Schule aus, Neuseeland ruft 2.. Philip Raillon

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Schule aus, Neuseeland ruft 2. - Philip Raillon


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darstellte. Die Ampelanlage ist übrigens nur zur Hochsaison im Sommer geschaltet – wartende Autos wären im Winter einer zu großen Gefahr von Lawinen ausgesetzt. Da ein gegenseitiges Passieren zweier Autos platzmäßig knapp möglich ist, lässt sich die Ampel in den kalten Monaten ausschalten. Als wir endlich vom grellen Licht geblendet das Ende erreichen, zeigt die Ampel für die Gegenseite noch eine Minute an – wir haben also 14 Minuten für den Tunnel gebraucht. Aber wir haben es geschafft und fahren die lange und kurvige Straße wieder zurück bis Te Anau. Das grüne Moos bedeckt stellenweise den gesamten Asphalt. Wir haben wirklich Glück gehabt mit dem Wetter. Für eine Schaf-Familie müssen wir hingegen unterwegs nochmals anhalten. Das Muttertier samt beiden Lämmern war offenbar ausgebrochen. Unsere Einfangversuche scheitern kläglich – ausgebrochene Schafe sind in Neuseeland eindeutig keine Seltenheit.

      Heute auf der Speisekarte: Frikadellen mit Nudeln

      Nach dem nördlichen Teil Fiordlands folgt der südliche. Weniger feuchter Regenwald, weniger Menschen und nur eine Straße: Die Southern Scenic Route führt von Queenstown über Te Anau und Invercargill bis nach Dunedin an der gegenüberliegenden Ostküste. Wir folgen der kaum befahrenen Straße bis zur südlichsten Großstadt Invercargill. Eine Nacht verbringen wir auf dem abgeschiedenen DOC-Campingplatz „Lake Monowai“. Der Campingplatz ist wegen seiner abgeschiedenen Lage als „basic“ eingestuft und somit kostenlos. Zum Schotterplatz führt eine zwölf Kilometer lange Seitenstraße vom Highway aus. Während diese Straße erst noch gut ausgebaut ist, fetzt schon bald der Asphalt am Rand aus, bis schließlich nur noch grober Schotter und Staub den Weg markieren. Sind wir hier noch richtig? Wir wollen eigentlich umdrehen, als wir doch noch das Schild zum Platz sehen. Nicht sicher, ob es gut oder schlecht ist, so abgelegen allein zu sein, fahren wir die letzten Meter. Die Überraschung ist groß: Neben uns sind noch drei weitere Vans dort. Ein bärtiger Mann, Ende 20, steht vor einem Fahrzeug und jongliert mit irgendwelchen Hölzern. Als er uns sieht, kommt er wild gestikulierend auf uns zu. Verwirrt öffne ich die Tür. „Achtung, Türen zu lassen! Alles voller Sandflies“, sagt der Franzose. Ich schaue fragend, gucke zu seinem Van hinüber: Alle Türen und Fenster stehen sperrangelweit offen. „Ja eben. Bei mir ist es zu spät“, erklärt er. Lachend steige ich aus und stelle mich vor. Der Franzose reist seit acht Monaten allein in seinem Van durch das Land und freut sich eindeutig, mit jemandem sprechen zu können. Ganz spurlos sind diese acht Monate offenbar nicht an ihm vorbeigegangen – er ist merkwürdig distanzlos. Nach dem Essen gehen wir Feuerholz suchen.

      Stille, Einsamkeit, Natur

      Tatsächlich finden wir etwas. Zusammen mit dem Franzosen und den anderen Campern, einem kanadischen Pärchen und einer amerikanischen Frau samt Mutter, machen wir ein Feuerchen und reden bis spät in den Abend hinein über die Reisen und unsere Heimat. Als alle irgendwann zurück zu den Vans gehen, bleibt nur der Franzose noch am Feuer. Vor den Autos unterhalten Maria und ich uns noch mit den Kanadiern Jonathan und Shannon. Die beiden ausgesprochen freundlichen und offenen Backpacker wollen am nächsten Tag eine Tour zum Doubtful Sound machen (inklusive Übernachtung). Jetzt quatschen wir noch und beobachten den Franzosen: Er steht auf, wankt vom Feuer weg und hält vor sich ein entzündetes Feuerzeug in die Dunkelheit. Merkwürdig. Hinzu kommt, dass er sich nicht in unsere Richtung bewegt, sondern direkt auf das Ufer des nahen Lake Monowais zu. Plötzlich stürzt er einen kleinen Abhang hinunter – als Jonathan und ich zu ihm rennen, liegt er unweit der Wasserkante im Laub und sucht verzweifelt nach seinem Feuerzeug. Ihm geht es gut. Aber er hatte wohl die Orientierung verloren und dachte, es gehe in diese Richtung zu seinem Van, sagt er. Der Tetra-Pack Rotwein, den er am Abend allein geleert hatte, war wohl etwas zu viel gewesen. Am nächsten Morgen bleibt er in seinem Van, bis alle aufgebrochen sind, und wir frühstücken (natürlich im Wagen, denn die Sandflies sind schon wieder penetrant). Dann braust er ohne ein weiteres Wort davon – wir haben den Zottelbart nie mehr wieder gesehen.

