Der Akron Tarot. Akron Frey

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Der Akron Tarot - Akron Frey


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von Waite (1857-1942) und Crowley (1875-1947), sondern auch zu einem der wichtigsten Weichensteller der heutigen Esoterik und Auffassung von Magie überhaupt. Er begann seine berufliche Laufbahn als Diakon und wurde nach seinem Ausschluss aus der Kirche zum politischen Aktivist, der in der Revolution 1848 an vorderster Front kämpfte. Nach dem Scheitern seiner politischen Ideale änderte er Leben und Namen radikal. Als ehemaliger Revoluzzer und Idealist glaubte er daran, dass Spiritualität das Recht eines jeden sei und veröffentlichte im Laufe der nächsten Jahrzehnte mehrere Bücher, die heute noch als Standardwerke der Magie angesehen werden. Unbeirrt von der Tatsache, dass seine Kenntnisse der Kabbala, wie böse Zungen raunten, ähnlich bescheiden waren wie bei seinen späteren Erben Papus und Crowley, sah er den Tarot als Bilderschlüssel zum Verständnis dieser Geheimlehre und untermauerte Court de Gébelins Verknüpfung mit den 22 hebräischen Buchstaben mit einer durchdachten und sehr leidenschaftlich vertretenen Theorie. Lévi vervollständigte die Idee von der Übereinstimmung der 22 Trümpfe mit dem jüdischen Lebensbaum. Er behauptete ferner, dass die zehn Sephirot und die 22 Karten der Großen Arkana die 32 Wege absoluten Wissens für Kabbalisten darstellen und ordnete die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabetes in einer neuen Reihenfolge den 22 Trümpfen des Tarots zu. Damit lieferte er zugleich den Nährboden für Generationen begeisterter Forscher und Stubengelehrter, die bis heute immer wieder die Verbindung zwischen Kabbala und Tarot neu durchleuchten, ordnen, ausbauen und zu Deutungszwecken nutzen. Vom Gebrauch des Spiels zu Divinationszwecken hielt der rebellische Magier jedoch wenig und schenkte seine schreibfreudige Aufmerksamkeit ausschließlich dem den Karten innewohnenden großen Mysterium. Gerard Encausse (1865-1916) schließlich, der unter seinem Pseudonym Papus gemeinsam mit dem höchst exzentrischen Baron Stanislas de Guaita den Kabbalistischen Orden des Rosenkreuzes gründete, intensivierte Lévis hermetisches Konzept und war der Letzte der französischen Linie.

      Während die geistige Strömung Frankreichs Ende des 19. Jahrhunderts in der Dekadenz des Fin de Siècle gipfelte, die Theosophie immer mehr Anhänger fand und in den deutschsprachigen Ländern die Psychologie und das Unbewusste entdeckt wurden, verlagerte sich die Beschäftigung mit okkulten Lehren, Magie und dem Tarot von Frankreich zunehmend nach England. In den Fußstapfen zweier der bekanntesten Okkultisten des 19. Jahrhunderts, Levi und Papus, gründeten Alphonsos Woodford und Wynn Westcott zusammen mit S. L. Mathers 1887 den Hermetic Order of the Golden Dawn. Dieser Orden in der Tradition der Rosenkreuzer war in ein strenges hierarchisches System verschiedener Entwicklungsstufen (Grade) gegliedert, die die Mitglieder nacheinander durchlaufen mussten. Tarot galt als eine Übungsdisziplin besonders für Neophyten (Anfängergrad) und diente der Schulung der Imaginationskraft sowie den hellseherischen Fähigkeiten. Anders als heute, wo die Karten auf eher psychologische Art gedeutet werden, orakelte man damals mehr auf Zigeunerart - es ging unter anderem darum, möglichst exakte Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können. Zugleich galt der Tarot weiterhin als Buch der Weisheit und kabbalistisches Einweihungssystem in die Bildersprache, das erst Mitgliedern höherer Ordensgrade in seiner wahren und geheimen Bedeutung wirklich offen war. Diese Verbindung des Tarots zur Kabbala wurde in der Tradition Lévis fortgeführt. So prägte der Orden mit seinen vielfältigen Forschungen und Theorien nicht nur die Entwicklung des Tarots, sondern viele der heute verbreiteten esoterischen und okkulten Lehren. Auch A. E. Waite und Aleister Crowley waren Mitglieder des Golden Dawn. Pamela Colman Smith (1878-1951) schuf Anfang des 20. Jahrhunderts nach Vorgaben von E. A. Waite den heute als Rider-Waite bekannten Tarot im damals modernen präraffaelitischen Stil. Crowley trat 1899 in den Orden ein, kletterte in rasanter Geschwindigkeit die Mitgliedsgrade hoch und war schließlich entscheidend daran beteiligt, dass sich der Golden Dawn zerstritt und schließlich auflöste. Den Thoth-Tarot entwickelte er zusammen mit der Malerin Lady Frieda Harris (1877-1962) erst wesentlich später, in den 40er-Jahren, kurz vor seinem Tod. Die Künstlerin ließ in die Gestaltung der Bilder anthroposophische Erkenntnisse über die projektive Geometrie einfließen, während Crowley sein gesamtes magisches Wissen, seine reichhaltige und zuweilen exzentrische Weltanschauung auf der Basis der hermetischen Geheimlehre in die Symbolik der Karten einbrachte. So hat sich Gébelins wilde Theorie vom Weisheitsbuch Thoth ein gutes Jahrhundert später in Crowleys Interpretation des Tarots tatsächlich manifestiert und ist uns als grundlegende Theorie erhalten geblieben.

