Berufsbezogenes Marketing. Gerhard Seidel

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Berufsbezogenes Marketing - Gerhard Seidel


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Schicksalsgemeinschaft Trainer und Teilnehmer

      Spinnt man den Faden dieser Überlegung weiter, dann stellt man fest, dass das Beschäftigungsrisiko der Trainer mit dem Vermittlungserfolg der Teilnehmer eng verbunden ist. Man ist aufeinander angewiesen. Das ist oft vor allem den Teilnehmern nicht klar und entsprechend verhalten sie sich.

      Nach meinen Erfahrungen sind die Trainer zwar höchstens für 30–40 Prozent des Vermittlungserfolges verantwortlich, weil die Teilnehmer trotz guter Vorbereitung häufig das Falsche sagen oder tun. Doch man kann die Quote auf 60 oder gar 70 Prozent steigern, und dies wiederum bedeutet, dass damit auch das Bewerberverhalten optimiert wird. Davon handelt dieses Buch!

      Was ich damit meine, soll das folgende Statement einer sehr erfolgreichen Mitarbeiterin (was die Vermittlungsquoten angeht) deutlich machen. Diese Trainerin gab zu Beginn von Seminaren ihren Teilnehmern (bei Reintegrationsseminaren für Langzeitarbeitslose) immer diese besondere Situation zu bedenken und sagte in etwa das Folgende:

       „Meine Aufgabe ist es, Ihnen dabei zu helfen, dass Sie dauerhaft einen neuen Arbeitsplatz finden. Damit die Chancen Ihrer Bewerbungen sich verbessern, werden wir in den kommenden Wochen daran arbeiten, Ihre vermittlungshemmenden Probleme zu lösen.

       Die Firma, für die ich arbeite, hat sich verpflichtet, dass ich mindestens die Hälfte von Ihnen in ein Arbeitsverhältnis bringen werde. Diese Erfolgsquote wird drei Monate nach Ende dieses Lehrgangs überprüft. Wenn wir die Quote nicht erreichen – und das können wir nur gemeinsam –, dann muss meine Firma nicht nur Strafe bezahlen, sie bekommt auch keine neuen Aufträge mehr. Und das wiederum bedeutet, ich habe ebenfalls keine Arbeit mehr.

       Ich werde alles tun, damit Sie eine Beschäftigung finden, aber auch damit ich weiterhin Menschen helfen kann, ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Deshalb wünsche ich mir von Ihnen, dass Sie mich dabei unterstützen und mich nicht aus falschen Unterstellungen, aus Bequemlichkeit oder anderen Gründen arbeitslos machen.

       Das wollte ich Ihnen zu Beginn sagen. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Sie in diesem Seminar nicht mithelfen, dass wir für Sie erfolgreich arbeiten können.“

      Sie machte schon zu Beginn deutlich, dass es nicht nur um Wissensvermittlung gehe, sondern um eine ganz klar vereinbarte Leistung gegenüber dem Auftraggeber, und es Konsequenzen habe, wenn dieser Auftrag nicht erfüllt werde. Sie nahm die Teilnehmer in die Pflicht und personifizierte den möglichen Misserfolg in seinen Konsequenzen. „Nicht irgendein ominöser Auftraggeber, sondern ein Mitmensch hat Mitverantwortung für meine berufliche Zukunft übernommen und sein Schicksal mit dem meinem verbunden.“ Das macht Eindruck, das überzeugt, das lässt so manchen unwilligen Teilnehmer nachdenklich werden!

       Ablauf eines Seminars

      Die nebenstehende Grafik zeigt, wie der Ablauf eines Seminars sein könnte. Dabei tauchen einige Begriffe auf, die ich später noch darstellen und erklären werde. Es geht also auch darum, dass Sie diese Aufgabe erfüllen können und über die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, um auch als „Verkaufstrainer von menschlicher Leistung am Arbeitsmarkt“ erfolgreich zu sein. Dazu gehört auch die Erkenntnis: Nicht wer als Bewerber objektiv besser ist, sondern wer dies subjektiv besser kommunizieren kann, bekommt meist den Zuschlag und die offene Stelle.

      Bevor man seine Bewerbung formuliert oder zum Personalchef geht, müssen Bewerber darin geschult werden: Wie kann ich angenehm und empfängerorientiert, also anders und deutlich besser meine Leistung verkaufen als meine Mitbewerber? Denn gut und kompetent sind viele.

       Strategien zur Markterhaltung

      Noch etwas ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. In meinen letzten Beratungen und Workshops fiel mir wieder auf, dass man zwar den Teilnehmern dabei hilft, mit ihrer Bewerbung einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Was nach meiner Erfahrung jedoch fehlt, sind Ideen und Strategien, um den so gefundenen Arbeitsplatz zu erhalten. Den Fragen „Was muss ich tun, damit aus meinem Praktikum eine Festanstellung wird?“ oder „Wie schaffe ich es, dass ich mir meinen neuen Arbeitsplatz erhalte?“ wird viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Dabei ist es doch einfacher, eine Stelle zu behalten als eine neue zu „erobern“. Auch zu diesem Thema werde ich die Hintergründe beleuchten und einige Vorschläge machen.

