Momente für die Ewigkeit. Daniel Schneider

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Momente für die Ewigkeit - Daniel Schneider


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      Wichtige Faktoren waren die Abgeschiedenheit, ein Flughafen in der Nähe, ein Trainingsplatz in Sichtweite und eine relativ kurze Anreise zu den Spielen. Zumindest zu denen in der Gruppenphase. Was danach kam, war nicht bis ins letzte Detail planbar.

      Alle diese Kriterien wurden erfüllt. Und noch mehr: Das Quartier lag sogar in den gleichen Klimazonen wie die Stadien der Vorrundenspiele.

      Die Wege waren trotzdem lang. Per Flugzeug, Bus und Fähre wurde der DFB-Tross durch das ganze Land kutschiert. Auch hier wurde peinlich genau darauf geachtet, dass keine unnötigen Wartezeiten entstehen, dass die Spieler zwischen den Reisestrapazen so gut wie möglich regenerieren können und damit fit bleiben.

      Es ist wohl übertrieben zu behaupten, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft die WM gewonnen hat, weil sie so einen perfekt geplanten Matchplan vorlegte, der alle äußeren Umstände genau berücksichtigte. Aber einen gewissen Anteil hatte er bestimmt.

      Die Akribie bei der Planung, die vor allem Oliver Bierhoff nachgesagt wird, hat ihren Anteil am Erfolg. Am großen Ganzen. Am WM-Titel an sich. Es ist das Puzzleteil, das den Unterschied ausmacht. Auch zu den anderen Ländern.

      Bierhoff erklärte ein Jahr nach dem Titelgewinn in einem Vortrag bei der Fernuni in Hagen: „Der Weg zum Titelgewinn ist kein Zufall, sondern beinhaltet akribische Planung.“

      Dann beschreibt der ehemalige Torjäger und studierte Wirtschaftswissenschaftler, dass der Weg der Nationalmannschaft zum Erfolg ein lang angelegtes Projekt gewesen ist.

      „Während die Visionen von Turnier zu Turnier wechseln, bleiben die zentralen Werte konstant.“1 Und das sind: Professionalität, Respekt vor dem gesamten Team, Spaß und Freude an der Sache.

      Der Erfolg hat ihm recht gegeben. Aber nicht der Titelgewinn an sich ist das Bemerkenswerte an dem Projekt, sondern die Akribie und Langfristigkeit bei der Planung.

      Seit 2004 ist Oliver Bierhoff Teammanager der deutschen Mannschaft. Und schon damals hat die Veränderung begonnen. Zunächst ohne große Aussichten auf Erfolg. Im Vorfeld der WM 2006 wurde von der Öffentlichkeit und von einem großen Teil der Fußballprominenz am ‚Konzept Klinsmann‘ gezweifelt.

      Bierhoff zweifelte nicht. Er hat gezeigt, dass es Sinn macht, sich nicht von seinen Zielen abbringen zu lassen. Wahrscheinlich hat auch der Herr Sportmanager manchmal geschluckt, wenn es nicht so lief. Zum Beispiel bei einem der letzten Testspiele von Deutschland vor der WM 2006, gegen Italien, bei dem es ein 1 : 4 hagelte und das den Höhepunkt der Kritik gegenüber Klinsmann und Co. darstellte.

      Und was wurde es dann für ein Sommermärchen.

      Gut, dass sie an ihrem Plan festgehalten haben. Trotz deutlicher Kritik an dem Unterfangen. Durch ihre Professionalität, den Respekt vor dem gesamten Team, den Spaß und Freude an der Sache haben sie es weit gebracht.

      Nicht umsonst wurde Oliver Bierhoff von der Fernuni in Hagen eingeladen, die sonst eher wenig mit dem Fußball zu tun hat.

      Solche Projekte lassen sich wunderbar aufs Leben übertragen. Auch hier spielt Professionalität eine wichtige Rolle. Aber Vorsicht: Dieses Wort kann missverstanden werden. Denn es beschreibt nicht nur gute Leistungen und Disziplin.

