Eine spanische Eröffnung. Harald Kiwull
Читать онлайн книгу.er wünscht Ihnen ein sensibles Händchen.“
Wahrscheinlich bereute er jetzt, dass er das Paket nicht unterwegs unauffällig geöffnet hatte.
Ich sagte lieber gar nichts dazu.
„In ein paar Kilometern bei Torreblanca fahre ich wieder auf die Autobahn“, rief er mir noch munter durch das geöffnete Seitenfenster zu, als er mit donnerndem Motor anfuhr.
Den Karton mit zwei Flaschen „Pruno“ vom Ribera del Duero, die ich zum Abschied und Dank überreichte hatte, waren von ihm mit der Bemerkung „Woher wussten Sie, dass ich Rotwein mag?“, schon unter seinem Sitz verstaut worden.
Punkt eins meiner Planung ist erfolgreich abgehakt, dachte ich auf dem Rückweg nach Alcossebre. Aber auf der ganzen Strecke, auch den Berg hinauf nach El Pinar, registrierte ich sehr sorgfältig den Verkehr um mich herum. Erfreulicherweise tauchte kein Mercedes mit deutschem Kennzeichen auf. Die fröhlichen Menschen auf den Straßen und vor den Cafés am Meer passten nicht so recht zu meiner angespannten Stimmung.
Oben auf der Terrasse rief ich Jan an, gab die Erfolgsmeldung durch und bedankte mich noch einmal bei ihm. Als er mich fragte, ob ich schon wüsste, wie es weitergeht, antwortete ich ihm: „Ich muss abwarten, ob Paquita mir Informationen bringt.“
Mit den Worten „Grüße unbekannterweise an deine Mata Hari von Alcossebre“ verabschiedete er sich, nachdem ich versprochen hatte, ihn auf dem Laufenden zu halten. Ich fand das aber gar nicht lustig.
Ich setzte mich in den Lehnstuhl an der Brüstung neben dem kleinen Tisch, mein Arbeitsplatz von heute Morgen. Der wunderbare Blick hinunter in den Ort und in die Ferne über das Meer vermochte mich nicht zu entspannen.
Ich begann die Verpackung meines Frachtgutes zu lösen, als mir plötzlich ein Gedanke kam.
Die Ganoven wollten etwas von mir. Sie waren in das Haus in der Sierra eingedrungen. Zu dem Zeitpunkt wussten sie natürlich, dass ich nicht im Haus war. Also wollten sie nicht in erster Linie mir an den Kragen, sondern sie suchten irgendwas. Das hatten sie offenbar nicht gefunden, und deswegen waren sie hinter mir her, wohl um mich mehr oder weniger höflich zu befragen.
Warum sollten sie eigentlich ihre Suche auf Alcossebre beschränken. Ich griff zum Handy.
Jan meldete sich sofort. „Sag bloß nicht, dass es schon was Neues gibt?“
„Jan, du musst mir noch einen Gefallen tun. Wenn die Typen hier etwas suchen, dann tun sie es sicher auch bei mir zu Hause.“
Vor einiger Zeit war ich in eine gemütliche, ebenerdige Wohnung in Ettlingen am Vogelsang eingezogen. Nach meinem Auszug aus dem ehelichen Haus hatte ich zunächst über Monate in einem etwas gewöhnungsbedürftigen Zimmer mit schrägen Wänden, Kochecke und Dusche im Dachgeschoss eines Hotels gewohnt. Neben all dem Merkwürdigen dort oben war es zeitweise auch ganz kurzweilig gewesen mit den eigenartigen Mitbewohnern unterm Dach. Schließlich hatte ich dann diese Wohnung in einem alten romantischen Haus gefunden. Dort fühlte ich mich sehr wohl.
Aber schon einmal war bei mir eingebrochen worden und daraus hatte sich ein Drama ergeben, das ich schließlich nur mit Mühe und Not überstanden hatte. Ich war sozusagen ein gebranntes Kind.
„Jan, ich habe die große Bitte an dich, dass du meine Wohnung in Ettlingen kontrollierst.“
Ich hatte damals sicherheitshalber außerhalb des Hauses einen Schlüssel deponiert, auch falls ich ihn selbst mal verlieren sollte. Jan wusste von diesem Versteck. Er war der Experte. Wenn er nichts feststellen würde, dann würde die Polizei auch nichts Auffälliges bemerken. Und ich schon gar nicht.
„Okay, ich kläre das“, war er sofort bereit. „Aber nach dem, was du erzählt hast, waren sie bei dir in Spanien im Haus, ohne Spuren zu hinterlassen. Also Profis. Da werde ich wohl auch nichts finden. Aber ich versuche es.“
„Und“, setzte er noch hinzu, „du solltest dir mal Gedanken machen, was sie von dir wollen!“
Als hätte ich das nicht schon gemacht. An fast nichts anderes konnte ich seit der Jagd auf mich denken.
