Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina Kaiser

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Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman - Karina Kaiser


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»Danke, das ist wirklich freundlich von Ihnen. Aber da gibt es noch ein Problem: Kira besitzt zwei Kanarienvögel, an denen sie sehr hängt. Es wäre furchtbar für sie, nun auch noch ihre Tiere zu verlieren, weil sie sie nicht mit nach Sophienlust bringen darf.«

      »Da können Sie unbesorgt sein. Das ist kein Problem.« Nick lächelte Ellen aufmunternd zu. »Die Vögel dürfen sogar in Kiras Zimmer wohnen. Vielleicht helfen die beiden Tiere ihr ein bisschen, den schweren Verlust besser zu überwinden. Wann möchten Sie Kira zu uns bringen? Wenn es dringend notwendig ist, kann sie schon heute einziehen.«

      »Nein, heute noch nicht«, erwiderte Ellen. »Ich muss doch noch ein paar Sachen für die Kleine packen. Außerdem soll sie nicht das Gefühl haben, dass ich sie so schnell wie möglich abschieben will. Ich möchte auch noch in Ruhe mit ihr darüber sprechen, wie künftig alles ablaufen soll und dass ich sie regelmäßig besuchen möchte. Wenn ich Kira übermorgen nach Sophienlust bringen könnte, wäre das ideal.«

      Mit diesem Vorschlag waren sowohl Nick als auch Denise einverstanden. Sie freuten sich über Ellens Plan, das Mädchen regelmäßig besuchen zu wollen, denn diese Besuche würden Kira bestimmt helfen.

      »Du hast deine Sache hervorragend gemeistert«, raunte Denise ihrem Sohn zu, als sie Ellen wenig später nach draußen begleiteten. »Ich bin sehr stolz auf dich.«

      Nick grinste ein bisschen verlegen. Zwar mochte er das nicht offen zugeben, aber das Lob seiner Mutter tat ihm richtig gut.

      Draußen vor der Freitreppe stand Kira inmitten einiger Kinder, die sich mit ihr unterhielten. Heidi erspähte Ellen, Nick und Denise und lief sofort auf die drei zu.

      »Kira hat uns erzählt, dass sie vielleicht für immer bei uns bleibt, weil ihre Mutter mit einem Flugzeug abgestürzt und jetzt tot ist. Stimmt das? Ich meine damit nicht, ob es stimmt, dass Kiras Mutter tot ist. Das glauben wir ihr. Sie ist nämlich wirklich sehr traurig und tut nicht nur so. Aber stimmt es, dass sie ein Dauerkind von Sophienlust wird?«

      »Das könnte gut möglich sein«, antwortete Nick. »Zumindest bleibt Kira in Sophienlust, bis sich vielleicht eine andere Möglichkeit ergibt. Es kann ja sein, dass sie Pflegeeltern findet, bei denen sie leben möchte. Aber erst einmal zieht Kira übermorgen bei uns ein.«

      Heidi nickte zufrieden. »Das ist schön. Wir werden auch ganz lieb zu ihr sein und sie trösten, damit sie nicht mehr so furchtbar traurig ist.«

      »Ja, wir helfen Kira«, ließ Kim sich vernehmen. »Sie schon bald wird merken, dass wir alle neue Familie für sie sind. Dann ist sie wieder fröhlich und wird nicht mehr denken so viel an ihre Mutter.«

      Kira hatte die Worte der Kinder gehört und wusste, dass sie alle aufrichtig mit ihr fühlten und ihr helfen wollten. Sie hatte nichts dagegen, in Sophienlust Einzug zu halten, wollte sich aber nicht damit abfinden, hier in diesem Kinderheim bleiben zu müssen, bis sie erwachsen war. Irgendwie würde ihre Mutti im Himmel es schon schaffen, sie zu sich zu holen. Ohne ihre Mutter wollte Kira nicht auf dieser Welt bleiben. Doch darüber sprach sie in diesem Moment kein Wort. Stattdessen verabschiedete sie sich freundlich von allen und fuhr mit Ellen zurück nach Hause.

      *

      Nicht nur Daniel Edlinger versuchte, die Identität seiner Patientin herauszufinden. Auch die Grazer Polizei bemühte sich, zur Klärung beizutragen. Inzwischen hatte man im ganzen Land und auch in Deutschland Erkundigungen eingezogen, ob irgendwo eine junge Frau als vermisst gemeldet war. Aber das war nicht der Fall, und die Polizei war inzwischen ratlos.

      Während seiner Mittagspause besuchte Daniel seine Patientin an einem wundervoll sonnigen Tag in deren Zimmer und setzte sich zu ihr an den kleinen Tisch, der am Fenster stand.

