Reform des Islam. Abdel-Hakim Ourghi

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Reform des Islam - Abdel-Hakim Ourghi


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rel="nofollow" href="#ulink_089ca8c4-3a03-5b47-8825-3448699bc2d9">33. Der Islam hat die Frauen nicht zu freien Menschen gemacht, sondern zu Knechten der Männer. Die Frauen des Islam müssen sich erheben, denn ihre Peiniger werden sie nicht befreien.

       34. Das Kopftuch ist keine religiöse Vorschrift, sondern ein historisches Produkt der männlichen Herrschaft.

       35. Nicht der Koran, sondern die männliche Herrschaft des konservativen Islam verbietet den Frauen als Imaminnen in ihren Gemeinden tätig zu sein.

       36. Der Islamismus hat sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun.

       37. Der nicht reformierte Islam ist keine Religion des Friedens.

       38. Die Sinnkrise des Islam ist hausgemacht. Wir Muslime sind keine Opfer.

       39. Der humanistisch-moderne Islam teilt die Welt mit anderen Religionen und Weltanschauungen

       40. Nur ein liberaler Islam ist zukunftsfähig.

       V. Epilog

       Anmerkungen

      I. E I N F Ü H R U N G

       Je mehr mich die Leute bedrohen,

       umso größer meine Zuversicht.

      Martin Luther

      Religiosität wird heute im Westen der Privatsphäre des Einzelnen zugerechnet, trotzdem erleben wir spätestens seit dem 11. September 2001 eine verstärkte Rückkehr der Religion in den öffentlichen Diskurs. Gleichzeitig nimmt das Interesse an der öffentlichen Bedeutung von Religion in allen Schichten der Gesellschaft immer mehr zu.1 Möglicherweise hat auch die alltägliche mediale Präsenz des Islam in den letzten Jahren dazu geführt, dass die gesellschaftliche Bedeutung von Religion zu überdenken ist.2

      Der Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, dankte den Muslimen jedenfalls kürzlich dafür, dass sie die Religion zurück in die öffentliche Sphäre Europas gebracht hätten.3 Von einzelnen christlichen Würdenträgern habe ich selbst gehört, dass sie mit Neid auf volle Moscheen beim Freitagsgebet blicken, während ihre eigenen Gotteshäuser weitgehend leer bleiben. Da schleicht sich bei mir manchmal der Verdacht ein, dass man sich von der Zusammenarbeit mit den konservativen Dachverbänden des Islam eine Wiederbelebung des Glaubens an sich erhofft. Als ob Gott in Europa ohne den Islam verloren wäre! Zieht man jedenfalls den Islam in Betracht, lebt Gott heute mehr denn je in Europa. Religion ist ein sinnstiftendes Teilsystem in den westlichen Gesellschaften und der Islam trägt zu ihrem multikulturellen Reichtum bei. Doch die dialogische Begegnung der Religionen und Weltanschauungen bleibt von radikalen Glaubensinhalten und -praktiken im Islam überschattet, die nicht selten auch zur Legitimation von Gewalt dienen und die ganze Welt damit in Angst und Schrecken versetzen.

      Anhand der negativen Schlagzeilen über den Islam in der westlichen und islamischen Welt kann man davon ausgehen, dass der Islam sich in einer Sinnkrise befindet und die Muslime mitten in einer Zerreißprobe stecken. Die Moderne hat den Menschen von Grund auf verändert, die Glaubensvorstellungen und -praktiken des Islam allerdings sind weitgehend dieselben geblieben. Seit Jahrhunderten wird der Islam von einer konservativen Theologie beherrscht, was immer wieder in Gewalttaten mündet. Deshalb muss der Islam unbedingt reformiert werden. Wir können nicht anders als dem vorherrschenden Diskurs des Islam zu widersprechen und ihn kritisch infrage zu stellen. Dieser überfälligen Reform wird der konservative Islam sich nur mit Gewalt widersetzen können. Aufhalten können wird er sie jedoch nicht, denn der neue Kontext des Islam ist der Westen, der durch Meinungsfreiheit geprägt ist.

