Der Samurai-Manager. Reinhard Lindner
Читать онлайн книгу.Gegner sieht, ist es meist zu spät. Man muss die Chance für den Angriff spüren und dann entschlossen und ohne einen Bruchteil einer Sekunde zu zögern angreifen. Dieses Gespür lässt sich 1 : 1 in das Geschäftsleben umsetzen und macht einen Manager zum Samurai Manager.
Zivilcourage
Es war auf einer Geschäftsreise mit dem Zug von Wien nach Salzburg. Es war Ferienzeit und der Zug war überfüllt. Ich entdeckte auf einer Zweierbank noch einen freien Sitzplatz. Daneben saß ein Herr Mitte zwanzig und hatte seine Tasche auf dem Nebensitz abgestellt. Ich fragte höflich, ob denn der Platz neben ihm noch frei sei. Er verneinte und gab mir zur Auskunft, der Fahrgast sei gerade im Speisewagen und komme bald zurück. Ich dachte mir nicht viel dabei und bemühte mich um eine andere Sitzgelegenheit. Ich hatte Glück, denn zwei Abteile weiter fand ich noch einen freien Platz. Ich packte meinen PC aus und begann zu arbeiten.
Ich konnte die beiden Plätze, wo ich zuerst nach einem freien Platz gefragt hatte, gut einsehen. Da die Plätze im Zug knapp waren, fragten auch andere Gäste, ob denn der besagte Sitz noch frei sei. Dies wurde mit derselben Begründung wie bei mir verneint. Da nach mehr als einer Stunde der Fahrgast, der im Speisewagen sein sollte, immer noch nicht erschienen war, wurde ich misstrauisch und beobachtete die Situation noch etwas genauer. Schließlich kam eine hochschwangere Frau vorbei und bat um eine Sitzgelegenheit. Auch ihr wurde der Platz verwehrt. Kurz vor Salzburg (nach fast drei Stunden Fahrzeit) war es offensichtlich, dass es den besagten Fahrgast im Speisewagen gar nicht gab. Der andere Fahrgast belegte also zwei Sitzplätze während weitere Gäste stehen mussten. Ich fand dieses Verhalten völlig inakzeptabel. Doch wie verhält man sich in einer solchen Situation? Soll man sich in Dinge einmischen, die einen gar nichts angehen? Meine Intuition sagte mir, ich müsse handeln.
Ich stand kurz vor Salzburg auf, begab mich zum besagten Abteil und hielt dem Mann einen nicht näher identifizierbaren Ausweis vor die Nase und sprach ihn an: „Grüß Gott, ich bin von der diskreten Zugaufsicht und Sie wurden ab Wien beobachtet, wie Sie zwei Plätze blockiert haben. Mehrere Fahrgäste, darunter auch ein schwangere Frau, wollten hier Platz nehmen, was Sie verhinderten, indem Sie vorgaben, es käme noch ein anderer Fahrgast aus dem Speisewagen umgehend zurück, was sagen Sie dazu?“
Sein Gesicht lief hochrot an und er versuchte mit zittriger Stimme, das Ganze abzuschwächen beziehungsweise zu leugnen. Worauf ich antwortete: „Wir haben eine Kameraüberwachung im gesamten Zug (ich zeigte auf die Monitore, welche Auskünfte über die Fahrt gaben), wenn Sie versuchen zu leugnen, lassen wir die Videos auswerten und das Ganze wird eine Sache fürs Gericht. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten: Sie bezahlen für den widerrechtlich blockierten Sitzplatz, indem Sie eine zweite Karte kaufen, oder wir nehmen ihre Personalien auf. Sie verlassen in Salzburg den Zug und bekommen ein generelles Fahrverbot. Wir sind auf Fahrgäste wie Sie nicht angewiesen. Bevor Sie sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden, sagen Sie mir noch bitte, wie es Ihnen dabei geht, einer werdenden Mutter den Sitzplatz zu verweigern, damit Sie sich breitmachen können?“ In dem Moment war der Mann sprachlos, tief beschämt und brachte keinen Laut heraus. Ich beendete das Gespräch, indem ich sagte: „Denken Sie über Ihr Verhalten nach, und sagen Sie mir dann, für welche der beiden Varianten Sie sich entschieden haben!“ Ich ging dann in einen anderen Waggon und stieg am Hauptbahnhof in Salzburg aus.
Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.
Ich konnte einfach nicht zusehen, wie so ein menschenverachtendes Verhalten gelebt wurde und niemand davon Notiz nahm, geschweige denn ihm Grenzen aufzeigte. Ich hatte im Anschluss an diese Aktion ein gutes Gefühl und war davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben.
