Rubine im Zwielicht. Dieter Jandt
Читать онлайн книгу.musste einsehen, dass hier nichts zu holen war. Er ließ die beiden stehen und verließ unter den harmonischen Gesängen aus den Deckenlautsprechern das Restaurant. Er ging hinüber zum Islandufer. Dort hatte er seinen BMW neben dem Brückengeländer geparkt. Er stieg ein und schaute auf das schmutzigbraune Wasser der Wupper. Warum hatte man bei Asiaten immer das Gefühl, dass sie weit mehr wussten? Aber was hätte er tun sollen? Diesen Wicht packen und durchschütteln? Solange, bis die richtigen Informationen herauskamen? Diese Asiaten hielten doch alle zusammen. Thailänder, Chinesen, Vietnamesen, allesamt undurchschaubar. Derintop liebte einfache, klare Verhältnisse. Asiatische Mentalitäten waren für ihn undurchdringliche Dschungel, in denen man selbst mit einer Machete nicht weiterkam. Er startete den Wagen. Oder war er dabei, sich zu verrennen? Vielleicht musste er in seinem eigenen Umfeld suchen?
11.
Wagner warf das Stück Schweineleber auf ein Kunststoffbrett. Er setzte sich an den Küchentisch und begann es mit einem Messer in Streifen zu schneiden. Zwiebeln lagen bereits in Ringen auf einem zweiten Brett. Wagner blinzelte. Eine Träne lief aus dem geschwollenen Auge, er wischte vorsichtig mit dem Handrücken darüber. Auf dem Elektroherd köchelte Reis vor sich hin.
Es schellte. Wagner zögerte einen Moment und schaute durch das Fenster. Es dämmerte bereits und Wagner musste unwillkürlich an den Schläger denken. Wieder schellte es, zweimal kurz hintereinander. Wagner hatte Bärhalter vor Augen. Er schaute schnell auf den Küchenboden, wo er unter einer Diele des Schiffsparketts die Edelsteine versteckt hatte, die er mittlerweile verfluchte, und ging hinüber zur Wohnungstür.
Es war Nok. Sie wich einen Schritt zurück, als sie Wagner in der Tür stehen sah, mit seinem geschwollenen Auge, das Küchenmesser in der Hand. Wagner schaute an sich herunter, bemerkte das Messer und versuchte ein Lächeln, was dem lädierten Gesicht eine komische Note verlieh.
»Was haben Sie denn gemacht? Haben Sie sich geschlagen?«
»Man mich, nicht ich mich. Kommen Sie doch rein.« Die beiden gingen in die Küche. Nok trug ein knielanges Blümchenkleid mit großen roten Blüten, was am Körper einer abendländischen Frau sogleich kitschig ausgesehen hätte, stellte Wagner bewundernd fest. Nok setzte sich umstandslos auf einen der Stühle, wickelte einen hauchdünnen, blutroten Schal vom Hals und legte ihn über die Stuhllehne. Wagner bestaunte eine doppelt gelegte Perlenkette. War diese Geste Absicht? Sollte das irgendein Zeichen sein? Wohingegen sie doch vorgestern erst behauptet hatte, sich keinen Schmuck leisten zu können? Hatte sie das nicht so gesagt? Wagner spürte, wie er sich gleich wieder von Nok verunsichern ließ.
»Freut mich, wirklich. Aber wie sind Sie an meine Adresse gekommen?« Wagner setzte sich an den Tisch und fuhr fort, die Schweineleber in Streifen zu schneiden. Nok schaute interessiert zu.
»Ich habe einfach beim Wupper-Kurier angerufen, und da habe ich Frau -, wie heißt Sie doch?«
»Etwa Witzleben?« Wagner biss sich auf die Lippe, was ihm sofort einen stechenden Schmerz eintrug.
»Ja genau, Wissleben.«
»Witz. Witzleben.«
»Wissleben, genau. Nette Frau. Ich wollte mich nur wegen dieser asiatischen Einwanderer vergewissern, ob das stimmt, was Sie mir erzählt haben.«
Wagner räusperte sich. »Und was hat Sie gesagt?«
»Dass sie davon nichts weiß. Sie würden momentan an einer Reportage über den Botanischen Garten arbeiten.«
»Leider, ja, und die Sache mit den Einwanderern mache ich erstmal ins Blaue hinein. Ich bin freier Journalist. Da denkt man sich schonmal irgendein Thema aus, recherchiert ein wenig und bietet es später an.«
Nok lächelte. »Ich habe es mir so ähnlich auch schon gedacht. Sie wirken nicht wie jemand, der etwas im Schilde hat.«
»Führt. Schilde führt.«
»Deswegen bin ich nämlich gekommen. Ich wollte wissen, wie das nun weitergeht? Ob Sie noch mehr über asiatische Einwanderer wissen wollen? Und ob ich Ihnen dabei helfen kann.« Ihre Finger spielten mit der Perlenkette, und Wagner bemerkte erst jetzt einen goldenen Ring mit einem aufgesetzten, rötlich funkelnden Stein.
