Morde und andere Gemeinheiten. Daniel Juhr

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Morde und andere Gemeinheiten - Daniel Juhr


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drei Stunden keinen Feierabend haben. Es klingelte. Katja rührte sich nicht. Als es nicht aufhörte, quälte sie sich auf, trocknete ihre Augen und ging zur Tür. Durch den Spion sah sie, dass Jasmin draußen stand. Sie öffnete. „Was ist denn mit dir los“, entfuhr es Jasmin. Katja begann wieder zu weinen. „Ist Uschi nicht da?“

      Katja schüttelte den Kopf. „Komm, lass mich rein. Erzähl mal, was los ist mit dir. So kenne ich dich ja gar nicht.“

      „Ich weiß nicht, was ich tun soll“, brach es aus dem Mädchen heraus. „Es ist was Schreckliches passiert. Wenn die Mama das erfährt …“.

      Jasmin überlegte nicht lange, sie glaubte, schon erraten zu haben, um was es ging. „Bist du schwanger? Till ist doch ein prima Kerl. Der hält bestimmt zu dir, wo ist das Problem? Du heiratest eben ein bisschen früher als geplant, oder?“ Katja schwieg. Sie schwieg so lange, bis Jasmin ihr den Arm um die Schultern legte.

      Der Tote wurde obduziert. Die Todesursache war schnell gefunden. Es war ein Schädelbruch, verursacht durch das Aufschlagen des Kopfes auf den Mützenrand des Putschers. Hämatome am Körper ließen darauf schließen, dass zuvor ein Kampf stattgefunden haben musste. Die Kleidung des Toten wurde einer eingehenden Untersuchung unterzogen und etliche Spuren wurden sichergestellt, darunter mehrere blonde Haare. Von Theo erfuhr Frank Spackig erst einmal nichts, die polizeilichen Untersuchungen liefen noch. Man wisse auch nichts Neues, ließ Theo verlauten, als sie sich freitags zufällig auf dem Markt trafen. Das entmutigte Frank keineswegs, er kannte viele Leute, kam mit vielen Menschen ins Gespräch.

      An der Theke seiner Lieblingskneipe stand Till. Er hatte schon fünf Bier intus und wurde langsam gesprächig.

      „Was gibt es Neues?“, verwickelte Frank ihn in ein Gespräch. „Mist, alles ist Mist“, erhielt er als Antwort.

      „Wie, alles ist Mist? Was heißt das? Pech mit Autos oder Pech in der Liebe“, versuchte Frank ihn scherzhaft aus der Reserve zu locken. Er bestellte noch zwei Kölsch.

      Till schaute ihn an: „Hast du schon mal gehört, dass ich Pech mit Autos habe?“

      „OK, dann Pech in der Liebe“, stellte Frank fest.

      „Die Weiber sind alle gleich“, seufzte Till und kippte das Bier hinunter, „zwei Korn“, bestellte er gleich darauf über die Theke hinweg.

      „Mach mal langsam, Mann“, mahnte Frank, „erzähl doch erst mal, was los ist.“

      Till torkelte schon ein bisschen, Frank fasste ihn am Unterarm und dirigierte ihn zu einem freien Tisch in der Ecke. Warum er sich solche Mühe mit Till gab, wusste er eigentlich selbst nicht. Manches Mal hatte ihn sein Instinkt schon einmal auf die richtige Fährte gelockt. Und eine innere Stimme sagte ihm, bleib dran, da ist etwas im Busch. Nach einem weiteren Schnaps brach das ganze Elend aus Till heraus. Wie er Katja kennengelernt hatte, die Zeit, als sie beide zusammen waren, ihre Trennung vor einem Jahr. Bis dann dieser Scheißkerl aus Wuppertal kam, dieser Zuhälter mit seinen Geschenken und Versprechungen. Er sprach das Wort mit Bitterkeit und Hass aus. Wuppertaler? Frank horchte auf. Hatte Theo nicht auch von einem Wuppertaler gesprochen? Er bohrte nach. „Wie heißt er?“

      Till wehrte ab: „Weiß ich nicht, will ich auch nicht wissen. Lass mich in Ruh, du kannst mir auch nicht helfen.“

      Frank redete ihm beruhigend zu, schlug ihm vor, jetzt Schluss zu machen mit den Bierchen und nach Hause zu gehen. Till schob ihn von sich: „Geh nur, geh du nach Hause, lass mich hier, ich will noch einen trinken.“

      Frank zuckte die Achseln und verließ das Lokal. Da hörte er, wie Till ihm einen Namen nachrief und grinste. Jetzt war es einfach.

      Frank saß bei Uschi in der Wohnung und trank Kaffee. Er kannte Uschi von früher und wusste, sie war besser als jede Bildzeitung.

      „Wo ist Katja“, wollte er wissen.