In einem Seminar sprach mich ein Teilnehmer an, nachdem ich diese Anekdote erzählt hatte, dass er das Einschreiten gut fände, jedoch wäre darin doch eine Lüge verpackt gewesen. Was ist nun wichtiger: Mut oder Ehrlichkeit? Ich war sehr froh über diese Frage, und sie schien mir auch berechtigt. Natürlich war ich nicht von der „diskreten Zugaufsicht“, ich weiß gar nicht, ob es eine solche gibt. Ich denke, in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel. Das Ziel war es, jemanden, der ein unrechtes Verhalten an den Tag gelegt hatte und noch dazu auf Kosten anderer, in die Schranken zu weisen. Die „Lüge“, die ich beim Einstieg in das Gespräch verwendet hatte, war nicht eigennützig gewesen und brachte mir keinen Vorteil. Sie gab mir aber die Legitimation, für das Recht einzustehen, ohne als Wichtigtuer dazustehen. Insofern kann ich mein Verhalten und meine Vorgehensweise gut mit meinem Gewissen vereinbaren, und ich würde jederzeit wieder so oder so ähnlich handeln.
Mut lohnt sich!
Mut führt zu Erfolg, insbesondere dann, wenn man viel selbst bestimmen kann. Eine mutige Entscheidung, bei der Sie auf die wesentlichen Parameter durch Leistung und persönliches Engagement großen Einfluss haben, bringt Sie Ihrem Ziel näher. Es war in meiner Anfangsphase als Unternehmensberater und Managementtrainer Ende der 1990er-Jahre. Ich hielt für eine Reisebürokette in Salzburg ein Verkaufstraining. Ich bekam ein erstklassiges Feedback und war motiviert nach diesem Tag. Während des Tages erfuhr ich, dass das Unternehmen eine Bürogemeinschaft mit einer renommierten Werbeagentur hatte. Als ich meine Unterlagen zusammenpackte und das Büro verlassen wollte, stand ich vor der Eingangstür dieser Werbeagentur und dachte mir, es wäre einen Versuch wert, mich kurz vorzustellen. Mutig betrat ich das Büro und erkundigte mich, ob einer der Geschäftsführer im Hause sei und kurz zu sprechen wäre. Die Dame am Empfang fragte, ob ich einen Termin hätte und in welcher Angelegenheit ich vorsprechen möchte. Ich erklärte ihr, dass ich soeben ein Verkaufstraining durchgeführt hatte und mir berichtet worden war, dass ihre Werbeagentur mit diesem Reisebüro eng zusammenarbeite. In diesem Zusammenhang wolle auch ich die Möglichkeiten einer für beide Seiten gewinnbringenden Kooperation ausloten, was wir innerhalb von fünf Minuten feststellen könnten.
Die Assistentin ging in das Büro eines der Geschäftsführer, der zufällig anwesend war, und gewährte mir Zutritt. Dieser blickte mir skeptisch entgegen.
Ich stellte mich und mein Unternehmen kurz vor, erläuterte meine Kernkompetenz und nachdem wir beide im Dienstleistungsgeschäft beheimatet waren, gebe es bestimmt den einen oder anderen Anknüpfungspunkt. Ich verwies auf die Referenz des Reisebüros und noch einiger anderer Kunden in Salzburg und bot ihm an, wenn einer meiner Kunden einen Bedarf äußere, den sein Unternehmen abdecken könne, würde ich ihn gerne weiterempfehlen. Der direkte und offene Zugang schien ihm zu gefallen und es entwickelte sich ein Gespräch, welches deutlich länger dauerte als fünf Minuten. Ergebnis des Gespräches war, dass wir beide voneinander sehr genau wussten, wo die Stärken unserer Dienstleistungen lagen, und dass es eine Basis gab, uns wechselseitig weiterzuempfehlen. Wie ich später erfuhr, erkundigte sich mein Gesprächspartner noch am selben Abend beim Geschäftsführer des Reisebüros nach der Qualität meiner Arbeit, um die Ernsthaftigkeit einer möglichen Zusammenarbeit einschätzen zu können.
Mut führt zum Erfolg.
Nach einem halben Jahr erhielt ich einen Anruf mit einer konkreten Anfrage. Einer der größten Kunden der Werbeagentur, ein Reiseveranstalter mit der Konzernzentrale in der Schweiz, veranstaltete eine Jahrestagung des österreichischen Tochterunternehmens. Diese wollte er gerne mit einem eintägigen Verkaufstraining kombinieren und ich sollte ihm diesbezüglich ein Angebot machen. Mein Angebot wurde von seinem Schweizer Kunden akzeptiert. Daraus resultierten Folgeaufträge für das österreichische Tochterunternehmen. Nach erstklassigen Feedbacks und messbaren Erfolgen wurde meine Schulungslinie konzernweit ausgedehnt. Das Unternehmen verfügte über zahlreiche Luxusressorts in Kenia. Dazu gehörte eine Vielzahl von Lodges an den besten Plätzen des Amboseli-Nationalparks und in der Massai Mara sowie in der Serengeti am Fuße des Kilimandscharos. Da ich damit betraut wurde, das Hotelmanagement vor Ort im Bereich Mitarbeiterführung und Managementstrategien zu trainieren, wurde ich mehrmals nach Kenia eingeflogen. Der Höhepunkt meines Aufenthalts war ein Flug mit einer Versorgungsmaschine, der mir – auch dank einer Zwischenlandung inmitten von einer Million Flamingos – einen unvergesslichen