Mut zum Rollentausch. Verena Florian

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Mut zum Rollentausch - Verena Florian


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       Endnoten

       EINLEITUNG

      In diesem Buch sind Geschichten von Pionier*innen zu lesen, die Neuland betreten in unserer Gesellschaft. Sie erzählen von Frauen in Führungspositionen und Männern in Väterkarenz. Es hat viel Mut gebraucht, um das ihnen zugeteilte, traditionelle, tief eingeprägte Rollenbild zu verlassen. Sie sind dieses Wagnis eingegangen. Willkommen im 21. Jahrhundert!

      Die dreißig Interviews mit Vorständinnen, Vorstandsvorsitzenden, Managerinnen und Unternehmerinnen weisen interessante und ähnliche Grundmuster auf: Alle diese Frauen sind erfrischend authentisch und vor allem: Sie sind Frauen geblieben, auch wenn sie alle von den Schwierigkeiten in Männerwelten und von der Herausforderung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie berichteten. Sie haben oft mehr Leistung bringen müssen, um auf sich aufmerksam zu machen, um gläserne Decken zu durchbrechen, aber zwei Leitmotive haben sie angetrieben: der Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit und der Wille, Gestaltungsmacht zu erlangen.

      Und dann passierte etwas ganz Wunderbares: Viele dieser Frauen beginnen, einmal an den Schalthebeln der Macht angelangt, das System von innen zu verändern: Sie schaffen menschenfreundlichere Arbeitsbedingungen, erlauben Männern, in Väterkarenz zu gehen. Dabei gibt es viel mehr Ermöglicher*innen, als wir glauben! Sie holen bewusst Frauen in höhere Entscheidungsebenen, wenn die das wollen.

       „Wir haben jegliche Flexibilität. Du überlegst dir, was du von deinem Leben willst. Und alles andere bauen wir drum herum.“ (Thea R.) 1

      Das sagte eine Managerin zu einer Frau, die ein Kind bekommen hat und zögert, eine interessante Stelle anzunehmen, in der die Bereichsleiterin sie unbedingt haben will. Die ganze Geschichte dazu ist im Kapitel „Mut! Traut euch!“ zu lesen.

      Angesichts von viel zu wenig Frauen in Führungspositionen und immer noch großen Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern, gerade in Österreich und in Deutschland, ist aber davon auszugehen, dass es noch viel mehr Ermöglicher*innen braucht, um Gleichheit zwischen Frauen und Männern herzustellen. Aber die Frauen, die ich interviewt habe, zeigen auch, dass es auch auf uns selbst ankommt, dass wir selbst, Frauen und Männer, viel dazu beitragen können, diese Ungleichheiten zu beseitigen.

      Frauen und Männer sind Verbündete: in der Familie, wenn Kinder da sind und sie sich die wertvolle, aber unbezahlte Arbeit zu Hause gerecht aufteilen; und in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und in der Politik, wenn sie gemeinsam den Herausforderungen unserer Zeit begegnen. Im Kapitel „Die Rechnung geht auf“ zeige ich, dass gemischte Teams messbar erfolgreicher sind als homogene Teams.

      Zwanzig Interviews habe ich mit Männern geführt, die in Väterkarenz gegangen sind. Ihre Schilderungen zeigen, dass auch sie an gläserne Decken stoßen: In Österreich wagt nur jeder fünfte Mann, der ein Kind hat, Karenzzeit in Anspruch zu nehmen, um beim Kind sein zu können. Er ist auf den guten Willen der Arbeitgeberin, des Arbeitgebers angewiesen und muss dann oft noch damit zurechtkommen, dass mit der Väterkarenz das größere Gehalt in der Familie wegfällt. Dennoch haben es die interviewten Männer darauf ankommen lassen, aus zwei Motiven: weil sie das Aufwachsen ihrer Kinder miterleben wollten und weil sie die mit Kindern einhergehende Verantwortung fair mit ihren Partnerinnen teilen wollten. Auch sie sind Ermöglicher. Jeder Mann, der in Väterkarenz geht, ist ein Ermöglicher für eine Frau. Ihre Erzählungen sind im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“ zu lesen. Es ist eine gute Nachricht für Frauen, die Beruf und Kinder vereinbaren wollen: Es gibt viel mehr Männer, die gerne bei den Kindern bleiben und in Väterkarenz gehen würden, als wir ahnen. Das ist die Chance für Frauen, auch mit Kindern interessante Jobs zu behalten und ein besseres Einkommen zu haben.