      »Alle Nachforschungen haben noch immer nichts ergeben«, bemerkte er. »Nirgendwo werden Sie vermisst. Das verstehe ich nicht. Sie können schließlich nicht einfach vom Himmel gefallen sein.«

      Der junge Arzt hatte keine Ahnung, wie nah er damit der Wahrheit kam, und sprach weiter: »Ich hoffe natürlich, dass sich doch noch alles recht bald aufklären wird. Bis dahin sollten wir aber ein kleines Problem klären: Ich weiß nicht, wie ich Sie ansprechen soll. Die Pfleger und Krankenschwestern haben dasselbe Problem. Niemand kennt Ihren Namen. Könnten Sie mir nicht einfach einen Namen nennen, der Ihnen gefällt und den wir vorläufig benutzen können? Ein Vorname würde schon reichen.«

      Die junge Frau zog die Schultern hoch. »Ich weiß nicht, mir wäre jeder Name recht. Eine Krankenschwester war so nett, mir ein Buch zu überlassen, das eine Patientin bei ihrer Entlassung nicht mit nach Hause nehmen wollte. Ich lese dieses Buch gerade. Die Hauptperson heißt Claudia. Mir wäre es recht, wenn mich alle mit diesem Namen ansprechen würden, zumindest bis zu dem Tag, an dem ich mich endlich wieder daran erinnern kann, wer ich eigentlich bin. Ständig zerbreche ich mir den Kopf darüber. Nachts liege ich oft wach im Bett und versuche krampfhaft, mich an meinen Namen und meine Vergangenheit zu erinnern. Aber alles bleibt wie in einem dichten Nebel verschwunden.«

      »Mit Gewalt können Sie nichts erreichen, Claudia«, erklärte Daniel. »Es kann sein, dass von ganz allein plötzlich ein paar Erinnerungen zurückkommen, und danach setzt sich Ihre gesamte Vergangenheit schon bald wie ein Puzzle zusammen. Sie können Ihr Gehirn aber nicht zwingen, sich an alles zu erinnern, weil Sie das jetzt so wollen.«

      »Ja, das habe ich auch schon gemerkt«, erwiderte sie und betrachtete nachdenklich ein Segelflugzeug, das am blauen Himmel seine Bahn zog. Warum ihr bei dem Anblick eine Gänsehaut über den Rücken lief, konnte sie sich nicht erklären. Ein Gefühl von Panik breitete sich in ihr aus, und sie hielt förmlich den Atem an.

      »Was ist denn los?«, erkundigte sich Daniel, der die Panik in den Augen der jungen Frau lesen konnte und nun auch zu dem Segelflugzeug hinaufblickte. »Sie brauchen sich wirklich nicht vor einem kleinen Flugzeug zu fürchten. Die sind hier bei gutem Wetter häufig unterwegs und machen noch nicht einmal Lärm, so wie Motorflugzeuge es tun.«

      »Ich weiß«, erwiderte sie. »Ich kann mir auch nicht erklären, wieso ich plötzlich diese Angst hatte. Einen Moment lang dachte ich, das Flugzeug würde abstürzen.«

      Sie wirkte in diesem Moment wie ein ängstliches kleines Mädchen, das Schutz benötigte. Daniel konnte nicht anders: Er legte seinen Arm tröstend um ihre Schulter.

      »Keine Angst, es passiert nichts. Hier ist noch nie ein Flugzeug abgestürzt, auch nicht so ein kleiner Segelflieger. Es ist alles in bester Ordnung.«

      Ohne es wirklich bewusst wahrzunehmen, schmiegte die junge Frau sich an ihn. »Sie sind für mich wie ein großer Bruder, der mich beschützt«, gestand sie.

      »Große Brüder sagen aber nicht Sie zu ihren kleinen Schwestern«, entfuhr es Daniel spontan. Er war über diese Bemerkung selbst erschrocken, konnte sie nun aber nicht mehr zurücknehmen. Gespannt wartete er darauf, wie seine Patientin darauf reagieren würde.

      Sie lächelte ihn an und schien in keiner Weise peinlich berührt zu sein. »Da ich nun den Namen Claudia habe, dürfen Sie den auch ruhig benutzen und wie ein großer Bruder auf förmliche Anreden verzichten.«

      »Dann bin ich aber auch Daniel für dich. Wenn wir schon beschlossen haben, auf Förmlichkeiten keinen Wert mehr zu legen, dann müssen wir das auch beide tun.«

      Daniel blieb noch eine ganze Weile bei ihr. Dann sagte ihm ein Blick auf die Uhr, dass die Mittagspause bereits vorbei war, und er verabschiedete sich. Einerseits freute er sich darüber, der Frau, für die er so viel empfand, heute sehr nahe gekommen zu sein. Andererseits fragte er sich, ob das nicht ein großer Fehler war. Wenn sie wirklich verheiratet war, hatte er nicht das Recht, sich in sie zu verlieben und ihr das auch noch offen zu zeigen. Es war Daniel klar, dass er seine Grenzen womöglich überschritten hatte. Trotzdem fühlte er sich im Augenblick wohl und beschwingt und verdrängte sein schlechtes Gewissen.

      *

      Die Kinder von Sophienlust waren daran gewöhnt, dass sich Neuankömmlinge in der ersten Zeit recht seltsam verhielten. Da gab es die, die sich aufsässig zeigten und gegen alles erst einmal rebellierten, dann gab es Kinder, die nur verzweifelt waren und ständig weinten, oder auch jene hochnäsigen


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