Trans. Frau. Sein.. Felicia Ewert

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Trans. Frau. Sein. - Felicia Ewert


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sollte somit auch zeigen, dass trans Personen nicht ausschließlich für Umfragen oder Zeitungsartikel interviewt werden, sondern eine aktive und forschende Rolle einnehmen können und sollen. Leider zeigt sich, dass trans Personen hierbei nur allzu oft auf die Gunst und das Wohlwollen von cis Personen angewiesen sind, um Raum und Plattformen zu erhalten, und dies noch einmal deutlich verschärfter, wenn es um queerfeministische Ansätze geht. Diese formulieren umfassende Ansprüche, die die bestehenden geschlechtlichen Überzeugungen vieler Menschen und Institutionen aufzeigen und kritisieren. Dies kollidiert oftmals mit der Erwartungshaltung, die an trans Personen gerichtet wird, möglichst zurückhaltend, ruhig und vor allem dankbar zu sein. Doch ebenso in feministischen Kontexten entfaltet der Wunsch von trans Personen, in ihrer Existenz anerkannt zu werden und Kritik an biologistischen Praktiken zu üben, oftmals großes Konfliktpotenzial. Personen, die gerade noch zu Recht energisch patriarchale, sexistische Zustände bekämpften, lassen davon mitunter ab, da sie queere trans Personen als neue „Gegner*innen“ ausmachen. Ebenso trans Personen, die sich nicht damit begnügen, eingleisig Sexismus zu bekämpfen, sondern ebenso weitere Diskriminierungsmechanismen erkennen und benennen, die eben auch in Feminismen reproduziert werden. Sie gelten zumeist als ein Störfaktor und werden als eine „umfassende Macht“ eingestuft. Eine „umfassende Macht“, die Feminismen zerstören will“, „die Bewegung spaltet“, die transfeindliche, biologistische Zustände in Feminismen erkennt und kritisiert. Diese Zustände motivierten mich, mein Masterstudium in der Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gender Studies anzustreben und letztendlich auch dieses Buch zu schreiben.

      Dieses Buch soll, unter Berücksichtigung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse, ausdrücklich auf cissexistische, transfeindliche und transmisogyne Einstellungen eingehen, die eben auch in Feminismen bestehen. Es soll existierende Missstände darstellen, zeigen, welche Formen des Ausschlusses von trans Personen bestehen und diese kritisieren. Es soll bei Leuten, vorrangig cis Personen, einen Reflexionsprozess anstoßen, der eigene biologistische Einstellungen zu Geschlecht klar werden und überdenken lässt. Ich möchte hiermit verdeutlichen, dass diese Diskriminierungsformen nicht erst mit wutschnaubenden Beleidigungen und körperlichen Attacken auf trans Personen beginnen, sondern in der Regel deutlich gesetzter, akzeptierter und ruhiger verlaufen. Cissexismus, Transfeindlichkeit und Transmisogynie sind viel häufiger der Versuch, sachlich zu begründen, weshalb es in Ordnung sei, trans Personen das Geschlecht abzusprechen. Ich werde darstellen, weshalb die in Feminismen oftmals verwendete Einteilung von Geschlecht in „Sex“ und „Gender“ hochgradig problematisch ist. Ich werde euch handfeste Beispiele aus persönlichen Erfahrungen mit alltäglichem Cissexismus zeigen und deren diskriminierende Elemente Stück für Stück zerlegen. Da es allerdings nicht die Diskriminierung von trans Menschen in Feminismen gibt, werde ich diese Einstellungen und Ausschlüsse in drei Kategorien einteilen, um euch einen Überblick zu verschaffen. Ich möchte auf explizit transfeindliche Feminismen eingehen, die auf bewusstes Absprechen unserer Geschlechter setzen, geschlechtlichen Biologismus mit vielen Formen des Widerspruchs verteidigen und uns schlicht nicht existente gesellschaftliche Machtpositionen unterstellen. Des Weiteren möchte ich aufzeigen, wie Mainstreamfeminismen1 bzw. Cisfeminismen ebenso Geschlecht weiterhin in „biologisch“ und „sozial“ einteilen und hierdurch Ausschlüsse produzieren, was ich als „wohlwollenden“ Cissexismus bezeichne. Ebenso möchte ich auf Cissexismus „in bester Gesellschaft“ eingehen, der zwar nicht vorsätzlich und bewusst betrieben wird, sich jedoch stetig wiederholt und ebenso für langwierige Aufklärungsarbeit durch trans Personen sorgt. Nicht selten führt eben jenes Verhalten zu Rückzügen von trans Personen, um Konflikte und ständiges Von-neuem-erklären-müssen zu vermeiden. Trans Personen kommen an den Punkt der Einzelfallerklärung, wenn sie quasi gezwungen sind, jede einzelne Situation und Begebenheit erneut aufzuschlüsseln und die diskriminierenden Elemente freilegen zu müssen.