Wagner zeigte mit der Messerspitze auf sein geschwollenes Auge. »Sagen Sie mal, kann das sein, dass Ihr Mann einen weißen Mercedes fährt?«
»Oh ja, haben Sie ihn kennengelernt?«
»Ja, und wie. Er hat mich zusammengeschlagen.«
»Ja, ach, schon wieder.«
»Nein, zum ersten Mal, und hoffentlich zum letzten Mal.«
»Ich meine, das ist schon ein paar Mal vorgekommen. Seit wir getrennt leben, stellt er mir nach, müssen Sie wissen. Er ist sehr eifersüchtig.«
»Das schien mir auch so.«
»Ja, nicht? Sobald er mich mit einem anderen Mann zusammensieht, verliert er die Kontrolle. Oh, das tut mir leid. Haben Sie noch Schmerzen?« Nok stand auf, trat ans Fenster und schaute hinaus. Wagner beugte sich wieder über das Kunststoffbrett. »Sagen wir so: Man hat gespürt, dass er sich mit Zuschlagen auskennt.«
Nok sah drüben auf der anderen Straßenseite den weißen Mercedes. Ihr Mann saß darin und schaute herüber.
»Hat Ihr Mann Sie etwa auch immer geschlagen?«
Nok drehte sich um.
»Mich? Nein. Getrunken hat er, das hat mir gereicht. Aber sagen Sie mal, was kochen Sie da?«
»Das ist Laab, eine thailändische Spezialität. Ich habe das Rezept in einem Kochbuch für asiatische Spezialitäten entdeckt. Ich habe Ihnen ja bereits erzählt, dass ich ein Faible dafür habe.«
»Faible?«
»Ja, Vorliebe, ein Gefallen, eine Schwäche.«
Nok lächelte. Ihre Fingerspitzen strichen wieder über die Perlen.
»Laab. Und das können Sie?«
»Ich versuch‘s.« Wagner wand sich bescheiden. Er stand auf, ging zum Elektroherd und öffnete den Topf, in dem der Reis köchelte. Er nahm einen Kochlöffel und begann, mit ausladenden Bewegungen sorgfältig umzurühren.
»Oh oh oh«, Nok war neben ihn getreten. Ihr mildes Parfüm mischte sich mit dem Geruch von gekochtem Reis. »Das dürfen Sie nicht machen.«
»Was?« Wagner hielt in der Bewegung inne.
»Wenn das Wasser ausgekocht ist, dürfen Sie den Reis niemals mehr umrühren. Lassen Sie ihn einfach auskochen, sonst zerkleinern Sie die Körner. Gerade bei Langkornreis. Und wenn Sie nicht aufpassen, haben Sie – wie heißt das? – Matsch.«
Nok nahm Wagner den Löffel aus der Hand und legte ihn beiseite. »Haben Sie denn keinen Reistopf?«
Wagner schüttelte den Kopf.
»Das kennen Sie nicht, stimmt das? So etwas können Sie in jedem asiatischen Lebensmittelladen kaufen. Ein ganz gewöhnlicher Topf in einem elektrisch betriebenen Umtopf. Sie geben Reis hinein, dann Wasser, und zwar so viel, dass es zwei Zentimeter über dem Reis steht. Dann schalten Sie den Topf ein. Und wenn der Reis fertig gekocht ist, springt der Schalter von allein um, und der Reis wird weiterhin warm gehalten. So einfach ist das. Vor allem gibt es keine Probleme mit angebranntem oder matschigem Reis. Haben Sie die Leber nun fertig geschnitten?«
Nok nahm das Kunststoffbrett vom Küchentisch, schabte die Leberstücke mit dem Messer in einen Topf und gab die Schweineschwarten, die neben dem Herd auf der Anrichte lagen, hinzu. Sie füllte Wasser in den Topf und wechselte ihn gegen den Topf mit dem aus, den sie an Wagner weiterreichte. »Hier, haben Sie etwas zu tun. So schlecht ist der Reis eigentlich gar nicht geworden. Wenn Sie vorsichtig sind, können wir ihn sogar essen.«
Wagner gehorchte. Er begann den Reis mit übertriebener Sorgfalt aus dem Topf in eine Schüssel zu geben. Nok deutete mit dem Kopf auf eine grüne Chilischote, die auf der Anrichte lag. »Und? Haben Sie noch nicht genug?«