Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski). Henryk Sienkiewicz

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Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski) - Henryk Sienkiewicz


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richtete seine träumerischen Augen empor.

      »Ich sagte nur, daß ich keine neue Neigung gefaßt habe.«

      »Das kommt schon, sei unbesorgt; wir werden dich verheiraten. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, daß übermäßige Beständigkeit in Liebesdingen nur Kummer macht; weil ich meiner Zeit beständig war wie ein Troïlus, ist mir eine Menge von Vergnügen, eine Menge guter Gelegenheiten entgangen, — und was habe ich mich abgehärmt!«

      »Erhalte Gott jedem eine so joviale Laune, wie Ihr sie Euch trotzalledem bewahrt habt!«

      »Weil ich immer in Bescheidenheit gelebt habe, darum kneipt's mich nicht in den Knochen. Wo wohnst du? Hast du ein Unterkommen gefunden?«

      »Ich habe ein bequemes Häuschen nach Mokotow zu, das ich mir nach dem Kriege erbaut habe.«

      »Da bist du glücklich. Ich fahre schon seit gestern vergeblich in der ganzen Stadt umher.«

      »Bei Gott, Freund, Ihr dürft es mir nicht abschlagen, bei mir zu wohnen! Raum ist genug. Außer dem Herrenhäuschen ein Hinterhaus, ein bequemer Stall, da finden Knecht und Pferde ein Unterkommen.«

      »Du bist mir, so wahr ich lebe, vom Himmel gefallen.«

      Ketling stieg in den Korbwagen, und sie fuhren weiter.

      Unterwegs erzählte ihm Sagloba von dem Unglück, das Wolodyjowski so plötzlich getroffen hatte, und er rang über das Schicksal des Freundes die Hände, denn er hatte bisher nichts davon gewußt.

      »Dieser Schlag ist um so empfindlicher für mich,« sagte er endlich, »weil, wie Ihr wahrscheinlich nicht wisset, in letzter Zeit gerade so innige Freundschaft zwischen uns ward. Alle die letzten Kriegsfahrten in Preußen, bei der Belagerung der Schlösser, wo nur noch schwedische Besatzung war, haben wir vereint mitgemacht; wir waren in der Ukraine, wir zogen gegen den Herrn Lubomirski, dann wieder in die Ukraine, schon nach dem Tode des Wojewoden von Reußen unter dem Kronmarschall Sobieski. Eine Satteldecke diente uns als Kissen, wir aßen aus einer Schüssel, — Kastor und Pollux nannten sie uns. Und erst, als er nach der Smudz zu Fräulein Borschobohata reiste, kam die Stunde der Trennung; wer konnte erwarten, daß seine schönsten Hoffnungen so schnell dahinschwinden würden wie der Pfeil in der Luft?«

      »Nichts ist von Dauer in diesem irdischen Jammertal,« antwortete Sagloba.

      »Außer einer standhaften Freundschaft. Nun heißt's beraten und erkunden, wo er jetzt ist; vielleicht erfahren wir etwas vom Herrn Kronmarschall, der Wolodyjowski wie seinen Augapfel liebt; wo nicht, finden wir hier die Boten aus allen Landstrichen. Es ist unmöglich, daß nicht irgend jemand von unserem Ritter etwas gehört hätte. Ich will Euch nach Kräften behilflich sein, mehr noch, als ob es sich um mich selbst handelte.«

      Unter solchen Gesprächen kamen sie endlich an Ketlings Herrenhäuschen, das, wie sich zeigte, ein ganzes Herrenhaus war. Innen herrschte die schönste Ordnung, und eine Menge kostbarer, gekaufter und erbeuteter Geräte schmückte die Räume; besonders war die Auswahl der Waffen eine ausgezeichnete. Sagloba lachte das Herz im Leibe bei diesem Anblick, und er sagte:

      »O, Ihr könntet ja zwanzig Personen unterbringen! Ein Glück für mich, daß ich Euch begegnet bin. Ich hätte auch Anton Chrapowizkis Wohnung beziehen können, denn er ist mein Bekannter und Freund, auch die Paz' wollten mich bei sich aufnehmen — sie suchen Parteigänger gegen die Radziwills —, aber ich ziehe vor, bei Euch zu bleiben.«

      »Unter den litauischen Boten hörte ich,« erwiderte Ketling, »daß sie durchaus, weil doch jetzt die Reihe an Litauen kommt, Herrn Chrapowizki zum Reichstagsmarschall ernennen wollen.«

      »Und mit Recht! Er ist ein braver Mann und ein Realist, nur ein wenig gutmütig; für ihn gibt's nichts Höheres als die Eintracht. Er geht immer darauf aus, die Leute zu versöhnen, und das taugt nichts. Aber sag' mir aufrichtig, was ist dir Boguslaw Radziwill?«