      Die Reform des Islam richtet sich gegen die Macht des politischen Islam und der konservativen Gelehrten, deren veraltete Sichtweisen nicht mehr der Lebenswelt der Muslime im westlichen Kontext entsprechen. Solch ein konservativer Islam will einen Getto-Glauben in den muslimischen Gemeinden durch die eigene Abschottung und Abkapselung von der Mehrheitsgesellschaft im Westen konservieren. Die Reform des Islam predigt dagegen das Sichöffnen der Muslime gegenüber Angehörigen anderer Religionen sowie gegenüber andersdenkenden Menschen im Allgemeinen.

      Die Islamreform, hier in Gestalt von 40 Thesen skizziert, ist eine öffentliche Anklage des seit Jahrhunderten herrschenden konservativen Islam, der das Privileg der absoluten Kontrolle von Körper und Geist aller Muslime unter keinen Umständen abgeben möchte. Sie ist eine bewusste Rebellion der Vernunft gegen den verstockten konservativen Islam, der die blinde Rückkehr zum Islam der Entstehungszeit des 7. Jahrhunderts propagiert. Sie ist der Aufstand gegen veraltete Islamdiskurse vergangener Epochen, die bis heute das kollektive Bewusstsein der Muslime in der ganzen Welt prägen. Der moderne humanistische Islam will nicht mehr und nicht weniger als den Islam von seinen verkrusteten Denkschichten befreien, seinen wahren Kern freilegen und ihn gemäß seiner heutigen Situation neu interpretieren.

      Man würde die Bedeutung der Islamreform verkennen, würde man diese als konfessionelle Abspaltung im Sinne eines Schismas unter den Muslimen verstehen. Der humanistische Islam will vielmehr auf der Grundlage der Vernunft die Vielfalt in der Einheit deutlich machen, indem er historische Verfremdungen und Verklärungen in archaischen Diskursen aufdeckt. Im Rahmen eines Aufklärungsprogramms und mithilfe einer differenzierten und sachlichen Islamkritik will die Islamreform außerdem bewusst den Religions- und Sozialvertrag zwischen der politischen Macht, wie sie etwa durch die selbsternannten Vertreter der Muslime im Westen repräsentiert wird, und den konservativen Gelehrten, beispielsweise in Gestalt sogenannter Import-Imame, aufkündigen.

      Das vorliegende Buch ist von einer leidenschaftlichen Sehnsucht nach Freiheit angetrieben und setzt den Akzent auf das Individuum als Souverän seines Selbst und seiner Existenz. Ohne Angst vor den Vertretern des konservativen Islam oder vor dem Vorwurf der Islamophobie möchte ich als liberaler Muslim Tacheles reden. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Ich will nicht nur widersprechen, sondern auch den Finger in die Wunde des jahrhundertelangen kollektiven Verdrängens der Muslime legen. Als Mensch kann ich auch frei sein, deshalb nehme ich mir die Freiheit, die vorherrschenden Vorstellungen über den Islam, welche derzeit die Kollektive der Muslime prägen, infrage zu stellen. Ich möchte nichts anderes als neu über Gott, den Koran, die Tradition des Propheten und die Ideengeschichte des Islam nachdenken. Deshalb scheue ich nicht davor zurück, den Koran als religiösen Text, den Propheten Muḥammad (750–632) als historische Figur und die Tradition des Propheten als historische Aussagen und Praxis zu kritisieren.

      Stillstand in einer Religion – und das gilt auch für den Islam – bedeutet Rückschritt und Stagnation. Er paralysiert den freien Geist. Stillstand führt auch dazu, dass eine Religion den Anschluss an die Menschen und an deren jeweilige Situation verliert. Solch eine Religion

      „etabliert sich von vornherein als abschließend und beraubt den menschlichen Geist des Sinns für die Suche, die Nachforschung, die Verblüffung, das Abenteuer. […] Auf ein solches Skelett reduziert, wirkt der Islam, religiös und politisch, wie eine entleerte, unfruchtbare Perspektive, die nichts vom Fleisch der Fragen wissen will, die einen belagernden und aggressiven Monologismus begründet, taub für jeden Dialog und abgeschnitten von den Voraussetzungen, die eine Verbindung zwischen Personen und Völkern, Subjekten und Nationen eröffnen.“4

      Der Islam hat auch eine unheimliche Seite, die in seiner Umgebung Unbehagen auslöst. Diese dunkle Seite ist immer dort erkennbar, wo die Religion von der Politik nicht zu trennen ist, wie etwa im gewalttätigen Fanatismus


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