Die Botschaft der Bhagavadgita. Sri Aurobindo

Читать онлайн книгу.

Die Botschaft der Bhagavadgita - Sri Aurobindo


Скачать книгу
Man muss das rechte Verständnis haben vom Handeln, vom falschen Handeln und vom Nicht-Handeln. Im Dickicht und Gewirr verläuft der Weg des Wirkens.

      Handeln in der Welt ist wie ein tiefer Wald, gahana, durch den sich der Mensch, so gut er kann, hindurchtastet, erleuchtet durch das Licht der Ideen seiner Zeit, durch die Maßstäbe seiner Persönlichkeit und seiner Umgebung, oder besser vieler Zeiten, vieler Persönlichkeiten, Schichten des Denkens und der Moral aus vielen sozialen Entwicklungsstufen. All das ist unentwirrbar vermischt: Das Zeitbedingte und Konventionelle inmitten von allem Anspruch auf Absolutheit und unveränderliche Wahrheit, das Empirische und das Irrationale nebeneinander, obwohl beide die rechte Vernunft nachäffen. Und wenn schließlich der Weise inmitten von alledem eine höchste Fundierung in einem feststehenden Gesetz und einer ursprünglichen Wahrheit sucht, sieht er sich gezwungen, die letzte, äußerste Frage zu stellen: Ist nicht alles Handeln und Leben an sich eine Illusion, eine Falle? Ist es nicht die letzte Zuflucht der müden, enttäuschten menschlichen Seele, mit dem Wirken aufzuhören, akarma? Aber, sagt Krishna, in dieser Sache sind sogar die Weisen verwirrt und voll Täuschung. Denn Erkenntnis und Erlösung kommen durch Handeln, durch Werke, nicht durch Nicht-Handeln.

      Was ist also die Lösung? Welcher Art sind die Werke, durch die wir von allen Übeln des Lebens erlöst werden sollen: von diesem Zweifel, von diesem Irrtum und Kummer, von diesem vermischten und unreinen Ergebnis selbst unserer reinsten Handlungen, die wir mit den besten Absichten tun, von diesen Millionen Formen von Bösem und Leiden? (177-78)

      4.18

       Wer im Handeln das Nicht-Handeln wahrnehmen kann und erkennt, wie das Wirken sich fortsetzt, wenn er vom Wirken zurücktritt, ist unter den Menschen derjenige von wahrer Vernunft und Wahrnehmungsvermögen. Er befindet sich im Yoga und wirkt in vielseitiger und allumfassender Art (für das Gute der Welt, für Gott in der Welt).

      Keine äußeren Unterscheidungen sind zu treffen. Keine Arbeit der Welt ist zu verachten. Keine Abgrenzungen oder Zäune sind um die menschlichen Betätigungen zu errichten. Im Gegenteil, alle Handlungen sollen getan werden, jedoch von einer Seele, die im Yoga mit dem Göttlichen geeint ist, yuktaḥ kṛtsna-karma-kṛt. Akarma, das Aufgeben des Handelns, ist nicht der rechte Weg. Wer die Einsicht der höchsten Vernunft erlangt hat, nimmt wahr, dass solches Nicht-Handeln in sich selbst ein ständiges Wirken ist, da auch es dem Wirken der Natur und ihren Eigenschaften unterworfen ist. Jenes Mental, das seine Zuflucht zur physischen Untätigkeit nimmt, steht unter der Selbst-Täuschung, dass es, und nicht die Natur, der Täter der Werke sei. Es hat die Trägheit mit Freiheit verwechselt. Es sieht nicht, dass die Natur selbst in dem, was absolute Trägheit, größer als die von Stein und Erdklumpen, zu sein scheint, am Wirken ist und ungehindert ihren festen Zugriff ausübt. Im Gegenteil, in der reißenden Flut der Handlung ist die Seele frei von ihren Werken, sie ist nicht der Täter, nicht gebunden durch das, was getan wird. Und nur wer in der Freiheit der Seele lebt, nicht in der Gebundenheit an die Qualitäten der Natur, der allein hat die Erlösung von seinen Werken. (178)

      4.19

       Denjenigen, dessen Unterfangen und Unternehmungen allesamt frei sind vom Willen des Begehrens, dessen Werke durch das Feuer des Wissens verbrannt worden sind, haben die Erleuchteten einen Weisen genannt.

      Der befreite Mensch hat keine Furcht vor dem Handeln. Er ist es, der alle Werke im weitesten Umfang und universal verrichtet, kṛtsna-karma-kṛt. Er tut sie nicht wie andere, der Natur unterworfen, sondern gelassen in der Seelenruhe, heiter im Yoga geeint mit dem Göttlichen. Das Göttliche ist der Herr seiner Werke. Der Mensch ist nur deren Kanal mittels der Werkzeuge seiner Natur, die ihres Herrn bewusst und ihm ergeben ist. Durch die flammende Stärke und Reinheit seines Wissens werden all seine Werke wie in einem Feuer verbrannt. Sein Mental bleibt ohne Makel oder entstellendes Merkmal durch sie ruhig, schweigend, unverwirrt, hell und frisch und rein. Alles in diesem befreienden Wissen zu tun ohne den persönlichen Egoismus, der Täter sein zu wollen, ist das erste Kennzeichen des göttlich Wirkenden.