      Peu à peu trat die Psychologie unter Sigmund Freud (1856-1939) und besonders C. G. Jung (1875-1961) ins Rampenlicht, während das Reich der Hermetik, Magie und Spiritualität im Laufe des Kapitalismus, Rationalismus und zweier Weltkriege in die verruchte Ecke unglaubwürdiger Scharlatanerie und absonderlichen Aberglaubens verdammt und fortan belächelt wurde. Jung wurde im gleichen Jahr wie Crowley geboren und hegte wie dieser ein großes Interesse am Okkultismus, doch seine Arbeit zielte in einen anderen Bereich. Seine Lehren vom Unbewussten, den Archetypen, den Animus- und Anima-Konstrukten sowie der Synchronizität sind aus der modernen Tarotliteratur nicht mehr wegzudenken. Mit den bewegten 60er-Jahren begann ein neuer Aufschwung der Esoterik, der bis heute andauert, denn die alten Lehren, die das Fundament zur Betrachtung und Deutung der Tarotkarten bildeten, erhielten durch die Öffnung für neue religiöse Strömungen und Weltanschauungen ständig neue Impulse. Dazu zählen nicht nur östliche Einsichten und Weisheiten, sondern auch die neuen Hexen mit ihrem zunehmenden Interesse an den alten matriarchalischen Göttinnen und dem Heiden- oder Wiccakult. Die beiden tragenden Säulen dieser Vielfalt bilden zwar nach wie vor die bis heute populären Spiele von F. A. Waite und Aleister Crowley, doch hat sich dieser Boom auch in einer Vielzahl von anderen Decks niedergeschlagen, von denen die Tarotkarten von Salvador Dali (1983), Hermann Haindl (1988) und Margarete Peterson (2001), der Baphomet-Unterwelt-Tarot mit den Bildern von H. R. Giger (1992) oder der Tarotgarten von Niki de Saint-Phalle (1996) erwähnenswert sind.

      Jungs Interesse für die hermetische Tradition brachte ihm zu Lebzeiten den damals eher negativen Ruf eines Mystikers ein; dies hatte auf sein Werk allerdings sehr positive Auswirkungen. Sein Konzept der analytischen Psychologie, das er im Laufe der Jahre entwickelte, basiert auf einem Modell der Zusammenhänge zwischen Ober-und Unterbewusstsein, letzteres gliederte Jung in das persönliche und das kollektive Unbewusste. Während dem persönlichen Unbewussten verdrängte oder vergessene Erinnerungen des einzelnen Menschen zu Grunde liegen, entspricht das kollektive Unbewusste einer Seelenmatrix, die sich als tiefere Schicht in jedem Individuum befindet, bis zur frühesten Menschheitsgeschichte zurückreicht und die natürlichen Entwicklungs- und Verhaltensmuster in sich trägt. Diese kollektiven Bilder, die Archetypen, stellen laut Jung ebenso wie Symbole und Mythen emotionsgefärbte Botschaften aus dem »Keller« dar, also eine Art Sprache, mit der dem Bewusstsein Informationen mitgeteilt werden. Ein weiterer Zusammenhang zwischen Bewusstem und Unbewusstem findet sich im Animus/Anima-Prinzip. Die Anima ist der gegengeschlechtliche und zumeist verdrängte Teil im Mann, während der Animus den männlichen Teil der Frau darstellt. Beide Geschlechter sind im Menschen kombiniert und prägen den Verlauf seines Lebens. Das Empfinden von Glück oder Unglück wird entscheidend davon abhängen, ob das männliche und weibliche Prinzip in der eigenen Seele in Frieden oder im Streit miteinander leben. So stellt die Beschäftigung des Menschen mit seinem gegengeschlechtlichen Part inklusive Projektion nach außen einen der Hauptpfeiler seines Individuationsprozesses dar.

      Zu Lévis und auch Waites Zeiten waren diese Erkenntnisse moderner Psychologie nicht mehr als eine Ahnung, ein erster Impuls, unformuliert und der Öffentlichkeit wenig zugänglich, ebenso wie die Bedeutung eines Gleichgewichts aus


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