Schon weit von unten war der dunkle, auf- und abschwellende Ton des Motorrades zu hören, vor den Kurven gedrosselt und danach voll aufgedreht, ab und zu gedämpft durch die dazwischen liegenden Waldstücke. Der Fahrerin machte die Fahrt den Berg hinauf ganz offenbar Vergnügen.
Ich stieg die Außentreppe empor und ging hinüber zum großen Tor am Eingang des Grundstückes. Gerade rechtzeitig öffnete ich es. Paquita in ihrem engem Lederdress mit schwingendem hellem Zopf bog jetzt mit gemächlicher Geschwindigkeit um die letzte Kurve den Hang herab. Sie schob ihren Gesichtsschutz am Helm hoch, lächelte mir strahlend zu und streckte die rechte Faust mit erhobenem Daumen aus, als sie durchs Tor und an mir vorbeifuhr.
Eine halbe Stunde später, sie war zuvor wortlos in ihren Räumen verschwunden und ich hatte mich wieder an meinen Platz ganz vorn auf der Terrasse gesetzt, sprang sie trotz ihrer ziemlich hochhackigen Schuhe immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe herab. Schlank, sportlich, ein beeindruckender Anblick. Sie trug jetzt einen hellen, schwingenden, knöchellangen Rock aus einem dünnen Stoff und eine schwarze Bluse. Ihre Haare hatte sie wieder zu einem kunstvollen Knoten hochgedreht.
Sie packte mich, gab mir einen Kuss und ließ sich in den zweiten Terrassenstuhl fallen. Von dem Weißwein, den ich vorsorglich kurz vorher in einem Kühler aus dem Haus geholt hatte, goss ich ihr ein Glas voll und füllte meines erneut.
Sie stieß mit mir an, ganz offenbar sehr guter Laune.
„Du scheinst ja ziemlich erfolgreich gewesen zu sein?“, fragte ich sie.
„Vielleicht“ blinzelte sie mir zu, zuckte mit den Schultern und blickte dann betont gelangweilt mit einem kleinen Lächeln zur Seite. „Erst du! Was hast du denn da in dem Päckchen?“
Ich befasste mich erneut mit meiner Sendung und riss die Verpackung auseinander. Ein kleines braunes Lederetui etwa so groß wie zwei Handflächen nebeneinander kam zum Vorschein.
Ich hielt es Paquita hin, die es eifrig ergriff, den schwarzen Reißverschluss aufzog und die beiden Hälften auseinanderklappte. Überrascht blickte sie auf die zierlichen Instrumente aus silbernem Metall, die sie vor sich hatte. Fein säuberlich nebeneinander in Lederschlaufen aufgereiht, fast wie ein Arztbesteck.
Es war ungefähr vor fast zwei Jahren gewesen. Ich hatte mit meinem Freund Jan, dem Privatdetektiv, in Karlsruhe eine kleine Kneipentour gemacht. Wir sprachen über seine Arbeit und seinen letzten Erfolg. Ich lobte ihn, und es gab wirklich genug Grund dafür. Als wir sehr spät in der Nacht zu ihm schwankten, ich sollte bei ihm übernachten, stoppte er vor seiner Haustür und fragte mich, ob er mir mal zeigen sollte, wie erfolgreich er sei.
Natürlich war ich einverstanden und hochinteressiert dazu.
Er zog aus seiner Manteltasche dieses kleine, braune Ledertäschchen, öffnete es und hatte zu meiner Verblüffung mit zwei Instrumenten daraus in Nullkommanichts trotz Sicherheitsschloss die Tür aufgesperrt.
Er erzählte mir dann, dass er vor einiger Zeit einem Einbrecher half, der ausnahmsweise in einem Fall zu Unrecht verdächtigt wurde. Dem blieben damit der Widerruf einer Bewährung und eine hohe weitere Freiheitsstrafe erspart. Das Ganze hatte den Ganoven so geschockt, dass er seinem Beruf abschwor und, um nicht auf falsche Gedanken zu kommen, aus Dankbarkeit Jan sein Einbruchsbesteck schenkte.
Ich war total beeindruckt, und als mir Jan die kleinen Stangen mit Häkchen in die Hände drückte, versuchte ich es, und nach einigem Hin und Her und mit seiner Anleitung schaffte ich es dann auch.
Ich erzählte Paquita, die fasziniert zuhörte, diese Geschichte. „Später habe ich mir dann von Jan einmal sein Einbruchsbesteck ausgeliehen und bin damit eingebrochen“, schloss ich und lächelte ihr zu.
Sie sah mich ziemlich fassungslos an. „Das hast du dir doch ausgedacht!“
„Nein wirklich. Ich bin reingekommen. Es war nicht einfach und auch ziemlich aufregend, aber ich habe es geschafft!“
Jetzt