Schwiegermutteralarm. Gisela Sachs

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Schwiegermutteralarm - Gisela Sachs


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Mund mit der Serviette ab, stehe artig vom Stuhl auf, strecke Dr. Schuster meine rechte Hand entgegen, sage freundlich:

      »Grüß Gott‚ und setze mich wieder.

      Der Doktor wünscht einen angenehmen Tag, nickt meiner Schwiegermutter kurz zu und kratzt dann so schnell er kann die Kurve. Anja trippelt ratlos auf dem Fleck. Das Kind im Kinderwagen quengelt.

      Wir treffen noch Susanne, Gertrud und Irene. »Darf ich dir meinen Schwiegersohn vorstellen …«

      »Sie scheinen einen Bus mit Giselas Bekannten hier abgeladen zu haben« sage ich zu Anja. Die junge Mutter verabschiedet sich lächelnd.

      Nach dem Genießerfrühstück zeigt mir meine Schwiegermutter das Haus, in dem der Kindergarten war, den sie vor fast sechs Jahrzehnten besucht hatte. Danach ihre Grundschule. Die Kirche, in der sie ihre erste heilige Kommunion empfangen hatte. Den Platz, auf dem das Haus stand, in dem sie ihre Ausbildung zur Friseurin gemacht hatte.

      »Und dann haben sie das schöne Haus abgerissen, stell dir das einmal vor, Bub. Man hätte eine Sozialstation daraus machen können, ein Asylbewerberhaus vielleicht? Oder eine Außenstelle der Volkshochschule. Was glaubst du, wie geschickt das hier gewesen wäre, aber mit dem Abreißen sind sie ja schnell, wenn ich daran denke, dass …

      Sie zeigt mir die Räumlichkeiten, in denen ihre Tanzkurse stattfanden.

      »Ich war die begehrteste Tänzerin, die »Dancing Queen« sozusagen. Über Jahre hinweg. Die Jungs haben sich förmlich geprügelt um mich, Olli. Einmal, da hat der Wilhelm sich mit dem Karle angelegt, das war ein Ding, kann ich dir sagen, die beiden haben sich grün und blau geprügelt wegen mir. Karle musste sogar zum Notarzt, seine Nase …

      Gisela will zum Mittagstisch in die Akademie der schönen Künste.

      »Hoffentlich bekommen wir noch einen Platz« überlegt sie. Laut, viel zu laut, wie immer.

      »Ich hätte vielleicht doch besser einen Tisch reservieren sollen, Olli«

      »Leiser« bitte ich sie.

      Sie wühlt in ihrer übergroßen Handtasche: »Scheiße, ich hab mein Handy vergessen, Olli«

      Die Leute drehen sich nach uns um. Ich weiß nicht, wohin ich schauen soll.

      Wir haben Glück, bekommen zwei Plätze direkt an der Fensterfront und Gisela ist begeistert. »Sie haben ja schon weihnachtlich dekoriert, Olli«

      »Die Läden, in denen wir heute schon waren, auch«

      »Guck dir das mal an, Olli. Welch ein hinreißendes Ambiente! Ganz neue Impulse. Findest du nicht auch, Olli?«

      Sie knetet die Anhänger des Weihnachtsbaums durch, bevor sie sich setzt. »So was Schönes aber auch«

      Und wieder bestellt sie sich ein Glas Champagner. Ich nippe an meinen Cappuccino, lausche ihren Erzählungen, bis unser verspätetes Mittagessen serviert wird. Es gibt Lammsattel mit Speckbohnen und goldgelben Kartöffelchen. Gisela stöhnt entzückt: »Mmmmh. So was Feines aber auch«

      Nach dem Mittagessen will sie mir unbedingt das Grab einer vor kurzem verstorbenen Kundin auf dem Pragfriedhof zeigen, danach die Wohnungen ihrer früheren Schulfreundinnen, ihrer Arbeitskolleginnen, die Villa ihres ehemaligen Chefs und noch so einiges. Wir fahren in alle Himmelsrichtungen, landen letztendlich vor dem Polizeipräsidium in der Hahnemannstraße. Irgendein Bekannter meiner Schwiegermutter war da irgendwann einmal für ein halbes Jahr Hausmeister gewesen.

      »Die Markthalle noch, Olli«

      Ich ergebe mich meinem Schicksal zum x-ten Mal an diesem Tag.

      Und ich begebe mich zum x-ten Mal an diesem Tag auf Parkplatzsuche.

