Besser wird's nicht. Группа авторов
Читать онлайн книгу.Schwächen zu konzentrieren, gibt es doch den einen oder anderen Erfolg. »Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht, das Böse, das ich nicht tun will, tue ich – nun aber ist dies weit überwunden in Jesus Christus, meinem Herrn!« Das ist eigentlich gar keine schlechte Richtschnur für den Umgang mit inneren Schweinehunden.
Erwarten Sie von mir trotzdem keine Ratgeber zum Thema Hundeerziehung oder Konsequenz. Aber zum Thema »Unangenehm auffallen und trotzdem gut drauf« können Sie auf mich zählen.
Karin Ackermann-Stoletzky lebt mit ihrem Mann, dem Journalisten Cyrill Stoletzky, in Solingen. Sie arbeitet als Supervisorin, Trainerin, Referentin und betreibt eine Praxis in Solingen. www.praxis-intakt.de
Rollern, Woggen, Aquajoggen –
was will ich, und wenn ja, warum?
Marlis Büsching
Ich komme jetzt in das gewisse Alter. Von dem ich früher dachte: Nu is der Spaß vorbei. Isser aber gar nicht! Dennoch, manches ist anders als früher. Damals war es mir völlig egal, wie sehr meine Haare beim Baden nass wurden. Als Fast-Endvierzigerin gehöre ich bald der Best-Age-Generation an. Deren weibliche Vertreterinnen – häufig zu beobachten – mit herausragenden Hälsen ihre Runden schwimmen, um möglichen Spritzern zum Schutz der Frisur sorgsam aus dem Wege zu gehen. Fehlen nur noch geblümte Rüschenkappen. Um es gleich klarzustellen, so schwimme ich nicht!
Überhaupt habe ich eine neue Technik für mich entdeckt: Ich aquajogge. Die Haare bleiben dabei wie von selbst trocken. Denn der umgeschnallte Auftriebsgürtel hält mich permanent aufrecht im Wasser. Ein bisschen fühle ich mich dabei wie ein Storch im Salat, bei inständiger Hoffnung, dass es nicht so aussieht. Die normalen Schwimmer rechts und links schauen immer leicht irritiert bis interessiert, wenn ich mich merkwürdig senkrecht und scheinbar mühelos durchs Wasser bewege. Die mit Schwimmbrille dagegen sind im Bilde, denn sie können unter Wasser die ungewöhnlichen Stampfbewegungen dieser trendigen Wassersportart genau studieren, die meistens in fröhlichen Frauengruppen reiferen Alters absolviert wird.
Eigentlich ist klar, dass so etwas zum Angriff reizen muss. Während ich erhobenen und noch trockenen Hauptes meinem Körper Bahn für Bahn Gesundes tue, ist das für einen Bengel im Streiche-Alter das Signal dagegenzuhalten. Er platziert eine A…bombe – früher hätte ich das Wort noch hemmungslos ausgesprochen – direkt hinter mir. Zunächst bemerke ich die Arglist nicht, nur etliche Spritzer an meinen Hinterkopf. Die Empörung baut sich langsam in mir auf. Erst das schadenfrohe Lachen des Bombers gibt mir vollständige Gewissheit: Das war ein Anschlag! Ich schaue in die Richtung des Frevlers und frage mit strenger Miene – ich war mal Heimerzieherin – »Muss das sein?« Mir fällt nicht ein, was ich noch Beeindruckendes sagen könnte, ich war auch schon mal schlagfertiger. Wohl um einer weiteren Rüge vorzugreifen, erklärt er treuherzig: »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht versenken!«
Das Wort »versenken« kenne ich nur in Verbindung mit Schiffen – habe ich etwa Ausmaße eines solchen? Unerhört, dieser Rotzlöffel! Aber ich lasse mich nicht provozieren. Außerdem hat das verschmitzte Lachen in den Augen dieses Blondschopfes doch seine Berechtigung, schließlich ist diese Woche schulfrei, und es herrscht beste Ferienlaune. Und einen Jungen, der sich entschuldigt, findet man heute auch nicht mehr alle Tage. Scheint im Grunde ein guter Junge zu sein. Kein Egoshooter oder Counterstriker, nur ein harmloser Schiffeversenker.
Jetzt muss ich den Hals nicht mehr recken, die Haare sind nass, die Unversehrtheit der Frisur dahin. Wollte ich heute noch jemanden betören? Muss mal kurz nachdenken. Mir fällt niemand ein, für den sich das lohnen könnte. Vielleicht eine falsche Einstellung. Man kann ja nie wissen, wem man unverhoffter Dinge plötzlich gegenübersteht. Mit patschnassen Haaren fühle ich mich gleich viel jünger. So wie damals, als ich mich noch nicht so angestellt habe wegen ein paar Spritzern. Als ich den ohrenbetäubenden Krach noch nicht als solchen empfand, sondern als mitreißende Geräuschkulisse täglichen Badespaßes. Als ich noch zum Baden ging, statt zum Schwimmen oder gar zum Aquajoggen. Als ich noch lustvoll vom Beckenrand sprang, statt gesundheits- und figurbewusst abgezählte Runden zu drehen. Als ich geduldig mit 40 Pfennig in der Hand für Lakritz und Lolli anstand, anstatt kraftvoll in einen Bio-Apfel zu beißen.
