Positiv führen für Dummies. Christian Thiele

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Positiv führen für Dummies - Christian Thiele


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esoterischer oder pseudoreligiöser Firlefanz, der dem Einzelnen eher nutzt als schadet – das ist der eine Strang von Vorurteilen. Und, quasi in entgegengesetzter Richtung, der Glaube, allein die Achtsamkeit könne uns von allen medizinischen und sozialen Übeln der Welt erlösen, und zwar sofort: Auch das ein Klischee!

      Fehlannahmen und Klischees zur Achtsamkeit

      Hier ein paar der gängigsten Klischees über Achtsamkeit und wie Sie ihnen begegnen können – damit Sie sie für Ihre Führungs- und Entscheidungsfähigkeit sowie für die Ihrer Führungskräfte optimal nutzen können:

       »Achtsamkeit ist gleich Meditation ist gleich Buddhismus.« Tatsächlich sind Meditationen – etwa neben Yoga, MBSR-Techniken oder informellen Achtsamkeitspraktiken – nur eine Form von Achtsamkeitstechniken, der Buddhismus ist nur eine ihrer Quellen.

       »Wir müssen uns zur Erlangung von Achtsamkeit von früh bis spät stundenlang in akrobatischer Verrenkung auf Meditationskissen setzen, dabei Räucherstäbchen anzünden und »om« singen.« Sie werden im Folgenden kurze und alltagstaugliche Fokustechniken kennenlernen, die Sie mehr oder weniger immer und überall anwenden können.

       »Wir vergessen dabei die Welt um uns herum und träumen uns in ferne Zeiten und Welten.« Tatsächlich geht es bei Achtsamkeit eher um eine stärkere, intensivere Präsenzerfahrung.

       »Meditation ist vielleicht etwas für Veganer, Softies und Weltverbesserer, hat aber im echten Wirtschaftsleben nichts zu suchen.« Zahlreiche Topmanager, Spitzensportler, Politiker, Musiker und so weiter nutzen Meditations- und andere Achtsamkeitsmethoden. Unternehmen wie SAP oder Google bieten nicht nur diesbezügliche Schulungen firmenintern an, sondern integrieren Fokusübungen auch standardmäßig in Meetings.

       »Wirkliches Meditieren lernt man nur nach jahrzehntelanger Praxis oder in einem monatelangen Indienaufenthalt.« Wie bei vielen Dingen macht die Übung den Meister. Aber bei den meisten Menschen stellen sich Effekte von Meditationsübungen schon nach den ersten Übungseinheiten ein.

       Meditation ist wie Fitnesstraining, nur ohne Muskelkater, sprich: Von einem einzigen Üben passiert noch gar nichts. Wer sich in Achtsamkeitstechniken üben will, sollte sie immer wieder anwenden, am besten zu einer regelmäßigen Zeit in den Tagesablauf integrieren. So wie die Rückenübungen im Fitnessstudio: Da kommen die Muskeln auch mit der Zeit. So wie sich bei Meditation der Geist mit der Zeit immer schneller und tiefer beruhigt.

       Üben Sie lieber kürzer, aber dafür bewusst – anstatt aus Achtsamkeit ein weiteres lästiges To-do auf der Liste der täglich zu verrichtenden Pflichten zu machen.

       Die Flut der Ablenkungen aus Gedanken, Verpflichtungen, E-Mails und sonstigen Benachrichtigungen hat uns Tag für Tag im Griff – selbstredend auch dann, wenn wir eigentlich unseren Achtsamkeitsmuskel trainieren wollen. Es hilft daher, wenn wir Grübeleien, Sorgen oder andere Ablenkungen vor unserer eigentlichen Aufmerksamkeitsübung mit freundlich-geduldiger Haltung betrachten und dann sanft, aber bestimmt den Fokus wieder auf unseren Atem, unseren Körper und unsere innere Ruhe lenken.

       Viele Vorgesetzte und Firmen haben zwar Meditations- und andere Techniken eingeführt – aber vielleicht sind für Sie andere Methoden besser geeignet, um dem Druck und Tempo, der auf Führenden lastet, dauerhaft gut widerstehen zu können. Mögliche Ergänzungen oder Alternativen könnten der regelmäßige Spaziergang, das Führen eines Tagebuches oder Coachingstunden sein. Wichtig ist nur, dass Sie irgendein Ritual finden, das Sie immer wieder aus dem Trubel des Führungsalltags heraushebt – um Klarheit, Motivation und Empathie dauerhaft aufrechterhalten zu können.