      Dennoch möchte ich ebenso persönliche Erlebnisse in dieses Buch einfließen lassen, die ich mit dem wissenschaftlichen Forschungsstand aber auch mit der bestehenden Rechtslage verknüpfen werde. Da es mir sehr wichtig ist, die rechtliche Situation für trans Personen in Deutschland darzustellen, werde ich ausführlich auf das so bezeichnete „Transsexuellengesetz“ eingehen. Dessen tatsächlicher Titel „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“ lautet. Da dieses Gesetz weiterhin besteht, die rechtliche Anerkennung des Geschlechts und der Vornamen von trans Personen regelt, und aufgrund des Umstands, dass für trans Personen eine „eigene“ Rechtslage existiert, halte ich es für unbedingt erforderlich, dieses Gesetz einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. Daher nimmt die Auseinandersetzung mit diesem Gesetz in meinem Buch einen großen Raum ein. Darüber hinaus verfolge ich mit diesem Buch einen intersektionalen Ansatz. Dieser soll die verschiedensten Identitäten von Menschen und deren Diskriminierungserfahrungen aufzeigen. Intersektionalität dient nicht als eine Aufzählung von Diskriminierungen. Intersektionalität soll nicht darstellen, „zu wie viel Prozent“ eine Person diskriminiert wird. Intersektionalität soll verdeutlichen, dass Menschen gleichzeitig verschiedensten Machtstrukturen unterworfen werden, und wie sich diese auf sie auswirken. Daraus können dann Kritiken formuliert werden.

       Begriffliche Definitionen

       Grundlegende Definitionen

      Ich möchte an dieser Stelle keine umfassende begriffliche Abhandlung schreiben, da ein starres Glossar niemals Zeiten überdauern und alle Diskurse einschließen kann. Eine gewisse Grundlegung von Begriffen halte ich allerdings für zwingend erforderlich, weil ich nicht voraussetzen kann und will, dass alle Personen, die dieses Buch lesen werden, dieselbe Basis und denselben Kenntnisstand haben. Im Zuge von ständiger Diskussion und dem Überdenken von bestimmten Termini wird weiterhin diskriminierendes Potenzial erkannt, wandeln sich diese, werden angepasst und neue Begriffe werden etabliert. Ein statisches, hunderte Wörter umfassendes Glossar erscheint also als unangemessen. Jedoch sehe ich es als unausweichlich, einen begrifflichen Leitfaden mitzugeben, um Leuten einen Überblick und möglichst einfachen Einstieg zu geben. Für trans Personen selbst ist der Weg durch viele Ausdrücke oftmals ein sehr schwerer. Für uns selbst, die von vielerlei Anfeindungen und bewusster Ignoranz betroffen sind, ist es meist schon ein schwieriger, langwieriger Prozess, sich in den bestehenden Bezeichnungen wiederzufinden. Für mich war es damals eine Art von Abklopfen, ob gelesene Erfahrungsberichte und Gefühle auf mich zutreffen. Neben der Frage, ob diese zutreffend sein können, beherrschten mich auch oft Selbstzweifel, ob ich überhaupt eine Berechtigung besitze, diese für mich zu benennen. So ganz ohne Echtheitszertifikat meinerseits. Ich möchte damit den großen Stellenwert von Begrifflichkeiten, der Kritik und der ständigen Weiterentwicklung von diesen zeigen. Ich möchte auch klarmachen, dass wir trans Personen als Betroffene von verschiedensten Diskriminierungserfahrungen selbst ebenso die Arbeit leisten müssen, Begriffe kennenzulernen, für uns als passend zu finden, uns anzueignen und nach außen vertreten zu können. Dadurch, dass wir uns über uns selbst bewusst werden, über unsere Geschlechter, haben wir häufig bereits einen langen Weg der Auseinandersetzung mit vielen Begriffen hinter uns. Wir haben oft einen langen Weg der Wissensaneignung hinter uns, bevor wir uns unserer selbst bewusst sind. Dies soll Ignoranz von cis Personen nicht relativieren oder gar entschuldigen. Ich möchte hiermit vielmehr auf deren, auf eure Verantwortung drängen. Ich möchte hierdurch klarmachen, dass wir als trans/non binary Personen bereits oftmals enorme Zeit investieren mussten, um unser Wissen aufzubauen. Ich möchte euch als cis Personen hiermit verdeutlichen, dass nicht-Betroffenheit eben kein Grund sein kann, nicht einmal ein Minimum an respektvollem Umgang, Offenheit und ehrlich interessierten Fragen zu zeigen. Ich will damit zeigen, dass uns nicht auf magische Weise ein Buch oder Datenstick mit allen relevanten Begrifflichkeiten in die Hand gedrückt wird, sobald wir uns unserer selbst bewusst sind. Es kommt kein kostenloses, automatisches Update aus dem Appstore, das uns alle Worte auf Anhieb wissen, verstehen und vertreten lässt. Wir müssen uns dieses Wissen als trans/non binary Personen Stück für Stück selbst erarbeiten, um uns über uns selbst klarzuwerden, um uns selbst bewusst zu machen, dass wir tatsächlich als unser Geschlecht auftreten können. Ohne diese investierte Zeit könnten auch wir selbst nicht über dieses Wissen verfügen. Es geht mir weder darum, Ignoranz zu relativieren, noch darum, Leute mit mangelndem Zugang zu Wissen


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