Jakob. Stephan
Читать онлайн книгу.ich tue es. Wie komm ich denn danach bloß zu den anderen? Es steht ja langes Wochenende an. Und wir wollen doch alle zusammen den Betriebsausflug für verdiente Jungarbeiter und -genossen machen, oder?“
Aber Jakobs Einwand war schnell vom Tisch.
„Falls sich kein andrer für die Nachtschicht findet? Dann wirst du direkt vor Ort chauffiert. Könntest vorher noch mal nach Hause, Sachen packen und dich frisch machen. Ich regle das schon.“
Alles klar.
Und es kam, wie es kommen sollte.
Jakob fuhr auch noch die dritte Schicht.
Hintereinander.
Handelte sich damit zugleich den „Aktivisten“ und den Bonus von zweihundert Ostmark ein und die ungewöhnliche Ehre für den Folgetag: im Wolga des Betriebs in die Ferien chauffiert zu werden. Hatte in der Tat reichlich viel Arbeit, da außerdem das Soll ziemlich auf der Kippe stand, wegen der vielen Grippeausfälle. All das bedurfte Unmengen an Tassen Kaffee.
Aber Jakob war eben Jakob.
Schaffte es, ohne mit dem Kran dabei irgendeinen Schaden anzustellen, über diese Nachschicht hinwegzukommen.
Der Bereichsleiter stand Punkt 6.00 Uhr in der Umkleide, drückte Jakob das Geld in die Hand und legte zum Lob gleich noch einen Fünfziger als Bonus auf den Bonus mit drauf. Auch der Wolgafahrer wartete schon und chauffierte Jakob fix nach Hause, Koffer holen und dann weiter in die Ferien, auf nach Marienberg.
Von der Fahrt allerdings bekam Jakob wenig mit. Er war ihm schon mühsam genug gewesen, beim Kofferpacken nichts zu vergessen. Die Hinreise sollte er vollends verschlafen. Gleich beim Auffahren auf die Autobahn war es um ihn auf der Rückbank geschehen. Das dumpfe raue Surren des Motors und die regelmäßigen Stöße der Bitumenfugen taten ein Übriges.
In Marienberg hingen dichte Nebelschleier über dem Ort, es war diesig und nasskalt. Schlaftrunken stieg Jakob aus und gewahrte einen ebenso verschlafenen Ort. Das passte ja wieder mal. ‚Nichts los hier!’, gähnte er. Er stieß einen Kieselstein mit dem rechten Schuh von sich und drehte sich einmal um die eigene Achse.
Ach da, ein paar Meter hinter ihm stand ein Bus. Und bekannte Gesichter stiegen aus dem. Nanu? Verblüffte Gesichter. Der ganze Bus staunte nicht schlecht.
„Das gibt’s doch gar nicht. Du bist schon da? Wie jetzt?“
Ab sofort war Jakob das Gesprächsthema Nummer eins. Die jungen Kollegen und Parteigenossen, die wie er fast alle FDJler waren und sich sowohl von Veranstaltungen, als auch von der Arbeit her kannten, begrüßten ihn anständig.
Was für ein Hallo! Die Gespräche wollten gar kein Ende nehmen. Bis plötzlich einer der jungen Männer Köpfe an den Fenstern der Herberge ausmachte.
Klar, da gab es ein Restaurant.
Genau in das kehrten sie ein.
Drinnen saß bereits eine ganze Frauenbrigade.
Was für ein Zufall! Etwa fünfzehn Frauen mittleren Alters, auch ein paar jüngere waren darunter, stellte Jakob erfreut fest. Auch denen war natürlich das Ungewöhnliche seiner Anreise nicht verborgen geblieben. Was ihn um einiges interessanter als den Rest der Truppe machte. Jakob genoss das Getuschel, die neugierigen Blicke und die spitzen Kommentare der Frauen. Er behielt sich generell vor, ihnen mit einem ihm angeborenen – oder doch etwa angewöhnten, jedenfalls aber mit einem entwaffnenden – Lächeln, und also wortlos, zu begegnen.
Das hatte er ausprobiert.
Das machte ihn umso interessanter bei dem weiblichen Geschlecht.
Obwohl die Frauen ganz sicher von ihm lieber ein paar Komplimente gehört hätten.
Aber Jakob redet nicht.
Warum auch. Wenn das Angebot schon anklopft.
Wenn Jakob reden würde,
käme die Erlebnisgier manch Weibsbilds zur Sprache
Denn die gab es.
Das war etwas, was Jakob schmeichelte. Obwohl er nicht immer genau wusste, wie er dazu kam.
