Knall 2. Harald Kiwull

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Knall 2 - Harald Kiwull


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forderte Kupfer mich auf, fügte nach einem Augenblick hinzu: „Meine Herren“, wies auf die gegenüberliegenden Stühle und nahm in seinem ledernen Schreibtischsessel hinter dem großen Arbeitstisch zwischen den Fenstern Platz. Wir setzten uns um einen runden Beratungstisch aus dunklem Holz.

      „Herr Nielsen möchte Ihnen einige Fragen stellen“, begann der Präsident. „Er ist extra aus Stade hierhergekommen.“

      Vor Verblüffung sprachlos starrte ich erst Kupfer und dann

       Nielsen an. Schließlich wandte ich mich an Haken, mit dem ich ja fast befreundet war: „Können Sie mir sagen, was der Unsinn soll?“

      Haken blickte mich wortlos, etwas bedrückt an. Einen Augenblick schwiegen alle.

      „Wo waren Sie am letzten Wochenende ab Freitag?“, unterbrach Nielsen die Stille.

      „Also, jetzt reicht es mir aber“, brachte ich hervor und stand auf.

      „Bitte beruhigen Sie sich“, versuchte Kupfer, mich zu besänftigen, stand ebenfalls auf und kam um den Schreibtisch herum. Er legte mir eine Hand auf die Schulter, blickte in meine Augen und flüsterte: „Seien Sie kooperativ. Das Ganze ist peinlich genug.“

      „Na gut“, sprach ich Nielsen an und setzte mich wieder. „Ich bin bereit, Ihnen zu antworten. Aber dann möchte ich eine Erklärung für das ganze Theater hören.“ Er nickte mir zu.

      „Ich bin am Donnerstagabend mit dem Zug nach Hamburg gefahren, dann weiter nach Stade, war dort bis Samstag und dann noch eine Nacht in Hamburg. So, jetzt zufrieden?“, sagte ich zu Nielsen.

      „Und in Stade haben Sie im Hotel am Burggraben gewohnt. Das haben wir überprüft“, erwiderte er.

      Ich sah ihn verblüfft an. „Ja, das stimmt. Also, jetzt ist es wirklich genug! Was soll der Quatsch?“

      Nielsen blickte mich mit seinen hellen Augen durchdringend an. Einen Augenblick schwieg er. „An dem Tag, an dem Sie in Stade waren, wurde eine Sparkasse überfallen und ausgeraubt.“ Er zögerte, blickte einen Augenblick zu Boden und versuchte, sich zusammenzunehmen. „Bei diesem Überfall wurde ein Polizist in Zivil, der zufällig in die Sparkasse kam, angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Felix Tobaben. Er liegt seit Freitagabend in der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf im künstlichen Koma.“

      Entsetzt blickte ich erst ihn und dann den Präsidenten an. „Das ist ja furchtbar. Schrecklich.“ Ich überlegte einen Augenblick. „Aber was hat das mit mir zu tun? Für mich war das ein ganz normaler Kurzzeitaufenthalt. Von einem Überfall habe ich nichts mitbekommen. Wann war denn genau der Überfall?“

      Niemand antwortete mir.

      „Mensch!“, ich blickte zu Haken. „Was soll das Ganze?“

      Alle drei sahen mich weiter an, ohne etwas zu sagen. Nach einer Weile unterbrach ich die Stille. „Was ist? Was gibt es noch? Warum sagen Sie nichts?“

      „Leider ist das noch nicht alles“, wandte Kupfer sich mir zu.

      Erschrocken sah ich ihn an. „Was denn noch? Das reicht doch schon.“

      Nielsen drehte sich zu mir herum: „Haben Sie eine Schusswaffe?“

      Jetzt verschlug es mir aber wirklich die Sprache. Ich war fassungslos. „Schusswaffe?“ Ich konnte nicht weitersprechen. „Schusswaffe? Wieso wollen Sie denn das von mir wissen?“

      Nielsen antwortete nicht, musterte mich nur schweigend.

      Nach einer Weile fasste ich mich und drehte mich zum Präsidenten. „Sie wissen doch ganz genau, dass ich mir eine Pistole gekauft habe. Sie haben es mir damals empfohlen. Was hat denn das damit, mit dem Überfall zu tun?“

      Ich hatte mir tatsächlich vor Monaten eine Pistole, eine Walther PPK, angeschafft. Kupfer hatte mir nach dem Überfall auf mich dazu geraten. Ich lehnte zunächst ab, weil ich keine Angst hatte und das Ganze für einen Irrtum hielt. Ich konnte nicht glauben, dass mir ernsthaft jemand schaden wollte und ich mich schützen musste. Auch als das Geschehen sich weiter zuspitzte, behielt ich dieses Selbstvertrauen, dass mir letztlich nichts passieren werde. Vielleicht war es schon so, dass die ländliche Kindheit mit der lässigen Mutter mir ein massives Urvertrauen verschafft hatte, das mir half, alles unbeschadet zu überstehen.