      Das zweite Kennzeichen ist das Freisein vom Begehren. Denn wo es den persönlichen Egoismus des Täters nicht gibt, wird Begehren unmöglich. Es wird ausgehungert, versinkt aus Mangel an Unterstützung ins Nichts und stirbt an Erschöpfung. Nach außen hin scheint der befreite Mensch Tätigkeiten aller Art wie andere Menschen zu unternehmen, vielleicht in größerem Maßstab, mit machtvollerer Willens- und Antriebskraft. Denn die Macht des göttlichen Willens wirkt in seiner aktiven Natur. Aber dieser Mensch hat aus all seinen Unterfangen und seinen Unternehmungen den minderwertigen Begriff und den niederen Willen des Begehrens völlig verbannt, sarve samā-rambhāḥ kāmasaṅkalpavarjitāḥ. Er hat jeden Hang zu den Früchten seines Wirkens aufgegeben. Wo man nicht um der Frucht, um des Lohnes willen wirkt, sondern allein als ein apersonales Instrument des Meisters der Werke, kann Begehren keinen Raum finden – nicht einmal das Begehren, erfolgreich zu wirken, da der Erfolg dem Herrn gehört und von ihm, nicht aber vom persönlichen Willen und Bemühen bestimmt wird, und es entfällt auch der Wunsch, um der Anerkennung des Meisters und seiner Zufriedenheit willen zu dienen. Denn der wirklich Wirkende ist der Herr selbst. Aller Ruhm gehört einer der Gestaltungen seiner Shakti, die ihre Sendung in der Natur erfüllen, nicht der begrenzten menschlichen Persönlichkeit. Das menschliche Mental und die Seele des befreiten Menschen tun nichts, na kiñcit karoti. Auch wenn er sich durch seine Natur im Handeln ganz einsetzt, ist es doch die Natur, die vollziehende Shakti, ist es die bewusste Göttin, die das Werk tut, regiert vom göttlichen Einwohner. (179)

      4.20

       Wer alle Bindung an die Früchte seines Wirkens aufgegeben hat, immer zufrieden ist ohne irgendeine Art von Abhängigkeit, der tut nichts, obwohl er sich (durch seine Natur) in der Tätigkeit einsetzt.

      Ein anderes Kennzeichen des göttlich Wirkenden ist jenes, das für das göttliche Bewusstsein selbst das Zentrale ist: Eine vollkommene innere Freude und ein Friede, der hinsichtlich seiner Quelle und seiner Fortdauer von nichts in der Welt abhängt. Er ist eingeboren, der eigentliche Stoff des Bewusstseins der Seele. Das ist die wahre Natur des göttlichen Wesens. Hinsichtlich seines Glückes hängt der gewöhnliche Mensch von äußeren Dingen ab. Darum treibt ihn das Begehren. Darum hat er Ärger und Leidenschaft, Lust und Schmerz, Freude und Kummer. Darum wägt er alle Dinge auf der Waage von Glück und Unglück. Nichts von alledem kann auf die göttliche Seele einwirken. Sie ist immer zufrieden, ohne von irgendetwas abhängig zu sein, nitya-tṛpto nirāśrayaḥ. (184)

      4.21

       Er hegt keine persönlichen Erwartungen, reißt nicht die Dinge an sich als persönlichen Besitz; sein Herz und Selbst sind vollkommen unter Kontrolle. Indem er sein Handeln allein mit dem Körper vollzieht, begeht er keine Sünde.

      Der befreite Mensch nimmt das entgegen, was der göttliche Wille ihm gibt, begehrt nichts und ist auf niemanden eifersüchtig. Was ihm zufällt, nimmt er ohne Widerwillen und Bindung an. Was ihm entgeht, lässt er in den Wirbel der Dinge eingehen, ohne zu murren, ohne Kummer, ohne das Empfinden eines Verlustes. Sein Herz und sein Selbst stehen völlig unter seiner Kontrolle. Sie sind frei von Reaktion und Leidenschaft. Sie antworten nicht verwirrt auf die Berührung der Dinge von außen. Wenn er handelt, ist das eigentlich nur eine physische Betätigung, śārīraṁ kevalaṁ karma. Denn alles Wesentliche kommt von oben; es wird nicht auf der menschlichen Ebene hervorgebracht. Es ist nur ein Widerschein des Willens, des Wissens und der Freude des göttlichen Purushottama. Darum ruft er auch nicht durch Druck auf das Handeln und seine Ziele in Mental und Herz jene Reaktionen hervor, die wir Leidenschaft und Sünde nennen. Denn Sünde besteht keineswegs aus einem äußeren Tun. Vielmehr ist sie eine unreine Reaktion des persönlichen Willens, des Mentals und Herzens, die das Tun begleitet oder verursacht. Das Apersonale, das Spirituelle ist immer rein, apāpaviddham, und verleiht allem, was es tut, seine eigene unveräußerliche Reinheit. Diese spirituelle Apersonalität ist das dritte Kennzeichen des göttlich Wirkenden. Alle menschlichen Seelen, die eine gewisse Größe und Weite erlangt haben, sind sich in der Tat einer durch sie hindurch wirkenden apersonalen Kraft oder Liebe oder eines Willens und Wissens bewusst. Sie sind aber noch nicht frei von egoistischen Reaktionen


Скачать книгу