Das lag wohl so an seiner Art. Er vermochte Frauen fürwahr um den kleinen Finger zu wickeln, ohne auch nur einen einzigen Mucks oder allerhöchstens „Guten Tag“ zu sagen. An jenem besagten Tag traf sein Blick auf eine hübsche Brünette, zwischen 25 und 30 und schön schlank. Dieses, ihr Augenspiel: erwartungsvoll. Bei ihnen beiden war sofort alles klar. Und unwichtig alles andere, da sie wussten: das wird ihr Wochenende werden.
Aber seltsam.
Vielleicht lag es irgendwie an Jakob, vielleicht an der Übermüdung, vielleicht an ihrem Blick, wer weiß, keiner weiß – mit einem Mal jedoch wurden ihm die Knie weich. So, dass er es im letzten Augenblick noch auf den Stuhl, der da vor ihm stand, schaffte. Etwas tollpatschig zwar, doch erreicht. Aber statt den Sitz vollflächig zu nutzen, erwischte er nur den Rand.
Plötzlich: Ein Knarren. Ein lautes Krachen! Der Stuhl unter Jakob brach zusammen, zerstückelte, zerfiel in sämtliche Einzelteile. Jakob ganz unten. ‚Klar, das war wieder typisch’, ging ihm durch den Kopf, als er sich aufraffte und alle Unglücksteile beiseite schaffte. Überall musste er gleich auffallen und prompt alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Irgendwie war es aber wohl gerade jener kleine Unfall, der auch das Eis zwischen den übrigen Frauen und Jakobs Truppe brach.
Ausgelöst vom tobenden Gelächter verteilte sich die Reisegesellschaft nunmehr zwangloser und besetzte sämtliche freie Plätze in dem Restaurant. Die Brünette allerdings stand auf und befahl dem erstbesten jungen Mann neben ihr in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, er solle ihren freigewordenen Platz einnehmen. Sie selber setzte sich dafür neben Jakob. Fingerte fürsorglich an ihm herum und begutachtete die entstehende Beule an seinem Kopf. Ließ sich ein Messer aus der Küche bringen und presste die flache Seite der Schneide darauf. Das kühle Metall tat gut und das Beulenausmaß konnte verhindert werden.
Das war der erste handfeste Kontakt, fortan waren sie beide zusammen. Keiner hätte glauben mögen, dass sie sich eben erst getroffen hatten. Er schätzte sie zwar fünf bis zehn Jahre älter ein, was sie aber nicht davon abhielt, sich in seiner Gegenwart wie ein junger Hüpfer aufzuführen, dem die erste große Liebe begegnet war. Ohnehin sah man ihr das Alter nicht an. Ständig tätschelte sie an Jakob herum, ob denn auch sonst alles in Ordnung sei. In einem unauffälligen Moment ergriff sie Jakobs Hand und führte sie zu ihrem Bauch. So lange, bis es die Schlüssel für die Zimmer gab. Jakob sollte seins mit noch zwei Kollegen teilen.
Aber das letzte Wort war doch hier noch nicht gesprochen! Nein, sie persönlich sorgte für die Umquartierung. Dass Jakob bald ein Zimmer für sich alleine hatte. Wie selbstverständlich nahm Frauke, so hieß sie, den Schlüssel an sich und bat ihn, doch schon mal seine Sachen hinaufzubringen. Sie käme gleich nach. Sein Protest, er wolle eigentlich noch zwei Stunden bis Mittag schlafen, prallte an ihr ab.
Es ließ sich an wie immer.
Kurz nachdem Jakob auf sein Bett lag, drehte sich der Schlüssel im Schloss und ein Koffer schob sich schlurfend den Boden entlang ins Zimmer. Ein zweiter und ein Rucksack folgten. Die Tür schloss sich wieder und zwischen all dem Gepäck im Raum – stand sie. Schob die Koffer beiseite, trat an das Fußende des Bettes und krabbelte Jakobs Füße. Als sei es schon immer so gewesen, zog sie sich Jacke, Pullover und Stiefel aus, öffnete den oberen Blusenknopf und setzte sich neben den sich bereits im Halbschlaf befindlichen Jakob. Der unversehens seinen Kopf auf ihren Schoß legte und mit einem Arm die Hüfte umfasste. Als sei es schon immer so gewesen. Langsam, ohne den bereits Schlafenden zu stören, schob sich ihr Körper der Länge lang neben ihn auf das Doppelbett. Ein Bett, auf dem locker drei hätten schlafen können. Und sie platzierte seinen Kopf wieder auf ihren Bauch.
Weiß der Geier, was sie sich dachte. Jedenfalls öffneten ihre unsicheren schmalen Finger den unteren Teil der Bluse. Und nachdem sie noch das Seidenunterhemd aus