       Was sind das für Veranstaltungen?

      Ich werde grundsätzlich von Seminaren sprechen, denn ob Sie in Kursen, Workshops, Weiterbildungsveranstaltungen, Trainings, Ausbildungslehrgängen oder sonstigen Schulungen tätig sind, ist ziemlich egal und ändert nichts an den Inhalten dieses Buches. Ähnlich ist es mit den für mich etwas unübersichtlichen Untergruppen des Arbeitsamtes. Es gibt inzwischen Arbeitsagenturen, Jobcenter, kommunale Center für Arbeit und die Arge. Es gibt wohl auch inzwischen keine Arbeitslosen mehr, sondern sie nennen sich Arbeitssuchende. Zu meiner Zeit war das alles noch ein wenig einfacher. Man möge mir also verzeihen, wenn ich die falschen oder etwas überholten Begriffe verwende.

       Sichtweisen

      Dazu passt ein weiteres Thema, das ich unbedingt ansprechen möchte: Es sind unsere Sichtweisen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Als Trainer (oder Lehrer) bringen wir anderen Menschen – was auch immer – irgendetwas bei. Das impliziert, dass wir davon überzeugt sind, es doch meistens besser zu wissen als unsere „Schüler“. In meinem beruflichen Leben (ich gehe später kurz darauf ein) hatte ich oft das Problem mit meinen Mitarbeitern (in der Regel nannten sie sich Dozenten), sie von neuen, anderen, besseren Strategien, Methoden oder sonstigen, für ihre Arbeit vielleicht wichtigen Erkenntnissen zu überzeugen. Nicht dass sie alle Besserwisser gewesen wären, ich sage es mal so, ihre Beharrlichkeit war oft sehr ausgeprägt.

      Wenn ich Vorträge oder Workshops für Bewerbertraining halte, dann kann ich bei den Teilnehmern oft beobachten, dass einige von ihnen bei bestimmten Passagen den Kopf schütteln und mir damit signalisieren: Das sehe ich aber ganz anders, mit dieser Ausführung bin ich nicht einverstanden. Doch es gibt auch die andere Gruppe, die zustimmend nickt und damit deutlich macht: Das sehe ich auch so. Das, lieber Seidel, ist in Ordnung (das kennen Sie bestimmt auch von Ihren Seminarteilnehmern).

      Unter Lernen versteht man auch, das vorhandene Wissen in Frage zu stellen. An einem guten Lernprozess nimmt man dann teil, wenn möglichst viel vom eigenen Wissen „in Frage gestellt wird“.

      Anders formuliert: Wenn die Teilnehmer mit den Inhalten meines Vortrages (oder Sie als Leser dieses Buches) stets einverstanden wären, meine Ausführungen immer mit Ihren Ansichten übereinstimmten, dann wäre die Teilnahme an der Veranstaltung eigentlich sinnlos, dann brauchten Sie dieses Buch auch nicht zu lesen. Denn der Zugewinn an neuen Erkenntnissen und Wissen wäre gleich null.

      Dazu eine kleine Übung, damit Sie wissen, was ich meine. Übrigens: Diese und die nachfolgende Übung habe ich in meinen Vorträgen immer möglichst früh „eingebaut“, um die Zuhörer einzustimmen, dass sie offen sind für neue und unter Umständen kontroverse Wahrheiten.

      Wie viele Quadrate sind das? Manche erkennen 16, andere 17, weil sie das große Quadrat, das die äußere Begrenzung bildet, mitzählen. Einige entdecken dann die Viererkombination und kommen auf 26; man kann sogar, wenn man die kleinen Quadrate zu neunt zusammenfasst, bis zu 30 erkennen. Die Frage ist: Wer hat denn nun recht? Wie viele Quadrate sind es tatsächlich?

      Alle haben recht! Es kommt darauf an, wie man es sieht. Jeder hat seine Wahrheit. Es gibt auf dieser Welt unendlich viele Wahrheiten, und die sind genauso richtig wie Ihre oder meine Wahrheit. Es kommt darauf an, was man erkennt, von welchem Standpunkt man die Dinge betrachtet und wie man das Wahrgenommene interpretiert.

      Ähnlich ist es beim Bau eines Hauses, auch hier treffen die unterschiedlichsten Interessen, Sichtweisen und Entscheidungskriterien aufeinander. Während den Bauherrn mehr interessiert, wo sich die Küche oder das Schlafzimmer befindet, hat der Statiker


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