Homilien über die Bildsäulen. Johannes Chrysostomus

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Homilien über die Bildsäulen - Johannes Chrysostomus


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wir uns also des Verklagens, des Verläumdens, des Verlästerns, und laßt uns weder von dem Nächsten Böses reden, noch auch von Gott. Denn viele Lästerer hat ihr toller Sinn so weit geführt, daß sie von den Mitknechten ihre Zunge wider den Herrn erheben! Ein wie großes Übel dieß aber sei, das lerne vom Schicksal, welches jetzt auf uns lastet. Schau doch, ein Mensch ist verhöhnt worden, und Alle sind wir in Furcht und Zittern, die den Hohn verübt haben und die sich Nichts der Art bewußt sind! Gott aber wird jeden Tag verhöhnt — was sage ich: jeden Tag? ja jede Stunde! von Reichen und Armen, in Wohlleben und Bedrängniß, von Verfolgern und Verfolgten, ohne daß es irgend Jemand beachtet. Darum ließ er es zu, daß der Mitknecht verhöhnt ward, damit an der aus diesem Hohne entsprungenen Gefahr diese Leutseligkeit des Herrn dir bemerkbar erschiene. Denn obwohl Dieß das erste und einzige Mal ist, daß Solches geschah, so dürfen wir doch nicht erwarten, deßhalb irgend einer Nachsicht und Entschuldigung zu genießen. Hingegen Gottes Zorn reizen wir jeden Tag und denken an keine Umkehr; und noch erträgt er uns mit aller Langmuth. Siehst du, wie groß die Leutseligkeit des Herrn ist? Obwohl ferner in Folge jenes Frevels die Verbrecher verhaftet und ins Gefängniß geworfen und bestraft worden sind — wir stehen deßungeachtet dennoch in Furcht. Noch hat der Verletzte die That nicht vernommen, noch kein Urtheil gesprochen, und Alle zittern wir: Gott aber vernimmt jeden Tag den Hohn, der wider ihn geschieht, und Keiner bekehrt sich, noch dazu, da Gott so mild und menschenfreundlich gesinnt ist. Denn dort (bei Gott) genügt es, die Sünde bloß zu bekennen, und die Anklage ist aufgehoben: bei Menschen aber gerade das Gegentheil. Wenn die Schuldigen das Bekenntniß ablegen, dann werden sie härter bestraft. Das ist auch jetzt geschehen: die Einen sind durchs Schwert, die Andern durchs Feuer getödtet worden; noch Andere hat man den wilden Thieren vorgeworfen, nicht Männer allein, sondern auch Kinder; und weder die Unreife des Alters noch der Alles mit sich fortreißende Volksstrom, noch daß, die Solches thaten, von bösen Geistern mit Wahnsinn erfüllt waren, noch daß die verfügte Abgabe unerschwinglich geschienen, noch Armuth, noch daß man gemeinschaftlich mit Allen gefehlt habe, noch das Versprechen, Dergleichen in Zukunft nicht wieder zu wagen, noch sonst etwas Anderes vermochte sie irgend zu retten, sondern ohne alle Gnade wurden sie nach dem Richtplatz geführt, auf allen Seiten von bewaffneten Soldaten geleiltet und bewacht, daß Niemand die Verurtheilten befreie; und die Mütter folgten von ferne und sahen sich ihre Kinder entreissen und wagten nicht einmal über ihr Unglück zu jammern; denn die Furcht besiegte das Muttergefühl, und der Schrecken überwand die Natur. Und wie die Leute, die vom Lande einem Schifsbruche zusehen, zwar wehklagen, aber unvermögend sind, heranzukommen und die Ertrinkenden zu retten, so wagten auch hier die Mütter, von der Furcht vor den Soldaten wie von Meereswogen zurückgehalten, nicht nur nicht sich zu nahen und sie (ihre Kinder) der Vollstreckung der Strafe zu entziehen, sondern scheuten sich selbst zu weinen. Erkennet ihr daraus Gottes Barmherzigkeit? wie unaussprechlich, wie unermeßlich sie ist? wie sie allen Begriff übersteigt? Denn hier ist der Verletzte theils gleichen Wesens mit uns, theils hat er nur einmal in aller Zeit Solches erlitten, und nicht ins Angesicht, nicht in seiner Gegenwart, und daß er es auch sah und hörte; und dennoch erlangte Keiner Verzeihung für sein Unterfangen. Von Gott aber ist Nichts der Art zu sagen; denn der Unterschied zwischen Gott und Menschen ist so groß, daß keine Sprache ihn darzustellen vermag; und täglich wird er verhöhnt, und er ist gegenwärtig und sieht und hört es, und noch sandte er keinen Wetterstrahl, noch gebot er nicht dem Meere das Land zu überfluthen und Alle zu ersaufen, noch befahl er nicht der Erde sich zu spalten und alle die Lästerer zu verschlingen, sondern er erträgt und ist langmüthig und verkündet den Lästerern Vergebung, falls sie sich nur bekehren und versprechen, Dergleichen nicht wieder zu thun. In der That ist es hier an der Zeit auszurufen: „Wer wird die Großthaten des Herrn aussprechen und all seinen Preis verkünden?” 110 Wie viele haben die Bildnisse Gottes nicht nur niedergeworfen, sondern auch mit Füßen getreten! Denn so oft du den Schuldner würgst, so oft du ihn ausziehst, so oft du ihn fortschleppst, trittst du das Bildniß Gottes mit Füßen. Höre nur, was Paulus sagt: „Der Mann soll das Haupt nicht bedecken; denn er ist Gottes Bild und Ehre,” 111 und wiederum, wie Gott selber sagt: „Lasset uns einen Menschen machen nach unserm Bilde und Gleichniß.” 112 Erwiderst du aber, der Mensch sei nicht desselben Wesens mit Gott; was folgt daraus? Auch das Erz der Bildsäule war mit dem Könige nicht desselben Wesens, und doch sind die Frevler bestraft worden. So verhält es sich auch mit den Menschen; sind sie — die Menschen — auch nicht gleichen Wesens mit Gott, wie sie es in der That nicht sind, so werden sie doch sein Bildniß genannt, und um der Benennung willen gebührt ihnen Ehre; du aber trittst sie um geringen Goldes willen mit Füßen, peinigest sie, zerrest sie von hinnen113 und hast dafür noch immer keine Strafe erlitten. —

      7.

