für immer 8 Bit. Uwe Post

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      Uwe Post

      für immer 8 BIT

      © 2018 Begedia Verlag

      © 2018 Uwe Post

      Umschlaggestaltung — Uwe Post

      ebook-Bearbeitung — Harald Giersche

      ISBN13 — 978-3-95777-118-6 (epub)

       Alles für das Spiel!

      Mai 1983

      Ohne den platten Reifen wäre alles anders gelaufen.

      Alles.

      Ganz anders.

      Frühling 83, ich war 16. Sie wissen schon: Geier Sturzflug steigerte das Bruttosozialprodukt, der Stern druckte Hitlers Tagebücher und manche Heimcomputer hatten Tastaturen aus einer Art Radiergummi.

      Ein Samstagmittag nach der Schule besiegelte mein Schicksal. Ja, damals hatten wir samstags Schule. Nicht jede Woche, aber wir hassten es trotzdem. Der Schultag endete samstags wie an den anderen Tagen um 13:05 Uhr. Eine Stunde nachdem die meisten Geschäfte in der Stadt schlossen.

      Die Maisonne schien auf die menschenleeren Straßen meines Heimatstädtchens.

      Ich war spät dran. Etwas bedrückt schwang ich mich auf mein Rad und trampelte Richtung Elternhaus.

      Kurz vor der Einmündung in die Hauptstraße fiel ich fast vom Sattel. Nicht, weil ich grübelte, wie ich meine Eltern vom erheblichen Nutzen eines eigenen Atari überzeugen konnte. Sondern weil ein paar Meter vor mir eine Radfahrerin eine Panne hatte. Und es war nicht irgendjemand, die da den platten Hinterreifen anschrie, als könne sie damit Luft hinein pumpen.

      Es war sie.

      Anna. Mein heimlicher Schwarm. Mein Schicksal.

      Sofort hörte ich Gesang in meinem Kopf.

      The game never ends

      when your whole world depends

      on the turn of a friendly card ... (i)

      Seit Wochen suchte ich nach einem Anlass, um sie anzusprechen.

      Was hätte ich auch sagen sollen? Nach dem »Hi«, das ich gerade so heraus bekam.

      »Du, Anna, ich habe mich total in dich verknallt, willst du mit mir gehen?«

      Da klang: »Ich habe eine Luftpumpe dabei« deutlich besser, oder?

      Zwar lautete die Antwort nicht »Dich schickt der Himmel«, sondern bloß »Gib schon her«, aber das war immer noch besser als »du bist echt peinlich, lass mich bloß in Frieden, sonst erzähle ich es in der ganzen Schule«.

      Ich versuchte mich als Kavalier: »Soll ich das übernehmen?«

      »Sehe ich so aus, als könne ich keine Luftpumpe bedienen, hä?«

      Autsch, das saß. Tommy würde mich auslachen, wenn ich diese Chance vergeigte. Ich riss mich zusammen.

      »Ich habe sonst immer eine dabei«, sagte Anna und riss mir das Gerät aus der Hand.

      Während sich Anna an ihrem Hinterreifen zu schaffen machte, strengte ich meinen Grips an. Ich musste diese Gelegenheit nutzen. Diese zufällige Unterhaltung konnte der Anfang sein.

      Wovon sie der Anfang war, ahnte ich freilich nicht.

      Time ... is flowing like a river ... (ii)

      Meine Hände waren kalt vor Schweiß, und klare Gedanken fielen schwer. »Wenn du ein Loch im Schlauch hast, wirst du an der nächsten Kreuzung wieder pumpen müssen.«

      »Vermutlich fand es bloß irgendein Fünftklässler witzig, an den Ventilen zu schrauben«, knirschte Anna.

      »Ich kann dir die Pumpe bis Montag leihen«, schlug ich vor.

      »Danke«, sagte Anna und pumpte weiter.

      Prima, ich hatte mich soeben überflüssig gemacht. Ich verzog das Gesicht. Dachte angestrengt nach. »Du, ich … äh …«

      Der Reifen war vorläufig verarztet. Anna stand auf und pustete sich eine Haarsträhne aus den Augen. »Was denn?«

      »Ich, äh ...« Ich schluckte. Wich ihrem Blick aus. Wie ich es immer tat. Anna saß in Englisch zwei Tische entfernt, und weil gerade U-förmige Sitzanordnung in Mode war, sah ich sie automatisch an, wenn ich geradeaus blickte. Also fast immer. Außer, wenn sie das zu spüren schien und ihrerseits mich ansah. Dann drehte ich schnell den Kopf Richtung Lehrer und bekam trotzdem nicht mit, was der erklärte.

