Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert
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Informationen zum Buch
Ein Polit-Krimi über das Massaker von Celle
Informationen zur Autorin
Cornelia Kuhnert, Jahrgang 1956, hat in Hannover studiert und viele Jahre in Burgdorf als Lehrerin gearbeitet. Mittlerweile wohnt sie in Isernhagen. Seit 2005 veröffentlicht sie Kriminalgeschichten und Kriminalromane. Bei zu Klampen veröffentlichte sie zuletzt in der Anthologie »Der Ring der Niedersachsen« (2010).
Cornelia Kuhnert
Tödliche Offenbarung
Kriminalroman
zuKlampen!
Impressum
©2011 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
[email protected] · www.zuklampen.de
Herausgegeben von Susanne Mischke
Umschlaggestaltung: Stefan Hilden, München
Umschlagmotiv: © HildenDesign, tilla eulenspiegel / photocase.com
Konvertierung: Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ISBN 978-3-86674-128-7
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar.
|5|Prolog
»… bislang war das ja mehr ein Spaß, wenn es auch manch einem nicht so vorkam, dem wir das Luftholen abgewöhnten; jetzt aber hört sich die Gemütlichkeit auf. Wehrwölfe waren wir; jetzt müssen wir Beißwölfe werden. Der Wulfsbauer denkt genauso, Drewes. Wer heute nicht zubeißt, der wird gebissen.«
Hermann Löns, Der Wehrwolf, S. 122
|7|Freitag, 22:27 Uhr
Gespenstische Stille liegt über dem Staatsforst Lohne, nur von der Schneise, die die Autobahn durch den Wald schlägt, steigt der monotone Singsang der Reifen hoch. Die Rehe haben sich längst daran gewöhnt. Unbeeindruckt stehen sie am Wegesrand und äsen. Plötzlich hebt ein Rehbock sein Haupt. Jede Faser seines Körpers spürt die sich nähernde Bedrohung. Ohne zu zögern, flüchtet das Tier mit hohen Sprüngen ins Dickicht hinter dem Schlagbaum. Noch bevor das Motorrad die Stelle erreicht, wo der Bock gestanden hat, ist auch von den anderen Rehen nichts mehr zu sehen.
Henry Broderich hat es nicht eilig. Mit geringer Geschwindigkeit tuckert er über das holperige Kopfsteinpflaster des Alten Postwegs, das speckig im Licht des Vollmondes glänzt. Vor der Wegkreuzung zum Golfclub Isernhagen wird er noch langsamer und hält schließlich. Broderich steigt ab und sieht sich nach allen Seiten um. Es ist niemand zu sehen. Ein zufriedenes Lächeln umspielt seine schmalen Lippen. Heute ist sein Tag – das hat er schon beim Aufwachen gewusst.
Das ins fahle Mondlicht getauchte Mausoleum aus der Gründerzeit steht zurückgesetzt auf der anderen Straßenseite, die floralen Verzierungen der Vorderfront schimmern hell im nachtschwarzen Wald. Broderich mag den steinernen Fremdkörper. Vielleicht, weil es mit seinem abgerundeten |8|Kupferdach genauso wenig hierher passt wie er in das Leben, das er führt. Bisher geführt hat.
Entschlossen überquert er den Vorplatz der Grabstätte. Erst auf der Rückseite des Mausoleums bleibt er stehen. Er lauscht. Alles ist ruhig, nur ab und zu hört man den Schrei eines Käuzchens. Broderichs Blick streift die quadratischen Sandsteine, die im unteren Teil zu einem Bogen geformt sind. Er beugt sich vor und tastet sie mit den Fingerspitzen ab. Sie sind glatt, nur einer hat eine Aufrauung. Als er den losen Stein aus dem Mauerwerk zieht, tritt ein Schatten hinter der dickstämmigen Eiche hervor.
|9|I.