      Die Einkäufe gehen heute auf mich. Ich hatte auch das Frühstück und das Mittagessen bezahlt. Dania hatte mich darum gebeten. An die Höhe der Parkplatzgebühren mag ich gar nicht denken. Stuttgart ist ein teures Pflaster für Autofahrer, und die Parkplatzsuche gleicht einem Hindernislauf. Man braucht außer einem gut gefüllten Geldbeutel auch gute Nerven. Endlich finde ich einen Parkplatz im APCOA Parkhaus Schillerplatz für 3 Euro die Stunde.

      »Ich war ja seit Ewigkeiten nicht mehr in der Markthalle, Olli« stellt Gisela fest. »Früher, als Dania noch klein war, bin ich mindestens einmal in der Woche mit meinen Arbeitskolleginnen hier zum Einkaufen gewesen« beginnt sie mit ihrem Vortrag. »Obwohl ich mir das eigentlich gar nicht leisten konnte. Aber frisches Gemüse und Obst sind ja so wichtig für ein Kind. Der Teller muss bunt und gesund sein, Olli«

      Sie seufzt: »Die Mütter heutzutage vergessen das immer wieder«

      Sie schüttelt den Kopf: »Ich habe meiner Kleinen immer Obstund Gemüsehappen angeboten«

      »Vernünftig« murmele ich vor mich hin.

      »Jeden Tag! Keine Naschsachen wie Gummibärchen, Milchschnitten und so zuckerhaltiges Zeug. Das macht nur die Zähne kaputt, Olli. Das musst du dir merken, wenn ihr auch einmal Kinder habt. Ihr werdet doch …

      Ich schalte meine Ohren auf Durchzug, während meine Schwiegermutter mich wortreich durch die Markthalle zieht. »Pflanzliche Lebensmittel sind immer der besser Weg, Olli«

      Gisela ersteht eine Tüte mit getrockneten Kirschtomaten.

      »Die getrockneten Tomätchen sind zu jeder Jahreszeit aromatisch und kräftig. Da gibt es raffinierte Rezepte, Olli, wenn du willst, dann probiere ich demnächst einmal einige aus«

      Sie sieht mich fragend an. »Ich könnte zum Beispiel Penne mit Fenchel und getrockneten Tomaten machen, Tortellini mit Kirchererbsen und getrockneten Tomaten, Vegane Aioli Spagetti mit getrockneten Tomaten. Oder wie wäre es mit …

      »Geht‘s auch mit Spätzle und ohne getrocknete Tomaten?« frage ich.

      Sie bleibt vor dem Stand mit den Oliven stehen: »Oliven sind ja so gesund, Olli. Sie sind reich an ungesättigten Fettsäuren, gleichen die Blutfettwerte aus und schützen das Herz. Jede Olive hat ihren eigenen Geschmackscharakter. Sie schmecken nach Urlaub, Olli. Wenn du willst, dann mache ich demnächst einmal einen leckeren Oliven-Salat. Einen bunten. Mit schwarzen Oliven. Mit gelben Oliven. Mit grünen Oliven. Mit Putenstreifen und filetierten Orangen. Was hältst du davon, Olli?« Sie kreischt auf. »Ein Brotstand, Olli, guck mal«

      »Wir könnten italienisches Brot dazu essen. Ciabatta oder Pizzabrot, vielleicht. Piadina, wäre auch nicht schlecht. Also was hältst du davon? Sag schon was, Olli«

      »Ein Rostbraten mit Spätzle und Kartoffelsalat wäre mir lieber«

      »Brot ist nämlich nicht gleich Brot, Olli«

      »Ich weiß. Mir schmeckt zum Beispiel Besenbrot am besten«

      »Ach, Olli«

      »Ich bin Schwabe, Gisela«

      Sie peilt den Stand mit den Nüssen und Trockenfrüchten an, wählt sich Macadamia Nüsse und getrocknete Mangos aus. Danach stürzt sie sich auf den Stand daneben.

      »Ein Gläschen Honig noch vielleicht? Was meinst du, Olli?«

      »Das musst du wissen, Gisela«

      »Dann nehme ich die Sommervielfaltauslese«

      »Wenn du meinst«

      Sie grabscht nach dem Honigglas: »Oder doch lieber die Imkerspezialität? Was meinst du dazu?«

      Sie überlegt, laut. »Vielleicht sollte ich beide nehmen?«

      Ich mache mir Sorgen um meinen Geldbeutel. Unser Auto war mal wieder in Reparatur.

      »Jetzt sag doch endlich auch mal was, Olli«

      »Nimm halt beide«

      ihre Augen leuchten auf: »Du bist so unwahrscheinlich großzügig, Olli«

      Ich schaue auf meine Armbanduhr: »Die Parkgebühren«

      »Wir machen aber noch eine Pause im Schlosskaffee, gell? Du hast es versprochen, Bub«

      Ich


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