      Das Smartphone ermöglicht Ihnen, Nachrichten überall, von überall und allen, zu jeder Zeit zu erhalten – und zu verschicken. Es erzählt Ihnen von den aktuellen Nachrichten; es bimmelt, leuchtet, erklärt Ihnen den Weg; es verschafft Ablenkung und lässt Sie – im Fotoalbum – an schöne Momente erinnern – und es raubt Ihnen wahrscheinlich immer mal wieder den letzten Nerv.

Studien zufolge ist die weit überwiegende Mehrheit der Führungskräfte auch nach Feierabend, am Wochenende oder im Urlaub per Telefon erreichbar, viele sogar häufig und jederzeit. Und gleichzeitig fühlt sich eine wachsende Zahl an Vorgesetzten durch das Smartphone zusätzlich gestresst. Wie ist das bei Ihnen, wo liegt Ihr Smartphone während des Arbeitstags, wo nach Feierabend und wo übernachtet es? Neben Ihrem Bett? Muss das sein? Was wäre, wenn Sie Ihr Smartphone, zum Beispiel in der ersten und in der letzten Stunde des Tages, bewusst ausgeschaltet lassen? Wie lange halten Sie das, zumindest versuchsweise, durch? Was entgeht Ihnen dadurch? Und was gewinnen Sie?

      Daher hier als Vorschlag eine Fokusübung in sieben Schritten, zu der Sie weder Räucherstäbchen noch sonst etwas brauchen – außer Ihrem Handy:

       Setzen Sie sich an Ihren Arbeits- oder einen sonstigen Tisch.

       Schalten Sie alle Benachrichtigungen und sonstigen Störfaktoren aus, räumen Sie sämtliche Geräte beiseite – außer Ihrem Handy.

       Legen Sie Ihr Handy in Reichweite vor sich ab und richten Sie Ihren Blick darauf.

       Was könnte Ihnen Ihr Handy gerade jetzt alles erzählen und mitteilen, wozu könnte es Sie auffordern und ermuntern, worüber in Kenntnis setzen?

       Wie machen sich diese Angebote, Möglichkeiten – oder vielleicht auch Stressfaktoren – bei Ihnen bemerkbar, geistig, seelisch, körperlich? Verspüren Sie möglicherweise eine Art Zucken, um das Handy doch anzufassen? Was Sie aber bitte nicht tun.

       Wie fühlt es sich an, diese Gedanken und Empfindungen wahrzunehmen – ohne irgendetwas zu verändern oder zu tun? Sagt Ihnen Ihr Gehirn vielleicht sogar: »Was für eine dämliche Meditation, ich habe Wichtigeres zu tun, und dazu brauche ich jetzt mein Handy« – oder so ähnlich?

       Spüren Sie Ihren Atem ein paar Züge lang. Und halten Sie am besten so lange aus – am besten gleich ein paar Minuten –, bis Sie eine Form von Veränderung spüren, vielleicht mehr Klarheit, vielleicht mehr Fokus. Wie fühlt sich der Moment an, in dem Sie Ihr Handy bewusst wieder in die Hand nehmen und benutzen? Was ist da, was ist weg?

       Sie dürfen nun weiterarbeiten, mit oder ohne Smartphone. Was ändert sich mit Ihrer Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit?

      

Eine weitere mögliche Fokusübung, die Sie ausprobieren könnten: die »Nordsibirische Eisenbahn«. Sie dauert maximal fünf bis sieben Minuten und stammt von Chade-Meng Tan, Erfinder des Google-Programms Search Inside Yourself und Autor des gleichnamigen, sehr lesenswerten Buches. Sie stärkt die Fähigkeit zur Selbstregulation in stressigen oder konflikthaften Situationen. Ich habe die Übung etwas abgewandelt und nutze sie gerne in Coachings und Führungskräfteseminaren. Sie finden eine ausführliche Anleitung dazu – wie zu einigen anderen hier vorgestellten Übungen – auf meiner Website: positiv-fuehren.com

      Zu den bekanntesten und am besten untersuchten Fokusübungen zählt der Bodyscan. Es gibt ihn in unterschiedlichen Formen, zum Nachlesen oder eingesprochen, in kürzerer oder ausgiebigerer Fassung – eine für Vorgesetzte besonders gut geeignete Übung, um trotz der Geschwindigkeit, der Verantwortung und den Belastungen des Führungsalltags nachhaltig gut entscheiden


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