      Der Change-Management-Experte Winfried Berner widmet sich dem Begriff in einem sehr lesenswerten Artikel und stellt dabei heraus, dass Professionalität weit mehr ist als nur Leistung und Können. Für ihn geht es um Wertemaßstäbe. Und zwar:

       „Nicht nur bei der Arbeit, die man abliefert, sondern in seinem gesamten Geschäftsgebaren und in seinem Umgang mit Menschen – unabhängig von Dienstrang und Namen und gleich, ob einem jemand noch nützlich sein kann oder nicht. Genau hier scheidet sich die Spreu vom Weizen. Denn sich ins Zeug zu legen, wenn es um einen Auftrag, um zählbare Ergebnisse oder um eine Beförderung geht, hat nichts mit Professionalität zu tun, das ist schlichter Ehrgeiz bzw. Geschäftssinn.“2

      Wahre Professionalität zeigt sich für Berner demnach, wenn jemand Leistung bringt, auch wenn keine Gegenleistung zu erwarten ist. Er übersetzt Professionalität mit ‚Anstand‘ und ‚Pflflichtgefühl‘. Profifi ist, wer sich in den Dienst der Sache, des Betriebs oder des Vereins stellt und nicht nur seinen Vorteil im Blick hat, so talentiert, fleißig und klug jemand auch sein mag.

      Das erinnert an einen anderen von Bierhoffs Werten: Respekt gegenüber dem ganzen Team. Das gilt für den Sport, für die Geschäftswelt und für die persönlichen Beziehungen von uns Menschen. Bei einem persönlichen Gespräch mit dem langjährigen Busfahrer der Nationalmannschaft, Wolfgang Hochfellner, habe ich es selbst erfahren: Der Busfahrer ist mehr als integriert gewesen. Als Chefchauffeur hat er nicht nur ordentlich Kilometer geschrubbt, sondern er war Teil des Teams, der Mannschaft. Er galt als die gute Seele im Team, und wenn Not am Mann war, hat er auch als Zeugwart ausgeholfen. Dieser Einsatz hat allen imponiert. Durch seine Professionalität und seine Art war der Busfahrer voll integriert. Wenn diese Akzeptanz nicht da ist, dann wird’s schwierig.

      Im Sportverein, im Job oder in der Beziehung.

      Diese Art des Repekts hat ganz viel mit Wertschätzung zu tun. Mit dem Begriff, der eckig wirkt, aber in solchen Themen des Alltags plötzlich relevant wird.

      Und zutiefst biblisch ist. Denn wenn man etwas wertschätzt, dann macht man sich vorher Gedanken, wie man jemandem begegnet oder mit etwas umgeht. Gott gibt uns Menschen den Auftrag, die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren; so steht es auf den ersten Seiten der Bibel. Er überträgt auf uns eine Mitverantwortung für seine Schöpfung und seine Geschöpfe, für die Natur und für die Lebewesen, also auch für uns Menschen.

      Was für ein Privileg!

      Bebauen bedeutet für mich in Bezug auf uns Menschen: Potenziale fördern, das Optimale herausholen. Leistung bringen ist nicht verwerflich. Gerade im Bereich des Profisports ist es doch erstaunlich, zu welchen Leistungen wir Menschen fähig sind. Wie wunderbar.

      Wenn ich mir die Dribblings von Lionel Messi betrachte, wird mir schwindelig. Und ich freue mich über seine Tore. Außer natürlich, wenn es gegen meinen Lieblingsverein geht. Bebauen dürfen aber nicht nur Hochleistungssportler. Auch wenn es komisch klingt: Wenn man den Schöpfungsauftrag zu Ende denkt, dann bebaut auch Torjäger Harald M. in der untersten deutschen Spielklasse mit seinen nicht ganz so fintenreichen und dynamischen Tricks die Schöpfung.

      Leistung bringen im Rahmen seiner Möglichkeiten macht Spaß.

      Auch der Busfahrer der deutschen Nationalmannschaft ist ein professioneller Bebauer der Sportwelt. Und die Mama, die jede Woche treu ihre Jungs und Mädels zu den Spielen fährt. Und der Opa, der immer die Würstchen grillt. Und der ehrenamtlich Vorsitzende, der jedes Jahr die Weihnachtsfeier ausrichtet …

      Der zweite Teil des Schöpfungsauftrags, das ‚Bewahren‘, kann auch ohne große Mühe auf den Sport übertragen werden.

      ‚Bewahren‘ bedeutet: Pass auf dich und die anderen Menschen auf. Leistung bringen ist schön und gut, aber nicht, wenn es auf Kosten der anderen geht. Und diese Grenze verschwimmt schnell – egal ob im Profi- oder im Amateurbereich.

      Spielerpässe sind schnell gefälscht, um den eigentlich schon zu alten Jugendspieler doch noch durchzumogeln.

      Leistungssteigernde Substanzen nicht zu vergessen, die schon in den unteren Ligen eingesetzt werden und die nicht nur einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, sondern vor allem verheerende Spätwirkungen für den eigenen Körper nach sich ziehen.

      Bewahren der Schöpfung bedeutet im Sport: Schätze dich selbst wert und verschaffe dir keinen regelwidrigen Wettbewerbsvorteil.

      Derjenige, der das gerade schreibt, also ich, zeigt damit


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