Ich schaue in Richtung 3-Meter-Turm. Es ist besser, die übermütige Bande im Auge zu behalten. Immer noch das gleiche Bild wie damals! Zwei Mädchen, aber mindestens zehn Jungen, drängeln sich in luftiger Höhe, um sich einer nach dem anderen todesmutig hinunterzustürzen. Formschön mit Haltung oder hemmungslos verrenkt, geräuschvoll und wasserverdrängend. Nicht ohne sich gebührend umzuschauen, wie viele ihnen gerade dabei zuschauen. Nicht ohne sich zuzuschreien: »He, schaut her, was ich jetzt mache!« Dabei machen sie alle immerzu das Gleiche. Den Bombensprung mit dem Allerwertesten.
Ob ich mich noch traue, was die sich trauen? Wie viele Jahre ist es her, dass ich ebenfalls ohne Zögern und mit Wonne einen exzellenten Hechtköpper machte? Mit Spannung vom Kopf bis in die Fußspitzen. Und mit Anlauf. Und jetzt? Gerade mal vom Startblock tauche ich gestreckt ins kühle Nass hinein. Der Mut schwindet unmerklich dahin. Brauche ich diesen Kick nicht mehr, diesen Adrenalinschub, den ich als 13-Jährige noch brauchte, und auch noch als 23-Jährige? Die Zeiten ändern sich. Es ist mir Kick genug, mir mit quietschgelber Schwimm-Nudel vor dem Bauch aufrecht einen abzustrampeln.
Als ich 28 war, habe ich mir vorgenommen, jedes Jahr neu mit Anlauf einen Kopfsprung vom 3-Meter-Brett zu machen. Mir wurde damals klar: »Wenn du es nicht jedes Jahr machst, traust du dich bald gar nicht mehr!« Das klappte einige Jahre. Mit zunehmender Überwindung. Schleichend unterblieb der Anlauf, dann habe ich mich noch stehend mit Schwung vom Brett gestürzt, dann ohne Schwung, zuletzt im Sitzen vornüberfallend wie ein Sack Kartoffeln. Da ist man dem Wasser schon einen Meter näher. Irgendwann unterblieb auch das.
»Du musst das nicht mehr machen«, sagt mein Vater. »In deinem Alter.« Er muss es wissen, er ist 82. Ich bin beruhigt. Schade ist es trotzdem, dass einen im Laufe der Jahre der Mut verlässt. Und der Ehrgeiz. Und die Ausdauer. Früher habe ich nicht nur das 3-Meter-Brett für die Erprobung meines Mutes und zum Austoben gehabt. Ich bin auch wie selbstverständlich 1000 Meter geschwommen. Nicht einfach nur so. Nein, auf Zeit. In weniger als einer halben Stunde. Es fiel mir leicht, mich zu motivieren. Es schwamm sich wie von selbst. Kraulen, Brust, Rücken, Delfin. Immer im Wechsel. Dann Kraulen ohne Beine, Rücken ohne Arme, Kraulbeinschlag ohne Arme, Brust ohne Beinschlag, kräftig ins Wasser prustend. Heute zähle ich keine Bahnen mehr und schaue nicht mehr auf die Uhr. Zeit nehme ich mir und schwimme – ohne ins Schnaufen zu geraten – so lange ich lustig bin. Es gilt, keinen Wettkampf mehr vorzubereiten, keine persönliche Bestzeit mehr zu unterbieten, keine begehrte Abiturnote im Prüfungsfach Sport herauszutrainieren.
Wo bleibt die Herausforderung? Es gibt sie noch, aber anders. Irgendwie relaxter, gesünder, kreativer. Zum Beispiel denke ich mir neue Schwimmarten aus. Es sieht ja keiner: So wie bei Monty Python’s Flying Circus, die in ihrer englischen Comedy-Show das Ministerium für außergewöhnliche Gangarten vorstellten. Zum Schreien komisch, was die sich für verrückte, verrenkte Gehvarianten ausdachten: raumgreifend, schlaksig, abgehackt. Und das nun im Wasser. Bewege mich wie ein Krake in alle Richtungen, drehe gleichzeitig Arme und Beine, beuge den Körper nach vorne und erhalte mal von der einen oder anderen Bandscheibe einen kleinen Gruß. Schwebe phantasievoll als Oktopus durchs Wasser, genieße die Fast-Schwerelosigkeit. Recke mich und strecke mich, nenne es »Wohlfühlräkeln« oder »Hüftgoldwedeln«. Nun ja, zur olympischen Disziplin wird es wohl keine meiner verrückten Bewegungsarten schaffen. »Haben Sie einen Krampf, brauchen Sie Hilfe?«, fragt mich ein besorgt aussehender Herr mit hektisch hochgeschobener Schwimmbrille. Er hat mich wohl beim Hüftgoldwedeln beobachtet. »Nein, es geht schon.« Dass ich gerade neue Schwimmarten erfinde, verrate ich nicht. Bleibt mein Geheimnis, zukünftige Patentrechte möchte ich ganz für mich beanspruchen.
Ich sehe also unmöglich aus, wie ich mich hier unnormaler Schwimmtechniken bediene? Mir doch egal. Es macht mir ja auch nichts aus, wenn ich mich auf meinem Roller durch die Straße bewege und mich dabei vor allem die Kinder verständnislos ansehen,