      »Seit der Zeit, wo mich die Tataren bei Warschau gefangen nahmen — nichts!« antwortete Ketling. »Ich habe den Dienst bei ihm aufgegeben und mich nicht wieder darum bemüht, denn wenn er auch ein einflußreicher Herr ist, so ist er doch schlecht und verkehrt. Ich habe ihn zur Genüge beobachtet, als er in Tauroggen der Tugend dieses überirdischen Wesens nachstellte.«

      »Welches überirdischen Wesens? Mensch, was sprichst du? Sie ist aus Ton und kann, wie das erste beste Gefäß, in Scherben gehen. Doch genug davon!« Bei diesen Worten wurde Sagloba so rot vor Zorn, daß ihm die Augen hervortraten.

      »Denk' dir, dieser Schurke ist Reichsbote!«

      »Wer?« sagte Ketling, dessen Gedanken noch bei Olenka weilten, erstaunt.

      »Boguslaw Radziwill. Aber die Wahlprüfungen, wozu sind die Wahlprüfungen? Hör', du bist Reichsbote, du kannst den Gegenstand anregen, ich will dir von der Galerie schon kräftig sekundieren, fürchte dich nicht. Das Gesetz ist auf unserer Seite, und wenn sie das Gesetz antasten wollen, so könnte man unter den Wahlzeugen einen kleinen unschuldigen Tumult anregen, damit es nicht so unblutig hingehe.«

      »O, tut das nicht, bei Gott! Ich will den Gegenstand vorbringen, denn Ihr habt recht; aber Gott behüte uns vor einer Störung des Reichstags!«

      »Ich will auch zum Chrapowizki gehen, obgleich der alles zu lau nimmt, denn von ihm, als dem künftigen Marschall, hängt vieles ab. Ich will die Paz' aufhetzen. Wir wollen wenigstens alle seine Schandtaten öffentlich in Erinnerung bringen. Habe ich doch unterwegs gehört, daß dieser Schuft daran denkt, sich um die Krone zu bewerben.«

      »Dann müßte die Nation ihrem Ende nahe und nicht wert sein, zu existieren, wenn solche ihre Könige sein sollten,« erwiderte Ketling. — »Aber ruht jetzt, und nachher oder ein andermal wollen wir zum Herrn Kronmarschall gehen und nach unserem Freunde fragen.«

       Inhaltsverzeichnis

      Der Wahlreichstag war einige Tage darauf eröffnet worden. Wie Ketling vorhergesehen, wurde Chrapowizki, damals Unterkämmerer von Smolensk und später Wojewode von Witebsk, der Marschallstab anvertraut. Da es sich nur um die Bestimmung des Wahltermins und die Einsetzung des höheren Wahlkapitels handelte und die Intrigen der verschiedenen Parteien in diesen Angelegenheiten kein Feld für sich fanden, schien der Reichstag einen ruhigen Verlauf nehmen zu wollen. Nur im Anfang ging es durch die Wahlprüfungen ein wenig stürmischer her, denn als der Reichsbote Ketling die Rechtsgültigkeit der Wahl des Herrn Sekretärs von Biala und seines Kollegen, des Fürsten Boguslaw Radziwill, anzweifelte, schrie gleich eine kräftige Stimme aus der Mitte der Neutralen: »Verräter! Ausländischer Beamter!« Dieser Stimme schlossen sich andere an, auch einige Reichsboten kamen hinzu, und plötzlich zerfiel der Reichstag in zwei Parteien, von welchen die eine die Abgeordneten von Biala entfernen, die andere die Wahl als rechtsgültig anerkennen wollte. Man einigte sich endlich zu einem Beschluß, welcher die Angelegenheit zum Schweigen brachte und die Wahl anerkannte; nichtsdestoweniger war dies für den Fürst-Stallmeister ein empfindlicher Schlag, denn schon der Umstand, daß man prüfte, ob der Fürst würdig sei, in der Kammer zu sitzen, schon das allein, daß man der Öffentlichkeit alle seine Verrätereien aus der Zeit des schwedischen Krieges in Erinnerung brachte, überhäufte ihn mit neuer Schande in den Augen der Republik und untergrub von Grund aus all seine ehrgeizigen Pläne.

      Er rechnete nämlich darauf, daß, wenn die verschiedenen Parteien sich gegenseitig befehden würden, die Wahl leicht auf einen einheimischen Edelmann fallen könnte.

      Der Stolz aber und die Schmeichler sagten ihm, daß, wenn dieser Fall eintreten würde, dieser Einheimische kein anderer sein könne als der mit dem höchsten Genie Begabte, der Mächtigste, aus


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