Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte. Michael Borgolte
Читать онлайн книгу.zu vollbringen sind.“627 Tatsächlich belegen zahlreiche Inschriften, dass die Kaiser und andere Mächtige ebenso wie buddhistische Klöster auch daoistische Tempel errichteten oder förderten; die oft sehr umfangreichen Texte belegen Schenkungen zur Wiederherstellung ruinierter oder den Ausbau bescheidener Anlagen, aber auch die Überlassung umfangreicher Ländereien und „Haushalte“.628 Zweifellos handelte es sich hier um Stiftungen, wenngleich es künftiger Forschung überlassen bleiben muss, das quantitative Verhältnis beider Vergabeformen zu ermitteln.
Einen nachhaltigen Wandel löste im religiösen Leben Chinas die Rezeption des Buddhismus, besonders des Mahāyāna, seit dem 2. Jahrhundert aus.629 Die Lehren von den Wiedergeburten, den Höllenqualen und vom Verdiensterwerb sowie – seit dem 4. Jahrhundert – das Eindringen des Mönchtums haben auch den Daoismus tiefgreifend verändert.630 Die indische Lehre vom Vergeltungsmechanismus führte dem Einzelnen die Folgen seiner guten und bösen Taten vor Augen und lockerte seine familiären Verantwortlichkeiten; die Ahnen, von denen er nach alter chinesischer Überlieferung Hilfen und Wegweisungen erwartet hatte, wurden nun, in die Höllen verbannt, selbst seiner Hilfen bedürftig, um ihr transmortales Heil zu finden.631 Priestern und Mönchen wuchs die Aufgabe zu, durch religiöse Kulthandlungen, Rezitationen und Bußwerke Verdienste zu erwerben, die sie auf andere, besonders auf Verstorbene, übertragen konnten.
Erster bedeutender Niederschlag der buddhistischen Einflüsse im Daoismus war das Corpus der ‚Lingbao‘-Texte, das vor allem auf Lu Xiujing (406–477) zurückging.632 In einer der ersten seiner Schriften wird erzählt, wie angeblich der „Transzendente Herzog“ Ge Xuan am 11. Februar 240 seinen 32 Schülern erzählte, welche Mühen er für den Aufstieg zu den höchsten Himmeln und zum Hof der höchsten Götter hatte aufwenden müssen. Bemerkenswert ist, dass Ge Xuan dabei die buddhistische Lehre von der Seelenlosigkeit (noch) nicht rezipiert hatte, sondern bei wiederholten Wiedergeburten die Persistenz seines Selbst vorausgesetzt hat: „Ich könnte bis zum Ende des Tages über die Vergehen und Verdienste sprechen, die Verwandlungen und die verschiedenen Leiber, die ich in meinen früheren Existenzen angenommen habe, und trotzdem hätte ich nicht alles erzählt. Aber da ihr es wissen wollt, kann ich einen Teil davon erzählen: In alter Zeit wurde ich als ein reicher Mann geboren, aber ich schenkte den Armen keine Beachtung, unterstützte nur die Starken und unterdrückte die Schwachen. Als ich dann starb, geriet ich in die Erdgefängnisse. Dann wurde ich als gewöhnlicher Mensch geboren – ohne Vermögen und kränklich, verwaist und ohne Unterstützung. In dieser Zeit dachte ich: ‚Was habe ich in den vergangenen Leben getan, um solches erleiden zu müssen? Und welches Verdienst haben die anderen in ihren früheren Leben erworben, dass sie solches Glück und Vermögen erworben haben?‘ Ich entschied mich dafür, gute Werke zu tun, verstand aber nicht, weshalb, so dass meine Sorge schwer auszudrücken war. Als ich starb, stieg ich in die Hallen der Gesegneten auf und wurde in einer wohlhabenden Familie wiedergeboren. Es fehlte nicht an Schätzen und es gab nichts, was ich mir nicht hätte wünschen können, aber trotzdem war ich gewalttätig gegenüber unseren Sklaven und Dienern, und als ich starb, ging ich [wieder] in die Erdgefängnisse ein. Dort litt ich unter den mir abverlangten Diensten und den Schlägen in den ‚Drei Büros‘, bis meine Fehler zu ihrem Ende kamen. Ich wurde dann als ein niederer Beamter geboren, der auf den Atem von anderen zu achten hatte und jede Art von Dienst tun musste. Für jede Art von (Selbst-)Bewegung wurde ich geschlagen. Ich arbeitete mich durch alle Arten von Schmutz und die Asche [gesellschaftlicher Unordnung] und machte die Erfahrung aller Arten von Leiden. Dann dachte ich: ‚Was hast du in früheren Leben für Verbrechen begangen, dass du ein so kleiner Beamter geworden bist?‘ Erneut verwandte ich deshalb meine eigenen Güter darauf, den Armen zu helfen und respektvoll den Daoisten zu dienen, indem ich Weihrauch und Öl spendete. Mein einziger Wunsch war, in einer wohlhabenden Familie geboren zu werden. Ich starb und wurde in die Gefilde des Segens aufgenommen, wo meine Kleidung und meine Nahrung auf natürliche Weise dargeboten wurden. Später wurde ich als angesehene Person wiedergeboren, aber wiederum schlachtete ich die unendliche Fülle des Lebens hin, ging auf die Jagd und fischte. Als ich starb, betrat ich [erneut] die Erdgefängnisse. Dort lernte ich die Berge der Messer und die Bäume der Klingen kennen, als ich in einem großen Fass gekocht wurde, sowie das verzehrende Feuer. Alle der fünf Leiden