      Ein nächster Höhepunkt sollen die Clifden Caves sein. Die nicht erschlossene Höhlenformation bei Clifden lockt uns. Zwar solle man sich, so empfiehlt der Reiseführer, vorher in der nächsten Touristen-Info erkundigen, doch diese liegt kilometerweit entfernt in Tuatapere. Wir versuchen daher unser Glück auf eigene Faust – aber nach zehn Metern ist Schluss. Zu dunkel, unsere Lampe nicht hell genug und man müsste schon jetzt kriechen. Stattdessen statten wir einer der groß ausgeschilderten Brücke einen Besuch ab. Die 1899 erbaute Clifden Suspension Bridge bietet allerdings auch nicht viel mehr als eine 114 Jahre alte Flussüberquerung. Es scheint nicht ganz grundlos zu sein, dass hier kaum Touristen sind. Interessant wäre sicherlich der tiefste See Neuseelands, der Lake Hauroko, gewesen. Allerdings schrecken uns die dreißig Kilometer Schotterpiste ab: Wir wollen Eddie nicht unnötig belasten.

      Der Eingang der Clifden Caves

      Der nächste Halt auf der Southern Scenic Route ist Tuatapere. Obwohl dieses Farmer-Städtchen mit etwa 700 Einwohnern gar nicht allzu klein ist, ist Tuatapere, plump gesagt, „das letzte Loch“. Es wirkt verarmt, verlassen und bietet auch sonst nicht viel. Einzige Ausnahme sind natürlich die bekannten Tuatapere-Würstchen, die auch tatsächlich nicht schlecht sein sollen, wie wir hören. Wir lassen uns diesen Gaumenschmaus aber mit deutscher Bratwurst-Arroganz entgehen und schauen stattdessen in der Touristen-Info vorbei. Mit ziemlich großer Sicherheit gehören wir zu den ersten Besuchern des Tages. Trotzdem telefoniert die Dame hinter dem Schreibtisch durchgehend, ohne jegliches Interesse zu zeigen – und das für eine halbe Stunde, bis wir entnervt gehen. Angeschlossen an das Informations-Büro ist ein kleines „Museum“, das vor uns ebenfalls von niemandem besucht worden ist – und das schon seit Tagen. Als wir den kühlen und verstaubten Raum betreten, wollen die Neon-Röhren nicht so richtig angehen. Manche flackern verzweifelt, andere haben schon ganz den Geist aufgegeben. Zu sehen sind Exponate aus der Zeit der Baumfäller-Arbeiten in Tuatapere: verrostete Motorsägen. Der Besuch des Museums lohnt sich also aus historischen Gesichtspunkten nicht wirklich – um einmal zu sehen, was man alles als „Museum“ bezeichnen kann, ist ein Besuch aber recht amüsant (auch wenn man ein Stück weit Verständnis haben muss für ein Land, das erst im späten 18. Jahrhundert von Europäern besiedelt wurde).

      Whitebait mit Ei und Toast

      Ein Stück außerhalb von Tuatapere an einem Steinstrand direkt neben einem verbeulten Warnschild vor Tsunamis fallen uns Leute auf, die mit großen Keschern im Wasser stehen. Halb im Meer, halb in einer Flussmündung ziehen sie das Netz durch die hereinspülenden Wellen. Mit fragenden Blicken nähern wir uns. Erfreulicherweise fängt eine Frau nicht nur irgendwelche Tiere, sondern auch unsere Blicke auf. Sie erklärt, sie fische „Whitebaits“. Whitebaits, das sind junge Fische verschiedener Arten, die von Mitte August bis Ende November (an der Westküste kürzer) von vielen Neuseeländern wie verrückt gekeschert werden. Die Leute stecken sich teilweise ihre Claims ab – überall sieht man in der Nähe des Meeres die „Wassermänner“ stehen – meist tatsächlich Männer. Man kann die kleinen, durchsichtigen Fische entweder selbst essen oder aber zu horrenden Preisen verkaufen. Auch wir dürfen später bei der Familie in Cromwell diese Spezialität probieren. In einer Art Omelett kommen die Fische aufs Brot. Wer sich nicht lange Gedanken über die kleinen Äuglein, die einen aus dem Omelett anstarren, macht, der beißt herzhaft hinein und schmeckt den leicht fischigen Geschmack. Wir sind dank der Dame bei Tuatapere und dem Whitebait-Abendbrot in Cromwell eine Kiwi-Erfahrung reicher.

      Monkey Island heißt eine Insel, zu der man bei Ebbe hingehen kann und neben der ein kostenloser Campingplatz liegt, so beschreibt es unserer Campingführer. Klasse, denken wir uns und planen, dort die Nacht zu verbringen. Als wir die Insel sehen, ist die Enttäuschung groß: Es ist zwar eine Insel – sie liegt aber gerade mal zwanzig Meter vom Ufer entfernt und ist winzig. Wir fahren daher weiter zum Surfer-Paradies Colac Bay und kommen unterwegs weiter an ziemlich trostlosen Ortschaften – oder besser Häuseransammlungen – vorbei. Was wir bis dahin nicht wissen: In Colac Bay


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