Samstag
»Unser lieber Herr Herzog, den Gott erhalten möge, hat uns wissen lassen, wir sollen zusehen, daß wir uns wehren sollen, wie wir irgend können, und alle Hundsfötter, die hier nicht hergehören, totschießen wie tolle Hunde.«
Der Wehrwolf, S. 49
|11|1
Samstagmorgen gegen acht wacht die Eilenriede auf. Die Menschen strömen in Sportschuhen und Trainingshosen auf Hannovers Stadtwald zu, stehen unruhig dribbelnd am Straßenrand und warten darauf, dass die Fußgängerampel auf Grün schaltet und sie losspurten können. Einer von ihnen ist Hauptkommissar Max Beckmann. Gestern Morgen hatte er lange suchen müssen, bis er seine Laufschuhe schließlich in einer der Umzugskisten fand, die er bei der letzten Versetzung erst gar nicht ausgepackt hatte. Zerdrückt und vergessen lagen sie ganz unten im Karton. Beckmann zog sie dort erst heraus und dann an. Er kam nicht weit. Zwei Etagen tiefer begannen die Schaumsohlen auf der Treppe zu bröseln, im Hauseingang lösten sich bereits Teile der Sohle vom Schuh. Statt zu joggen, machte sich Beckmann vorm Dienst noch in ein nahe gelegenes Sportgeschäft auf.
»Supernova Cushion«, raunte ihm der Verkäufer zu. »Super Dämpfung, perfekt für längere Asphaltläufe und hohes Lauftempo. Kann ich nur empfehlen, es sei denn, Sie haben Platt- oder Senkfüße.«
Die hat er nicht – und längere Läufe und höheres Tempo strebt er an. Also bewegt sich Beckmann jetzt im Pulk der Jogger, erhöht sein Schritttempo in Höhe der Hohenzollernstraße und steuert auf den Lister Turm zu. Kurz davor geht ihm die Luft aus, schnaufend lehnt er sich an einen Baum. Seine Lunge sticht. Ob das wirklich gesund ist? Er beugt |12|sich vor, atmet ein und aus, sein Pulsschlag beruhigt sich nur langsam. Mit gleichmäßigen Schritten geht er den breiten Asphaltweg zurück, dann beschleunigt er erneut sein Tempo. Die nächsten hundert Meter hat er schnaufend hinter sich gebracht, als eine Gruppe von Joggern in bunter Kleidung auf ihn zurollt. Wer ausweicht, hat verloren. Beckmann gibt trotzdem nach und macht einen Schritt zur Seite. Der Jogger im pinkfarbenen Nylon auch, doch von hinten prescht ein Inlinefahrer heran und schlägt einen Haken. Ein spitzer Ellenbogen rammt Beckmann, er strauchelt und reibt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Rippen. Wie hat er bloß glauben können, dass er der Einzige sei, der mit einer Joggingrunde in diesen strahlenden Sommertag startet? Noch dazu, wo es tagsüber so heiß werden soll, dass man am liebsten in der kühlen Wohnung bleiben würde – wenn man denn eine hätte.
Beckmanns neues Zuhause ist ein in den siebziger Jahren ausgebauter Wäscheboden in der Wedekindstraße. Dass die Wärmedämmung eines Daches nicht nur im Winter von Nutzen ist, daran hatte beim Ausbau niemand gedacht; er selbst bei der Besichtigung der Wohnung auch nicht. Die redegewandte Maklerin überzeugte ihn schnell von den unübersehbaren Vorteilen: »Ein so großzügiges Loft mitten in der List müssen Sie mit der Lupe suchen.«
Loft? Na ja. Die Wände zwischen den Zimmern und zur Küche fehlen, einzig das Badezimmer ist mit einer dünnen Sperrholzwand abgetrennt, durch die man alle Geräusche hört, sogar die, die man am Küchentisch nicht hören möchte. Vor sechs Wochen hatte ihn das nicht weiter gestört, da wollte er nur noch