird. Und er dann mit Roth, statt ein geruhsames Millionärsdasein in Rente zu genießen, in Stadlheim seine nächsten zehn Jahre verbringen darf. Das muss Feldkamp gewusst haben. Das dürfte er mit seinen kryptischen Sätzen auch gemeint haben. Naheliegend. Feldkamp muss also weiterhin erfolgreich sein. Erfolgreich bedeutet: Hunderte Millionen an frischem Geld ansaugen. Er ist kein Stratege. Aber lange im Geschäft. Er weiß, gefühlt wenigstens, wie Anleger ticken. Was sie brauchen. Was sie lesen mögen, um P&R zu vertrauen. Altanleger, die reinvestieren sollen. Die P&R empfehlen sollen. Neuanleger, die noch mehr Geld bringen.

      Ein erster Schritt: Er dokumentiert transparent alle wesentlichen Kenngrößen und die Entwicklung des so gesunden Unternehmens für die Anleger in einem neu gestalteten sogenannten Performancereport Anfang 2011, der alle wesentlichen Zahlen, auch kumuliert von 2003 bis 2010, einzeln für 2008, 2009, 2010, enthält. Jedenfalls die Zahlen, die man zeigen möchte. Diesen Report, ein Name den das Papier nicht verdient, gibt es schon ein paar Jahre. Aber Feldkamp ändert die Darstellung: übersichtlicher, klarer, professioneller. Er bildet den Report nicht nur auf seiner ebenfalls neu gestalteten Website ab. Er lässt ihn an alle Bestandskunden verschicken. Zwei dünne Seiten weisen eine beeindruckende Bilanz aus:

      Report | Performance 201015

      Aktuelle Leistungsdaten der P&R-Gruppe Deutschland

      P&R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH

      P&R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH

      P&R Container Leasing GmbH

      über 55.000 Investoren

      über 250.000 Verträge

      über 1.500.000 verwaltete Containereinheiten (TEU); ca. 6% des Weltcontainerbestandes

Containerverkaufsvolumen an Investoren:
2003 bis 2010:4.660 Mio. Euro
davon in 2008:0.747 Mio. Euro
davon in 2009:0.442 Mio. Euro
davon in 2010:0.692 Mio. Euro
Mietauszahlungen an Investoren:
2003 bis 2010:2.516 Mio. Euro
davon in 2008:0.356 Mio. Euro
davon in 2009:0.381 Mio. Euro
davon in 2010:0.377 Mio. Euro
Containerrückkäufe nach Vertragsablauf
2003 bis 2010: davon in 2008:1.339 Mio. Euro 0.275 Mio. Euro
davon in 2009:0.188 Mio. Euro
davon in 2010:0.096 Mio. Euro
Geprüftes System:

      Gutachten über Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit sämtlicher Mietzahlungen und Rückkäufe bis 2009 liegen vor.

      Für die aktiven und potenziellen Anleger wirken diese Zahlen seriös, erfolgreich, glaubhaft. Der explizite Hinweis auf ein Gutachten, gemeint ist ein Wirtschaftsprüfer-Prüfbericht, populistisch bezeichnet als geprüftes System, bestätigt, dass alle Mietzahlungen und Rückkäufe ordnungsgemäß erfolgt sind. Das ist beruhigend. Die öffentliche Dokumentation einer ungeheuren Erfolgsgeschichte. Feldkamp weiß: Nachweisbarer Erfolg, Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und eine glaubhafte Kontrollinstanz sind die beste Werbung für bestehende wie potenzielle Kunden. Hier folgt er den Empfehlungen seiner neuen Marketing-Agentur. Die Vertriebszahlen im Report sind korrekt. Denn sie bezeichnen im Grunde nur die Zahlungsströme von und zu den Investoren. Wieviel Geld P&R eingesammelt hat. Die Mietauszahlungen und Rückkaufsvolumina. Vieles aber in diesem so beeindruckenden Zahlenwerk stimmt nicht. Feldkamp, Herr über Zahlen und Anlegerinformationen, lässt wesentliche Informationen aus. Oder stellt wesentliche Informationen irreführend dar. Die gefährlichen Zahlen, die in einfacher Kombination schon zu diesem Zeitpunkt, 2011, hätten aufdecken können, dass die Erfolgsgeschichte P&R keine Erfolgsgeschichte mehr ist:

      Über die Anzahl der tatsächlich erworbenen Container pro Jahr und Gesellschaft, über deren Typ, wie beispielsweise 40 Fuß oder 20 Fuß, über deren Alter, steht dort nichts. Die Veröffentlichung der Zusammensetzung der P&R Containerflotte ist für Feldkamp schon immer eine Zahl, die nicht veröffentlicht wird. Viele Jahre aus seiner Haltung heraus, grundsätzlich ginge das niemanden etwas an. Seine Worte. Nun aber, spätestens ab 2007, muss er diese Information unbedingt zurückhalten, eben weil sie dokumentieren würde, welchen Containerbestand in welcher Flottenzusammensetzung die Schweizer P&R exakt und wenigstens theoretisch verwaltet. Diese Flottenzusammensetzung muss den über die einzelnen Investmentangebote an Anleger verkauften Containertypen und deren Alter ja entsprechen. Was sie nicht tut. Hunderttausendfach nicht.

      Eine zweite wesentliche Information in diesem Zusammenhang fehlt ebenso: Entsprechen die Kaufpreise, die die Investoren bezahlen, den Marktpreisen? Gerne mit etwas Aufschlag? Sie tun es nicht. Schon zu diesem Zeitpunkt verkauft P&R die Frachtcontainer völlig überteuert an Anleger. Nicht selten bis 40% über Marktwert. Aber wer will das nachvollziehen? Der Kleinanleger kann es nicht. Zu komplex sind die Einflussfaktoren, die insgesamt marktgerechte Containerpreise in allen Ausführungen definieren. Schon mit


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