widerfuhren mir. Einmal, als meine Vergehen zu Ende gekommen waren, wurde ich als Schwein und dann als Schaf wiedergeboren, um alte Beschwerden [gegen mich] abzuzahlen. Dann wurde ich als Mann niederen Standes geboren, extrem verachtenswert, stinkend und abscheulich. Ich betrog und beraubte andere ihrer Güter, niemals zahlte ich ihnen etwas zurück, und starb und betrat die Erdgefängnisse. Dann wurde ich als Ochse wiedergeboren, um Menschen mit meiner Arbeit zu entlohnen und mit meinem Fleisch zu ernähren. Danach gewann ich wieder menschliche Gestalt als eine Person von mittlerem Wert, die über fast ausreichend genug Vermögen verfügte[, um mich selbst zu unterhalten]. In dieser Zeit dachte ich über verdienstvolle Werke nach. Ich unterstützte ständig die Daoisten, verehrte die Schriften und hielt die Vorschriften ein. In Demut ordnete ich mich niedriger als die anderen ein und gab den Leidenden und Bedürftigen Almosen. In allem folgte ich dem Dao. Wann immer ich von einem Verdienst hörte, folgte ich ihm. Im Alter von 80 Jahren starb ich und stieg direkt zu den Herbergen der Gesegneten auf, wo ich Nahrung und Kleidung von der himmlischen Vorratskammer erhielt. Daraufhin wurde ich in einer adligen Familie geboren, wo ich in kriegerischer Tapferkeit ausgebildet wurde und tötete und Krieg führte. Wiederum war ich voller Verehrung gegenüber den Daoisten und hielt im Glauben an dem letzten Gesetz fest. Als ich starb, betrat ich die Erdgefängnisse und war drauf und dran, mich bitter zu beschweren, als der Höchste eine Anweisung schickte und sagte, ‚obwohl dieser Mensch durch Mord und Kriegführung gesündigt hat und in die Erdgefängnisse hinabgestiegen ist, hat er zu Lebzeiten doch am Glauben an das Gesetz festgehalten und das Dao verehrt. Er gab auch den Bedrängten. Ich wünsche nun, dass ihm, nachdem er befragt und bestraft worden ist, erlaubt wird, in die Hallen des Segens aufzusteigen, und [er] mit den Gütern des himmlischen Vorrats ausgestattet wird.‘ Dann wurde ich als Adliger geboren, und die Vergeltungen für die Beschwerden[, zu denen ich in meinem früheren Leben Anlass gegeben hatte,] sollten über mich kommen. Als es so weit war, gelobte ich, mein Sinnen und Trachten fest auf das Dao auszurichten und Schriften und Lehren ehrfürchtig entgegenzunehmen. So übte ich Tugenden im Verborgenen, rettete die Gefährdeten und Gepeinigten, übte Verwaltung aus in Übereinstimmung mit dem Dao und bewahrte mir ein wohlwollendes Herz gegenüber allen Wesen. Ich unterstützte die Daoisten, diente meinem Fürsten in Loyalität und behandelte meine Angestellten entsprechend den Riten. Durch ständige Aufmerksamkeit vermied ich Ruhm und öffentliche Einkünfte. Auf diese Weise vermied ich [Eintreibungen] bei denen, die Beschwerden gegen mich führten [wegen der Sünden meiner früheren Leben]. Als ich die Fülle meiner Jahre gelebt hatte, starb ich und stieg zum Himmel auf. In meinem nächsten Leben war ich wieder ein Adliger. Meine Ehrerbietung und mein Glaubenseifer waren eher noch größer. Als ich aber jung war, verbrannte ich Weihrauch und gab das Versprechen ab, dass ich später mit so hoher Intelligenz wiedergeboren werden würde, dass ich die wunderbaren Gesetze verstehen könnte und so ein Daoist würde. Als ich starb, trat ich in die Hallen des Segens ein. Später wurde ich in einer Familie in den mittleren Ländern geboren und wurde ein daoistischer Meister des Gesetzes. Ich trug Talare des Gesetzes und hielt die Vorschriften ein. Als ich das Dao praktizierte, predigte ich die Schriften mit guter Einsicht. Wegen meiner Handlungen als Meister des Gesetzes wurde ich von allen verehrt. Ich gab dann ein Gelöbnis ab und sagte, ‚da ich es in diesem Leben nicht vermag, das Dao zu erlangen, wäre es das Beste, eine Frau zu sein und die Vorteile des Müßiggangs ohne Pflichten zu genießen‘. Als dann meine Lebenszeit zu Ende ging, wurde ich als Frau geboren, von schönem Angesicht und Leib, mit einer angeborenen Intelligenz und mystisch ausgezeichnet. Meine Sprache war wie Poesie. Zu dieser Zeit übte ich die Rückzüge in die Einsamkeit und rezitierte Schriften. Dann entschied ich, als ein Mann mit großem Talent und entschiedenem Willen geboren zu werden, so dass ich bis zu dem Geheimen und Leeren vorstoßen könnte. Ich wünschte, das ‚Leichte und Flüchtige‘ voll zu verstehen und als Prinz geboren zu werden, der sich mit den Daoisten vereinen könnte. Mit diesem Ziel ging ich in die Einsamkeit der Berge, erfreute mich an der Musik, nachdem ich mir die Texte vielfach vorgesagt hatte. Als mein Leben zu Ende ging, stieg ich zum Himmel auf und wurde auf natürliche Weise bekleidet und genährt. Nach einer Weile wurde ich als Erbe in einer Prinzenfamilie geboren. Ich hatte freien Zugang zu allen Palästen und folgte dem König auf dem Thron. Ich lud Daoisten ein, den würdigen