      „Die Katja is oft biem Till“, antwortete Uschi, „Ik jlöv, die wullt hierooen.“

      „Wieso“, wollte Frank wissen.

      „Weil dä uns Jeld jelehnt hät, vill Jeld, hei mutt janz schön verdeinen. Un Katja sull joo noch ne Utbildung maaken, äwer ik mein, dä Till is ne janz juedde Partie, doo bruckt die nich noch mehr te liehren, weil …“.

      Das war ja eine ganz merkwürdige Sache, dachte Frank, Till heult Katja hinterher und besäuft sich vor Kummer, und Uschi brabbelt was vom Heiraten? Da passt ja nichts zusammen. Der Sache musste er jetzt auf den Grund gehen. Sofort begab sich auf die Suche nach Katja.

       November

      Carsten räkelte sich im Bett: „Zeit aufzustehen“, mahnte er Sven, der seit ein paar Wochen bei ihm lebte. Sven gähnte und erhob sich langsam. „Schon wieder Montag.“ Träge schleppte er sich ins Bad. Sven war Austräger bei einem Paketversand, da musste man aufstehen, ob man wollte oder nicht. Er beneidete Carsten, der als Sozialarbeiter eine, wie er meinte, ruhige Kugel schob und dazu noch viel besser verdiente. Vielleicht kriegte er ihn doch noch dazu, ihm einen Bürojob zu verschaffen. Carsten schaute Sven beim Anziehen zu. Die Chemie zwischen beiden hatte auf Anhieb gestimmt. Sven reichte zwar an Max bei weitem nicht heran. Aber er war längst nicht so anspruchsvoll, wie Max es gewesen war. Als Sven fort war, erhob er sich und ging ins Bad. Er musste sich selbst beeilen, denn er hatte um neun Uhr sein erstes Beratungsgespräch. Als er bei der Bewährungshilfe eintraf, wurde er schon erwartet. Beim Smalltalk mit dem Kollegen erfuhr er von dem Toten, den man in der Wupper gefunden hatte. „Na, das ist ja mal eine Sensation in unserer ruhigen Stadt“, bemerkte er.

      Katja hatte sich krankschreiben lassen. Sie fühlte sich so elend wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Und sie hatte Angst, dass alles herauskam. Schon zwei Tage lang hatte sie sich in ihrem Bett verkrochen und niemandem die Tür geöffnet. Auch Jasmin hatte sie nicht die ganze Wahrheit gesagt, nur so viel, wie sie glaubte, preisgeben zu können. Die Geschichte mit Paul und seinen Partys hatte sie gestanden und ihre Angst, von ihm schwanger zu sein. So sehr sie sich die Decke über den Kopf zog, die Bilder verfolgten sie unablässig.

      Was war geschehen? Ihrer Mutter hatte sie gesagt, sie sei gestolpert und hingefallen. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Das war doch Paul gewesen? Oder hatte er jemanden geschickt? Manchmal hatte Max bei ihm im Auto gesessen. Max, den Paul wie ein Schoßhündchen behandelte, und der manchmal mit auf den Partys war. Jetzt hatte sie von Paul schon seit Tagen nichts mehr gehört. Sollte sie sich darüber freuen? Würde noch etwas Schlimmeres passieren? Sie stand auf, ging ins Bad. Hohläugig starrte ein Gespenst sie aus dem Spiegel an. Sie hatte Durst. Als sie gerade eine Flasche Saft aus dem Kühlschrank holen wollte, klingelte es. Nein, dachte sie, ich mache nicht auf, um keinen Preis in der Welt. Nachher ist es Paul, und dann …? Trotzdem schaute sie durch den Spion und erkannte Frank vor der Tür.

      „Meine Mutter ist nicht da“, wollte sie ihn abschütteln.

      „Ich möchte dich etwas fragen“, gab er zurück, „mach doch mal kurz auf.“

      Zögernd öffnete sie die Tür.

      „Till lässt dich grüßen“, begann er noch im Flur, „er würde dich gern wiedersehen. Er macht sich Sorgen um dich.“

      Sie begann zu weinen. „Das geht nicht“, schluchzte sie, „auf gar keinen Fall. Ich will ihn nicht mehr sehen.“

      „Ist es wegen Paul?“, fragte er geradeheraus.

      Entsetzt starrte sie ihn an. „Woher weißt du?“, flüsterte sie, „meine Mutter darf nichts davon wissen, hörst du.“

      „Keine Sorge“, beruhigte er sie, „aber du weißt wohl nicht, was inzwischen passiert ist.“

      Sie starrte ihn immer noch an.

      „Der Mann, den sie aus der Wupper gefischt haben, ist dieser Paul gewesen.“

      Ihre Gesichtszüge entgleisten völlig.

      „Das, das … glaube ich nicht“, sie flüsterte immer noch, wandte sich um und rannte in die Küche, ohne ihn weiter zu beachten.


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