      Anna lächelte oft. Nicht nur Augen und Lippen. Auch ihre Nase und ihre Ohren brachten es irgendwie fertig, am Lächeln teilzunehmen. Ihre fast schwarzen Haare reichten bis zu den Schultern, außer wenn sie einen Pferdeschwanz trug. Sie war in Englisch viel besser als ich, denn sie sah nicht ständig einen attraktiven Jungen an, geschweige denn mich, sondern unseren Lehrer. Der hatte eine Glatze, Brille, Bauch und war in letzter Zeit ziemlich unzufrieden mit meinen Leistungen. Ich hörte plötzlich ein Lied in meinem Kopf und hörte einfach zu.

      Who knows when we shall meet again

      If ever ... (iii)

      Genau! Das war es!

      »Also, äh … Ich habe mich gefragt, ob wir nicht mal zusammen Hausaufgaben machen können. Du bist gut in Englisch, ich nicht so, aber ich bin gut in Mathe, und ...« Jetzt bloß nicht sagen: »Du nicht«. Lieber: »Ich könnte dir zum Beispiel in Ruhe diese komplizierten Ableitungsregeln erklären, wenn du willst.«

      Ein oder zwei Sekunden vergingen ohne eine Reaktion. Auch wenn ich zu jenem Zeitpunkt noch nie von Schrödingers Katze gehört hatte: Diese Sekunden waren die Kiste, in der sie steckte, und gleich würde sich der Deckel öffnen. Dann würde sich entscheiden, ob die Katze tot war oder lebte. Bis dahin war sie beides.

      Anna machte den Mund auf und schloss ihn wieder.

      Die Katze drehte eine weitere Runde in ihrer Kiste oder war weiterhin tot.

      Zuerst schaute Anna an mir vorbei. »Komische Idee«, murmelte sie dann und sah mich wieder an. »Hab aber schon ätzendere Vorschläge gehört.«

      »Freut mich. Also, dass die Idee nicht völlig ätzend ist.«

      »Montag wäre gut. Da haben wir beides. Englisch und Mathe. Und ich muss dir sowieso die Pumpe zurückgeben.« Anna winkte mit dem rettenden Gerät und klemmte es auf den Gepäckträger. »Aber bei mir. Ich hab keine Ahnung, wo du wohnst, und ich traue meinem Rad im Moment nicht weiter als nötig.«

      Ich verkniff mir Luftsprünge und lautes Jubeln. Immer cool bleiben! »Okay, wann soll ich kommen?«

      »Drei Uhr. Weißt du, wo ich wohne?«

      Klar wusste ich das. Annas Eltern standen im Telefonbuch, aber ich konnte schlecht zugeben, dass ich die Adresse längst nachgeschaut hatte. »Äh ...«, ächzte ich.

      »Fohlengasse 24.«

      »Ah«, brachte ich hervor. »Gut. Kann ich mir merken. Falls nicht ...«

      »Wir stehen im Telefonbuch.«

      »Ach ja«, sagte ich und grinste vermutlich etwas schief.

      »Schönes Wochenende noch«, sagte Anna und stieg auf ihr Rad.

      »Oder was davon übrig ist, samstags um halb Zwei«, seufzte ich. »Und gute Fahrt.« Ich zeigte auf ihr Hinterrad.

      Dann schwang ich mich auf meinen Sattel und trat in die Pedale. Irgendwie klappte das nicht so gut wie sonst. Ich verschaltete mich und um ein Haar sprang die Kette ab. Erst jetzt merkte ich, dass ich am ganzen Leib zitterte.

      Ich hatte meine erste Verabredung. Mit einem Mädchen. Mit dem Mädchen.

      Am Nachmittag erzählte ich alles meinem Freund Tommy. Der kam gar nicht zu Wort, so sprudelte es aus mir hervor.

      Irgendwann hielt er mir den Mund zu.

      »Mmpf«, machte ich, dann wartete ich ab, was Tommy zu sagen hatte.

      »Schwachkopf«,


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