      So dachte ich zunächst. Aber merkwürdigerweise änderte sich das Wochen später, in der Entspannungsphase. Zu den nächtlichen Albträumen und den Schlafstörungen kam auch eine allgemeine Unsicherheit, ein unmotiviertes Bedrohungsgefühl. Niemand wollte etwas von mir. Die Ganoven waren hinter Schloss und Riegel. Trotzdem, mein Selbstvertrauen war angeknackst. Immer wieder war ich ohne Grund unruhig, ab und zu überfielen mich Schwitzattacken. Mir war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Etwas musste geschehen.

      Mir fiel mein Freund und Kollege Georg aus Bremen ein, der mich in mein spanisches Abenteuer begleitet hatte. Er erzählte mir damals, dass ihm nach einem fürchterlichen Erlebnis eine Therapeutin sehr geholfen habe. Als ich ihn anrief und ihm erzählte wie ich mich fühlte, war er in großer Sorge um mich. In der kurzen Zeit, die wir uns kannten, war ein ungewöhnlich herzliches, freundschaftliches Verhältnis zwischen uns entstanden. Er riet mir dringend, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, und er murmelte etwas über die Gefahren einer posttraumatischen Belastungsstörung vor sich hin.

      Daraufhin hatte ich versucht, bei einem bekannten und als sehr erfolgreich geltenden Psychiater in Ettlingen einen Termin zu bekommen, Dr. Dr. Ewald Hilfreich. Er hieß wirklich so. Mein Freund Henner hatte mir einmal gesagt, dass alle Doppel-Doktoren einen Schuss hätten. Ich rief ihn aber trotzdem an, und er erklärte mir zunächst, ich müsse mit einer langen Wartezeit rechnen, da er total ausgebucht sei. Als er hörte, wer ich war und worum es ging, bekam ich unverzüglich einen Termin. Mein Name und das Trüffeldrama waren auch in der örtlichen Presse breitgetreten worden, und das half offensichtlich.

      Innerhalb recht kurzer Zeit machte er seinem Namen alle Ehre und half mir. Stabilisierte mich und schaffte es, abgesehen von gelegentlichen Rückfällen, die traumatischen Erinnerungen in normale umzuwandeln.

      Als ich ihm damals zu Beginn der Behandlung erzählte, ich wolle mir zu meiner Beruhigung auch eine Pistole anschaffen, meinte er, das sei zwar nicht gerade eine übliche Therapiemaßnahme, aber wenn es mir helfen würde ...

      Ein befreundeter Rechtsanwalt vermittelte mir dann die Walther PPK von einem seiner Bekannten, der sein Waffenarsenal verkleinern wollte.

      Anfangs führte ich die Pistole ständig mit mir herum, später bewahrte ich sie nur noch in der Wohnung auf. Jedenfalls war es tatsächlich so, dass ich mich mit ihr viel entspannter, sicherer und selbstbewusster fühlte.

      Das erinnerte mich damals an einen gewissen Franz, der immer zwei Fünfhunderteuroscheine, früher einen Tausendmarkschein, in einem Geheimfach seines Geldbeutels mit sich herumtrug, ohne sie auszugeben. Er fühlte sich damit sehr von sich überzeugt und stark.

      Derselbe, ein Autobastler, baute übrigens auch seinen Ehering als Unterlegscheibe in einen alten Sportwagen ein. Wobei mir unklar blieb, ob das eine auf der psychischen Ebene vielleicht etwas mit dem anderen zu tun haben könnte.

      Es gibt schon merkwürdige Menschen, dachte ich. Wahrscheinlich gehöre ich auch dazu.

      Ich durchbohrte Nielsen mit meinen Blicken. „Ja, ich habe eine Schusswaffe. Eine Walther PPK. Sie befindet sich im Safe in meiner Wohnung in Ettlingen.“ Ich schwieg einen Augenblick. „Ich habe natürlich auch einen Waffenschein. In meinem Safe ruht die Walther sicher und gut!“ Ich stand auf, ging zur Tür und wollte den Raum verlassen. „Die Zeugen warten!“

      „Halt!“, riefen Kupfer und Nielsen wie aus einem Mund und sehr laut. „Bleiben Sie, wir sind noch nicht fertig“, setzte der Präsident etwas leiser hinzu.

      Erschrocken blieb ich an der Tür stehen.

      Zum ersten Mal schaltete sich jetzt Haken ein. Er stand auf, kam herüber und legte mir eine Hand freundschaftlich auf die Schulter. „Setzen Sie sich wieder. Ich werde Ihnen sagen, worum es geht.“

      „Als


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