Im Kreuzfeuer. Christian Wehrschütz

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Im Kreuzfeuer - Christian Wehrschütz


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verabschiedet wurde. Zu den umstrittensten Artikeln zählt die Festlegung der Staatssprache, die bis zu diesem Zeitpunkt die serbische Sprache war. Schließlich fanden die Unabhängigkeitsbefürworter mit Vertretern der gemäßigten proserbischen Opposition einen Kompromiss, und Artikel 13 (Sprache und Schrift) der Verfassung lautet nun wie folgt:

      „Die Amtssprache in Montenegro ist die montenegrinische Sprache. Das kyrillische und lateinische Alphabet sind gleichberechtigt. In amtlichem Gebrauch sind auch die serbische, bosnische, die albanische und die kroatische Sprache.“

      Montenegro setzte damit einen weiteren Schritt zur Nationsbildung; je erfolgreicher dieser Staat auf dem Weg Richtung EU und NATO vor allem im Verhältnis zu Serbien sein wird, desto rascher wird das Bekenntnis zur montenegrinischen Nation wachsen. Dabei definiert sich Montenegro nicht als ethnisches Gemeinwesen, sondern als „Staat seiner Bürger“ (Artikel 1 der Verfassung), nicht zuletzt auch deshalb, um das ethnische Gleichgewicht zwischen den Volksgruppen nicht zu gefährden. Denn etwa fünf Prozent der Bevölkerung sind Albaner und sieben Prozent sind Bosniaken.

      Doch es geht in diesem Kapitel nicht um eine vergleichende Studie der Nationsbildung zwischen Österreich und Montenegro. Vielmehr soll der Blick dafür geschärft werden, dass Sprachenfragen und Sprachenpolitik zutiefst mit den Fragen der nationalen Identität (točno – tačno) verbunden sind. Der Kampf um die nationale Identität manifestiert sich daher insbesondere an den Schulen, weil Nationalitätenkonflikte eben auch Sprachenkonflikte sind. Je näher die Sprachen beieinander liegen, und je ungefestigter diese Nationen sind, desto erbitterter werden die Konflikte offenbar ausgetragen. Das gilt natürlich auch für das ehemalige Jugoslawien, dessen meiste Nachfolgestaaten – allen politischen Mythenbildungen zum Trotz – eben sehr junge eigenständige Nationen sind. Im Fall Bosnien und Herzegowina kann noch nicht einmal von einem gemeinsamen Staatsbewusstsein gesprochen werden, weil Serben, Kroaten und Bosniaken im Grund genommen auch mehr als zehn Jahre nach dem Krieg nicht freiwillig in einem Staat zusammenleben. Daher wird es noch einige Zeit brauchen, bis jener Witz umfassende Realität wird, der im Hotel Holiday Inn in Sarajevo spielt:

      Unmittelbar nach dem Krieg kommt ein Gast in das Restaurant des Hotels und will beim Kellner eine Tasse Kaffee bestellen: „Hoću Kafu“ (Ich will Kaffee), sagt der Gast zunächst auf Serbisch. Der Kellner antwortet: „Ne može“ (Geht nicht). Denkt sich der Gast, der Kellner ist vielleicht gegen die Serben, daher wiederholt er die Frage auf Kroatisch: „Hoću Kavu“. Wiederum verneint der Kellner. Schließlich versucht es der Gast noch auf Bosnisch: „Hoću Kahvu“. Darauf reißt dem Kellner die Geduld, und er sagt: „Mein Herr! Mir ist es gleichgültig, ob sie Kafa, Kava, oder Kahva sagen. Wir haben kein Wasser!“

       Anmerkungen


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