      Alle Interviewpartner*innen begrüßten meine Initiative, dieses Buch zu schreiben. Sie stellten sich gerne als Role Models zur Verfügung. Ich habe die Art und Weise beschrieben, wie sie ihre Rolle anlegen, diese steht im Zentrum der Betrachtung, nicht die Persönlichkeit der Gesprächspartner*innen. Daher ist es auch kein Problem, dass einige von ihnen nicht namentlich genannt werden wollten. Dafür haben sie mir aber für dieses Buch Dinge erzählt, die sie sonst öffentlich wahrscheinlich nicht preisgeben würden. Manche von ihnen entpuppten sich als richtige Feminist*innen, was sie von sich aber wahrscheinlich nicht behaupten würden.

      Eine Vorständin sagte mir:

       „Mir gefällt das so gut, dass Sie auch die Männer miteinbeziehen. Das ist so wichtig, weil es läuft ab einem gewissen Punkt ins Leere, wenn wir nur versuchen, unser Verhalten als Frauen zu verändern. Die Gesellschaft ist ja ein Miteinander. Und wenn sich auf der Männerseite einstellungsmäßig nichts ändert, werden wir sehr viel Gegenwind für unsere Bemühungen haben.“ (Teresa I.)

      Die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen. Die Entscheidungen, die uns alle angehen, werden aber immer noch mehrheitlich von Männern getroffen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen.

      Warum erreichen nur so wenige Frauen eine Machtposition und warum ist der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern so groß? Diese Frage zieht sich durch das gesamte Buch, dass sie berechtigt ist, wird durch grafisch aufbereitete Zahlen und Fakten verdeutlicht.

      Es ist leider immer noch eine Tatsache, dass Einkommen, Vermögen und Arbeit zwischen Frauen und Männern ungleich verteilt sind: Frauen verdienen viel weniger und besitzen weniger Kapital als Männer. Umgerechnet auf das Jahr bedeutet das, dass Frauen ab Mitte Oktober kein Geld mehr bekommen, aber einen Monat länger als Männer arbeiten, weil sie nach wie vor den Großteil der notwendigen und wertvollen, aber unbezahlten Pflege- und Hausarbeit verrichten.

      Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 schreibt die rechtliche Gleichstellung von Männern und Frauen vor. 2015 wurden von allen UN-Mitgliedsstaaten die Ziele für nachhaltige Entwicklung, Sustainable Development Goals (SDGs), beschlossen; bis 2030 sollen sie realisiert sein. Laut Ziel fünf soll bis dahin Geschlechtergleichstellung erreicht werden und alle Frauen und Mädchen sollen zur Selbstbestimmung befähigt sein. Angesichts der aktuellen Zahlen zur Gleichberechtigung ist das ein ambitioniertes Ziel. Österreich und Deutschland sind im Vergleich mit den anderen EU-Ländern Schlusslichter, was die Verteilung der Einkommen zwischen Frauen und Männern betrifft. Dass sich Frauen und Männer in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft die Macht gerecht teilen, die Einkommensschere zwischen ihnen geschlossen wird, Männer für ihre Kinder im gleichen Ausmaß in Karenz gehen wie Frauen und die wertvolle unbezahlte Arbeit fair aufgeteilt ist – das werden vielleicht erst unsere Urenkel*innen erleben. Wie traurig! Mehr dazu im Kapitel „Die Rechnung geht auf“.

      Was mich allerdings wirklich nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass wir immer noch über dieselben Dinge reden müssen, die schon unsere Mütter gefordert haben, zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bei der Recherche bin ich mir manchmal vorgekommen, als schriebe ich ein Buch über eine längst vergangene Zeit. Leider ist es aber so, dass die Forderungen unserer Mütter immer noch aktuell sind.

      Gleichberechtigung ist gesellschaftlich relevant, das Private ist politisch, wenn es darum geht, die unbezahlte Arbeit im privaten Bereich der Familie fair aufzuteilen. Denn den Frauen, die die Hauptlast der unbezahlten Arbeit tragen, droht dadurch ganz konkret Altersarmut. Das ist nicht nur ungerecht, es ist ein sozialer Missstand in unserer Gesellschaft. Das weise ich mit Zahlen in den Kapiteln „Frauen und Geld“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht alle an – nicht nur die Mütter“ nach.

      Der Wandel findet zwar statt, aber viel zu langsam. Modernisierungskonflikte


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