      So sei es denn heute, daß eine heilsame und ernstliche Umwandlung geschehe; denn das sage ich vorher und bezeuge es euch, daß, geht auch diese Wolke vorüber, — so wir in demselben Leichtsinn verharren, wir neuerdings viel Schlimmeres erleiden werden, als was wir jetzt zu gewärtigen haben. Auch jetzt nämlich fürchte ich nicht so sehr den Zorn des Kaisers als euren Leichtsinn; denn es reicht zu unserer Entschuldigung nicht hin, zwei oder drei Tage litaneiet114 zu haben, sondern wir müssen eine vollständige Umwandlung mit unserm Leben vornehmen und von der Bosheit abstehen und ohne Unterlaß bei der Tugend verbleiben. Denn wie die Kranken, wenn sie nicht unausgesetzt Ordnung einhalten, von einer dreioder viertägigen Diät keinen Nutzen ziehen: so werden auch die Sünder, wenn sie nicht ohne Unterlaß in Züchten leben, keinen Gewinn haben von einer zweiund dreitägigen Besserung. Denn wie es heißt, daß dem das Baden nichts hilft, der sich gleich wieder mit Koth besudelt: so hat auch der, welcher drei Tage Buße gethan und sich dann wieder zum Frühern wendet, nicht das Geringste gewonnen. Lasset uns nicht auch jetzt thun, was wir immer thun; denn schon oft kehrten wir, wenn über uns Erdbeben kamen und Hunger und Dürre und wir auf drei oder vier Tage besonnen und vernünftig geworden, hierauf doch wieder zur frühern Lebensweise zurück. Deßwegen ist denn Dieß auch geschehen. Aber wenn auch nicht früher, so laßt uns wenigstens jetzt in derselben Behutsamkeit verharren, dieselbe Schicklichkeit bewahren, damit wir nicht neuerdings eines andern Schlages bedürfen. — Konnte denn nicht Gott das Geschehene verhindern? Aber er ließ es zu, um Diejenigen, welche ihn verachten, durch die Furcht vor dem Mitknechte zur Besinnung zu bringen. Und zwar sage mir Keiner, daß Viele der Schuldigen entkamen, viele Unschuldige der Strafe verfielen. Denn ich höre, daß Dieses oft von Vielen erwähnt wird, nicht bei dem gegenwärtigen Aufstand allein, sondern bei vielen andern Umständen ähnlicher Art. Was soll ich denen erwidern, die Solches sagen? Daß der Ergriffene, wenn er auch des gegenwärtigen Aufstandes nicht schuldig wäre, doch irgend einmal eine andere schwere Sünde begangen und sodann, weil er sich nicht umwandelte, in der Gegenwart dafür gestraft worden ist. Denn so pflegt es Gott zu machen; wenn wir gesündigt haben, bestraft er die Sünder nlcht gleich, sondern schiebt auf und gibt uns Frist zur Buße, daß wir uns bekehren und bessern. Wenn wiraber in der Meinung, „weil wir keine Strafe gelitten, sei auch die Sünde getilgt,” nicht darauf achten, so wird er uns dann unfehlbar dort anfassen, wo wir es gar nicht vermuthen. Solches aber geschieht, damit wir, wenn wir gesündiget haben und nicht gestraft worden sind, nicht guten Muthes seien, falls wir nicht Buße gethan, sondern wissen, daß wir dann da, wo wir es nicht erwarten, sicher in die Grube fallen werden. Wenn du also gesündiget hast und nicht gestraft worden bist, so denke darum nicht verächtlich von der Sache, Geliebter, sondern fürchte dich deßhalb nur um so mehr, wohl wissend, daß es Gott ein Leichtes ist, dir wieder zu vergelten, wenn er will. Denn darum hat er dich nicht gleich gestraft, um dir Frist zur Buße zu gönnen. Laßt uns also nicht sagen, daß der Eine unschuldig ergriffen ein Anderer, der schuldig war, entflohen ist; denn wer unschuldig ins Unglück gerathen, der hat, wie ich oben gesagt,für andere Sünden Strafe gelitten; der aber jetzt entflohen ist, wird, wenn er sich nicht ändert, in einem andern Strickes gefangen werden. Wenn wir uns also verhielten, so würden wir unserer Sünden nimmer vergessen, sondern in beständiger Furcht und Angst, daß wir irgend einmal dafür könnten büßen müßen, uns schnell ihrer erinnern. Denn Nichts ist fähiger, Sünden ins Gedächtniß zu rufen, als Strafe und Züchtigung. Das sehen wir an den Brüdern Josephs. Denn, da diese den Gerechten verkauft hatten und schon dreizehn Jahre vorübergegangen waren und sie nun argwöhnten, daß sie gestraft werden sollten, und das Älußerste fürchteten: da gedachten sie ihrer Sünde und sprachen unter


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